Gelsenkirchen. Wer gewinnt, wer verliert bei der neuen Grundsteuer? Laut Gelsenkirchens Kämmerer gibt es noch viele offene Fragen. Womit die Stadt rechnet.

Bis spätestens Ende des Monats sollten alle 70.000 Jahresbescheide über die Grundbesitzabgaben bei den Eigentümerinnen und Eigentümern in Gelsenkirchen angekommen sein. In diesem Jahr steckt in dem Umschlag allerdings noch ein Papier mehr als gewöhnlich: In einem Zusatzschreiben informiert das Land darüber, dass die Abgabe auf Basis aktueller Grundsteuerwerte neu berechnet wird und Eigentümer bis spätestens Ende Oktober erstmals eine eigene Steuererklärung für ihre Liegenschaften einreichen müssen. Wer wird mehr zahlen müssen, wer weniger? Das ist laut Gelsenkirchens Stadtkämmerer Luidger Wolterhoff nicht absehbar.

Gelsenkirchens Stadtkämmerer: Frage der Bewertung nicht an Himmelsrichtungen festzumachen

Hintergrund für die Neuberechnung ist die Grundsteuerreform, die bis 2025 abgeschlossen sein muss. Der Eigentümerverband Haus & Grund rechnet vor allem mit Mehrkosten für Einfamilienhäuser, weil der beim neuen Berechnungsmodell mitberücksichtigte Bodenrichtwert gerade in Siedlungen mit entsprechenden Häusern höher ist. Der Steuerzahlerbund NRW geht zudem davon aus, dass die Grundsteuer für Immobilien in begehrten Lagen steigt und in Randlagen eher sinkt.

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Wolterhoff ist allerdings sicher, dass die Neukalkulation keine Nord-Süd-Debatte entfachen wird – also nicht etwa Grundstücke im strukturell stärkeren Gelsenkirchener Norden noch teurer werden als südlich des Rhein-Herne-Kanals. „Die Frage der Bewertung wird sich keinesfalls nur an Himmelsrichtungen festmachen lassen, sondern eher an einzelnen Straßenzügen.“

Grundsteuereinnahmen in Gelsenkirchen liegen bei 47 Millionen Euro - und so soll es auch bleiben

„Insgesamt aber streben wir Aufkommensneutralität an“, betont Wolterhoff. Das heißt: Die Stadtverwaltung will den Hebesatz, den die Städte selbst festlegen und der zentraler Berechnungsmaßstab für die Steuerlast ist, nicht so verändern, dass stattliche Mehrbeträge in die Stadtkasse fließen. Zu diesem Zweck plant auch das Land NRW, öffentlich für jede Kommune jenen Hebesatz bekanntzugeben, der am Ende eine aufkommensneutrale Besteuerung sicherstellt. Der naheliegende Gedanke: Plant eine Stadt einen höheren Prozentsatz, steht sie damit unter besonderem Rechtfertigungsdruck.

Das voraussichtliche Aufkommen der Grundsteuer liegt in Gelsenkirchen für das Jahr 2022 bei rund 47 Millionen Euro. So soll es dann also auch im Jahr 2025 sein, wenn der Umbau der Grundsteuer abgeschlossen sein muss.

Stadt Gelsenkirchen hat Grundsteuer-Hebesatz zuletzt 2019 erhöht

Gerade in einer Stadt wie in Gelsenkirchen, in der es eine unterdurchschnittliche Eigentumsquote gebe, sei es „nicht das Mittel der Wahl“, den Hebesatz weiter zu erhöhen. „In Gelsenkirchen verfolgen wir den Ansatz, den Haushaltsausgleich nicht über eine Erhöhung an der Grundsteuer zu erzielen“, sagt der Stadtkämmerer. „Das erscheint mir als großer politischer Konsens.“

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Allerdings ist es noch gar nicht lange her, seitdem hier zum Zwecke der Haushaltsentlastung an der Grundsteuer-Schraube gedreht wurde. Über viele Jahre lag der Hebesatz in Gelsenkirchen bei 530 Prozent. Dann wurde er 2013, 2014 und zuletzt 2019 angehoben, von 545 auf 675 Prozent. Eine Studie des Instituts der Wirtschaft aus dem vergangenen Jahr sah Gelsenkirchen damit unter den 100 größten deutschen Städten auf einem wenig rühmlichen 83. Platz – allerdings vor anderen, ebenfalls klammen Ruhrgebietsstädten wie oder Duisburg (724 Prozent), Mülheim (754) und Witten (771 Prozent).

Finanzielle Belastung durch neue Grundsteuer: Warum in Gelsenkirchen keine Voruntersuchung geplant ist

Um von den neuen Grundsteuerwerten nicht überrascht zu werden, startet die Finanzverwaltung der Nachbarstadt Essen demnächst in ausgewählten Quartieren, die halbwegs repräsentativ für das Stadtgefüge sind, eine Untersuchung. Sie soll zeigen, wie sich die finanzielle Belastung für die dort lebenden Bürgerinnen und Bürger verändert, wenn nicht mehr Jahrzehnte alte Grundstückswerte zugrundegelegt werden, sondern aktuelle, so wie es das Bundesverfassungsgericht verlangt. Das hielt die bisherige Berechnung schon im Frühjahr 2018 für ungerecht und mit der Verfassung für nicht mehr vereinbar. „Wir wollen simulieren, was passiert“, sagte der dortige Stadtkämmerer Gerhard Grabenkamp.

In Gelsenkirchen allerdings verzichtet man auf eine vergleichbare Untersuchung. Die Bewertungsmaßstäbe sind aus Sicht von Luidger Wolterhoff dafür noch nicht klar genug, man wolle erst einmal abwarten und könne dann relativ schnell zu einer Berechnung kommen, sobald die Fakten auf dem Tisch lägen.

Drei Bescheide

Die Steuererklärung für ihre Liegenschaft, die sogenannte Feststellungserklärung, müssen Eigentümer zwischen Juli und Oktober beim Finanzamt einreichen – und zwar ausschließlich in elektronischer Form über das Steuerportal Elster. Die Abgabe von Belegen in Papierform ist nicht vorgesehen. Anhand der Angaben in der Erklärung berechnet das Finanzamt den Grundsteuerwert und stellt einen Grundsteuerwertbescheid aus. Außerdem setzt das Finanzamt den Grundsteuermessbetrag fest. Auch darüber erhalten die Eigentümer einen Bescheid. Bezahlt werden muss das alles nicht. Die Werte sind lediglich Berechnungsgrundlage für die neuen Grundsteuerbescheide der Stadt. Fällig wird die neue Grundsteuer erst 2025.