Gelsenkirchen. Je klammer die Stadt, desto höher die Grundsteuerlast: Gelsenkirchen belegt bei einer Vergleichsstudie Platz 83 - im Revier ein Mittelfeldplatz.

Gelsenkirchen hat zuletzt zum Jahreswechsel 2018/-19 an der Grundsteuer-Schraube gedreht, den Hebesatz von 545 auf 675 Prozent und damit 110 Euro gegenüber 2018 erhöht. Eine Studie des Instituts der Wirtschaft (IW) im Auftrag des Verbandes Haus und Grund zeigt: Damit liegt die Stadt durchaus auf Revierniveau, bundesweit fiel sie unter den 100 größten deutschen Städten allerdings um 28 Plätze auf Rang 83 zurück. Deutlich macht die Studie auch: Die Belastung durch diese Steuer fällt ganz unterschiedlich aus. Die simple Formel: Je klammer die Stadt, desto höher in der Regel die Steuerlast.

Gelsenkirchen stieg um 28 Plätze ab und liegt nun auf Rang 83 von 100

Die Grundsteuer ist die große Konstante für den städtischen Haushalt. Anders als die – nicht minder wichtige – Gewerbesteuer, die maximal von der Wirtschaftslage abhängig ist, wie sich dramatisch durch die Folgen der Corona-Pandemie zeigt. Hier rechnet Gelsenkirchen 2020 mit Einbrüchen in Höhe von 70 Prozent auf 20 Millionen Euro. Trost zumindest für 2021: Die Corona-Folgen werden von Bund und Land kompensiert. Der Gesamtumfang der Erträge für die Verwaltung, die aus der Grundsteuer in den Haushalt fließen, liegt dagegen fix und kalkulierbar bei 46,6 Millionen Euro, berechnet auf der Steuerlast für 60.000 Gelsenkirchener Grundstücke. Kassiert wird die Summe von Grundeigentümern, aber eben auch per Umlage von den Mietparteien.

Erst auf Rang 72 taucht mit Dortmund die erste Revierstadt auf.

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Das Ranking 2021 vergleicht die Steuer-Entwicklung mit dem Stand von 2018: Platz 1 bleibt Gütersloh, Schlusslicht ist Witten. Während dort für ein Standard-Einfamilienhaus (berechnet mit 125 Quadratmeter Wohnfläche und 500 Quadratmeter großem Grundstück) 771 Euro im Jahr fällig sind, kassiert Gütersloh nicht mal die Hälfte davon: 323 Euro. Erst auf Rang 72 taucht mit Dortmund die erste Revierstadt auf. Die weiteren Plätze: Bochum 77, Essen und Oberhausen 81, Bottrop 84, Herne 91, Duisburg 97 und schließlich Mülheim (98) vor Witten auf Rang 100.

OB Welge: Hebesatz liegt in der unteren Hälfte von Städten im Stärkungspakt

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Im Vergleich zur vorigen Studie von 2018 haben wie Gelsenkirchen elf weitere Städte ihre Grundsteuer angehoben. In Offenbach stieg sie – der Spitzenwert – um die Hälfte (49 Prozent) auf 758 Euro, in Mülheim um 38 Prozent (auf 754 Euro), in Gelsenkirchen um 24 Prozent (auf 572 Euro). „Wir liegen mit dem Hebesatz in der unteren Hälfte von Städten im Stärkungspakt“, ordnete Oberbürgermeisterin Karin Welge, damals noch als Kämmerin, 2019 den Wert im Vergleich ein.

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Nur drei Kommunen bundesweit haben übrigens seit 2018 die Grundsteuer gesenkt: Erlangen, Remscheid und Leverkusen (das damit trotzdem auf Platz 92 bleibt).

Art der Immobilie, Gebäudealter und Mietniveau spielen künftig eine Rolle

„Kriterium für die Standortwahl“

IW-Studienautor Hanno Kempermann weist darauf hin, dass die meisten Städte notgedrungen an der Steuerschraube drehen, weil sie dringend Geld bräuchten. „Das ist aber keine gute Vorgehensweise, denn das mindert ihre Attraktivität.“

„Wenn Bauträger eine Wohnsiedlung bauen oder wenn sich Privatleute ein Haus kaufen wollen, sei eine hohe Grundsteuer ein Kriterium für die Standortwahl“. Doch auch für Haus und Grund steht fest: Die Steuer ist nur ein Baustein im Konstrukt: Die Kosten für Baugrund oder die Höhe der Mieten fallen in der Regel stärker ins Gewicht.

Das Bundesverfassungsgericht erklärte die bisherige Grundsteuer 2018 für verfassungswidrig und forderte eine Novelle, die der Gesetzgeber nach zähem Ringen wie gefordert Ende 2019 schließlich auf den Weg brachte. Ausschlaggebend für das Urteil waren die steuerlichen Ungleichbehandlungen von Grundvermögen aufgrund über einen langen Zeitraum nicht durchgeführter Aktualisierungen der Besteuerungsgrundlagen. Als Richtwert dienen bislang - die teils vor Jahrzehnten definierten – „Einheitswerte“. Ab Januar 2025 werden Grundstücks- und Immobilieneigentümern dann Grundsteuerbescheide nach der neuen Berechnungsgrundlage zugestellt. Generell sieht das Gesetz, eine wertabhängige Grundsteuer vor. Art der Immobilie, Gebäudealter und Mietniveau spielen dabei eine Rolle.

Land NRW verzichtet auf die Öffnungsklausel

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Von den Eigentümern werde man 2025 nur relativ wenige Angaben benötigen, wie zum Beispiel bei Wohngrundstücken Grundstücksfläche, Bodenrichtwert, Wohnfläche, Baujahr, kündigte NRW-Finanzminister Lutz Lienenkämper kürzlich an. Seit Mai ist klar: Das Land folgt dem mit erarbeiteten Bundesmodell und verzichtet auf die sogenannte Öffnungsklausel, die ein eigenes Grundsteuermodell ermöglicht hätte. Wichtig bleibt für Welge, dass die Neuregelung der Grundsteuer aufkommensneutral wird und die Ertragsstabilität gesichert bleibt. „Ganz konkret bedeutet Aufkommensneutralität, dass in Gelsenkirchen im ersten Jahr der Anwendung der neuen gesetzlichen Regelungen das Aufkommen der Grundsteuer in der Summe so hoch sein muss wie im Jahr davor.“