Berlin. Die Überwachung des Internets durch den US-Geheimdienst NSA beunruhigt den Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar. Derzeit überprüfe er Meldungen, nach denen Sever auch in Deutschland Informationen über den Internetverkehr sammeln. Gleichzeitig greift er die eigene Regierung ungewöhnlich scharf an.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar ist tief besorgt über die offenbar fast grenzenlosen Möglichkeiten zur Überwachung des Internets durch den US-Geheimdienst NSA. "Das versetzt uns in Alarm, zurecht", sagte er am Freitag im ARD-"Morgenmagazin". Das Programm "XKeyscore" sei "nicht nur so ein Stück Software". Es handele sich offensichtlich um ein System, das aus einem Programm und weltweit verteilten Servern besteht.

"Was mich besonders beunruhigt, sind die Meldungen darüber, dass es auch in Deutschland entsprechende Server geben soll, über die entsprechende Informationen über den Internetverkehr abgegriffen werden." Dieser Frage gehe er derzeit nach, sagte Schaar. Er habe sich an die entsprechenden Telekommunikationsunternehmen gewandt - aber "bisher kaum Antworten gekriegt". Er und seine Mitarbeiter hätten jedoch das Recht, sich dies vor Ort anzuschauen. "Und gegebenenfalls werden wir davon auch Gebrauch machen."

Schaar maßregelt Friedrich

Schaar greift in einem Zeitungs-Interview die eigene Regierung ungewöhnlich scharf an. Im Gespräch mit der Berliner Zeitung kritisierte er die jüngsten Beschwichtigungen von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU): "Wie Herr Pofalla zu sagen, die deutschen Nachrichtendienste hielten zu 100 Prozent den Datenschutz ein, ist sehr mutig", sagte Schaar dem Blatt. "Wenn Sie meine Tätigkeitsberichte lesen, werden Sie feststellen, dass da auch nicht alles zu 100 Prozent datenschutzkonform gelaufen ist."

Da in- und ausländische Nachrichtendienste ihre Informationen offenbar austauschten, bestehe der begründete Verdacht, "dass auf diese Weise unsere Grundrechte ausgehebelt werden, selbst wenn es bei uns eine gesetzliche Begrenzung auf 20 Prozent der Übertragungskapazität gibt". Klärungsbedarf sieht Schaar nach wie vor, da nicht nur das Parlamentarische Kontrollgremium - in dem Pofalla jüngst vorgesprochen hatte - Anspruch auf Informationen habe. "Wir brauchen mehr Transparenz", sagte er der Zeitung, "nicht nur gegenüber Geheimgremien, sondern in der Öffentlichkeit". Eine Kontrolle im Geheimen sei nur "sehr begrenzt wirksam".

Tätigkeit von Nachrichtendiensten auf deutschem Boden klären

Tadelnde Worte richtete Schaar auch an Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der im Zusammenhang mit den aufgedeckten Überwachungsprogrammen von einem "Supergrundrecht" auf Sicherheit gesprochen hatte. "Ich habe diese Äußerung nicht verstanden", sagte der zum Jahresende aus dem Amt scheidende Datenschutzbeauftragte der "Berliner Zeitung". "Es gibt im Grundgesetz ein einziges Supergrundrecht, und das ist die Menschenwürde." Sicherheit sei wichtig, dürfe aber nicht über allem stehen.

Schaar zufolge muss eine Demokratie den Anspruch haben, "hier steuernd einzugreifen und die Überwachung zurückzufahren". Von der Bundesregierung erwartet er offensichtlich selbstbewussteres Auftreten gegenüber den US-Regierung und deren Auslandsgeheimdienst NSA: "Auch die Tätigkeit von ausländischen Nachrichtendiensten auf deutschem Boden, etwa im Rhein-Main-Gebiet, wo sich die wichtigsten Internetknoten befinden, muss geklärt werden." (afp)