Berlin. . Neonazis nutzen zunehmend Facebook und YouTube für ihre Hass-Propaganda. Zudem werde mit provokanten Events wie etwa Flashmobs versucht, Jugendliche zu ködern, heißt es in dem am Mittwoch in Berlin vorgestellten Bericht „Rechtsextremismus online“ der Länder-Zentralstelle jugendschutz.net.
Sie locken Jugendliche mit Videoclips und Popmusik, sie verhöhnen Gewaltopfer und betreiben rassistische Hetze: Rechtsextremisten nutzen für ihre Propaganda immer stärker Internet-Plattformen wie Facebook und Youtube, verbreiten Botschaften über Twitter – oft mit taktischem Geschick.
Die von den Ländern ins Leben gerufene Organisation Jugendschutz.net zeigte sich gestern besorgt: „Rechtsextreme Hetze spielt sich immer stärker im Social Web ab“, sagte Extremismus-Experte Stefan Glaser bei der Vorlage einer neuen Studie. „Neonazis schaffen auf den Plattformen ein Klima der Gewalt, dagegen müssen wir etwas unternehmen.“
1671 rechtsradikale Websites
Das Internet ist bereits fester Bestandteil rechtsextremer Agitation: 1671 Websites hat Glasers Team im vergangenen Jahr dokumentiert, die meisten aus dem Umfeld neonazistischer Kameradschaften und von der NPD. Besonders aktiv im Netz seien Neonazigruppen aus Nordrhein-Westfalen, Bayern und Niedersachsen. Rund 1600 Beschwerden gingen bei Jugendschutz.net ein, in rund 200 Fällen erreichte die Organisation bei den Providern die Löschung unzulässiger Inhalte.
Applaus für die Anschläge
In der rechtsextremen Webszene fand selbst der Terror der Zwickauer Neonazizelle ein vielfach positives Echo: „Teile der Szene unterstützen die Anschläge, machen sich über die Opfer lustig“, heißt es in der Studie. Ein Versandhändler bot etwa ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Döner-Killer Thüringer Art“ an. Sogar Terroranleitungen aus dem Umfeld amerikanischer Neonazis fanden sich im Netz.
Die Jugendschutzexperten beunruhigt aber auch, dass sich Neonazis in den sozialen Netzwerken inzwischen radikaler geben und sich sicherer vor Strafverfolgung fühlten: Auf Facebook und anderen Plattformen fanden sie im vergangenen Jahr doppelt so häufig unzulässige Inhalte wie auf Websites.
Taktisch geschickt
Sorge bereite dabei aber auch das taktisch geschickte Vorgehen: Mit kontrovers diskutierten und emotionalen Beiträgen zur Finanzkrise oder zu Arbeitslosigkeit und mit Kampagnen etwa gegen sexuellen Missbrauch werden zunächst möglichst viele Nutzer angelockt, ohne dass der rechtsextreme Hintergrund gleich erkennbar ist – die angebrachten Links führen dann aber auf Seiten von Neonazis.
Ein rechtsextremes Musikvideo zum Thema Kindesmissbrauch etwa brachte es bei Youtube auf fast eine Million Klicks. „Die Neonazis tarnen ihre Aktivitäten, damit ihnen die User auf den Leim gehen“, sagte Glaser. „Für Rechtsextreme sind die Mitmachnetze inzwischen das wichtigste Rekrutierungsfeld.“
Die Macher setzten auf die mediale Wirkung etwa von Videoszenen und einen „virtuellen Schneeballeffekt“, heißt es in der Studie. „Was auf der Straße nur begrenzte Resonanz erlangt, erhält online eine ungleich größere Reichweite.“ Zwar werde der Großteil verbotener Inhalte nach wie vor von Plattformen im Ausland verbreitet, doch sinke inzwischen die Hemmschwelle, verfassungsfeindliche Propaganda auch auf deutschen Internet-Seiten zu veröffentlichen.
Nährboden für rechten Terror
Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, sprach von einem „Nährboden“ für rechtsextreme Gewalt und Terrorismus. Die Gesellschaft müsse die Entwicklung kontinuierlich beobachten. Strafrechtlich relevante Verstöße müssten konsequent verfolgt werden. Aber auch die Provider und Plattformbetreiber „müssen ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden“.
Facebook, wo auch die rechtsextreme NPD ein Profil hat, versicherte als Reaktion auf die Studie, es unterstütze Aktionen gegen Rechtsextremismus und sei „kein Ort für die Verbreitung rassistischer Ansichten“.