Hattingen. Die Frühjahrssonne verführt dazu, wieder die Laufschuhe anzuziehen. Doch bei vielen Menschen zieht und sticht es im Kniegelenk. Schmerzen im Knie können vielfältige Ursachen haben. Experten für Orthopädie und Chirurgie erklären, was sich dagegen tun lässt.

Die Frühjahrssonne verführt dazu, wieder die Laufschuhe anzuziehen. Doch bei vielen Menschen zieht und sticht es im Kniegelenk, und sie überlegen sich deshalb jede Bewegung. Der „Knackpunkt Knie“ kann vielfältige Ursachen haben, bei etwa 20 bis 40 Prozent der Ab-60-Jährigen stecken laut der Techniker Krankenkasse verschleißbedinge Veränderungen, auch Gonarthrose genannt, dahinter. Eine Fehlstellung der Beine gehört ebenfalls zu den möglichen Gründen. Experten für Orthopädie und Chirurgie erklären, was sich dagegen tun lässt.

Belasten, aber richtig

„Ein gesundes Kniegelenk kann und soll belastet werden“, sagt Privat-Dozent Dr. Christoph Schnurr, Chefarzt der Orthopädie im Düsseldorfer St. Vinzenz-Krankenhaus. Bewegung ist nach seinen Worten sogar notwendig, da die Gelenkflüssigkeit dadurch richtig verteilt wird. Wenn dies nicht geschieht, wird der Knorpel nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgt. Eine Knorpelerweichung kann die Folge sein. Ist dies allerdings schon passiert, zum Beispiel durch eine beginnende Arthrose (übermäßigen Verschleiß), empfiehlt der Experte eine schonende Belastung, bei der das Gelenk keine ruckartigen Stöße aushalten muss wie beim Fußball, Badminton oder Tennis. Die ungesundeste Belastung ist allerdings meist das Übergewicht: häufig liegt laut Experten darin der Verschleiß begründet.

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Ist das Knie geschädigt, ist es hilfreich, einige Kilos zu verlieren, um den weiteren Verschleiß auszubremsen. „Ratsam sind auch entsprechende Schuhe und Einlagen, welche die Stöße beim Gehen oder Laufen abfedern“, sagt Schnurr. Wer mag, kann auch Barfußschuhe ausprobieren, die einen natürlichen Laufstil ermöglichen und dabei die Fußsohle schützen.

Mögliche Ursachen

Schmerzen im Knie können zahlreiche Gründe haben – zu den häufigsten zählen eine Fehlstellung der Beine, funktionelle Beschwerden durch einen gereizten Knorpel hinter der Kniescheibe und vor allem eine geschwollene Gelenkkapsel. „Das ist ein Reizzustand, der entweder durch Überbelastung, einen Unfall, aber auch durch eine beginnende Arthrose ausgelöst werden kann“, sagt Experte Schnurr. Schreitet die Arthrose fort, reiben irgendwann die Knochen im Knie aufeinander und verursachen den sogenannten Knochenschmerz.

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Will der Orthopäde die Ursache am „Knackpunkt Knie“ herausfinden, stellt er zunächst eine Menge Fragen – er will etwa wissen, an welcher Stelle es wann genau schmerzt und wie beweglich man noch ist. Schließlich kann auch ein Meniskusriss der Grund sein. „Nach einer genauen Untersuchung durch Abtasten und Anschauen nutzen wir erst im zweiten Schritt bildgebende Verfahren – mit einer jeweils spezialisierten Fragestellung“, erläutert Schnurr. Arthrose oder ein Bruch werden mithilfe von Röntgenbildern analysiert, bei einem Meniskusriss oder Knorpelschäden wird die Magnetresonanztomographie (MRT) eingesetzt.

Beweglich bleiben

Ist die Diagnose Arthrose klar, gilt vor allem: in Bewegung bleiben, um den Knochen zu ernähren. „Außerdem dürfen sich die Bänder nicht verkürzen oder steif werden“, macht Orthopäde Schnurr deutlich. Er rät zum Fahrradfahren, Schwimmen oder Nordic Walking. „Aqua-Jogging hilft Übergewichtigen, weil sie ihre Körperlast dabei nicht so stark spüren.“ Wenn der Schmerz durch die Arthrose zu stark wird, gibt Schnurr seinen Patienten auch kurzzeitig lindernde Medikamente. „Sollte alles nicht helfen, glätten wir den Knorpel im Knie bei einer Gelenkspiegelung. Dabei werden auch störende Weichteile oder ein möglicher Meniskusriss beseitigt.“ Hyaluronspritzen, die selbst gezahlt werden müssen, sind eine weitere Möglichkeit, Beschwerden zu verbessern: Das Zuckermolekül dient unter anderem als „Schmiermittel“ für die Gelenke. Schnurr warnt allerdings vor zu großen Erwartungen: „Es baut den Knorpel nicht wieder auf, sondern kann nur den Reibe-Effekt im Knie vermindern.“

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Künstliches Knie

Wenn die Arthrose fortgeschritten ist und alle anderen Behandlungsmethoden ausprobiert wurden, steht die Überlegung im Raum, ein künstliches Kniegelenk einzusetzen. Bevor dies geschieht, gibt es noch die wenig bekannte Möglichkeit einer Kniegelenks-Denervation (Nervenausschaltung). „Bei diesem minimalinvasiven Eingriff wird ein kleiner Teil der schmerzleitenden Nerven, die sich um das Kniegelenk herum befinden, durchtrennt“, erklärt Chefarzt Dr. Karl Schuhmann, der die Methode an der Klinik für Plastische/Ästhetische Chirurgie und Handchirurgie am Evangelischen Krankenhaus Hattingen anwendet. „Die Nerven können dadurch keine Schmerzsignale mehr an das Gehirn weiterleiten.“ Sein Ziel ist es, die Pein durch den Eingriff auf ein erträgliches Maß zu reduzieren oder im Idealfall sogar auszuschalten. Ob das funktionieren kann, überprüft Experte Schuhmann vor einer Operation durch Tests: Patienten beurteilen, ob eine Betäubung der Nerven ihre Beschwerden lindert. Die Denervation kann übrigens auch sinnvoll sein, nachdem ein künstliches Gelenk oder auch ein Teilersatz eingesetzt wurde – sie kann möglicherweise bleibende Schmerzen beheben.

Im Schongang

Rund ein halbes Jahr dauert es, bis Patienten mit einem künstlichen Kniegelenk komplett wieder hergestellt sind – und dann müssen sie laut dem Orthopäden immer daran denken, dass sie das „Ersatzteil“ vor Verschleiß schützen: Marathon laufen ist tabu und zu viele Pfunde auf den Rippen sollten ebenfalls nicht sein.