Berlin. Mehr als 100 Millionen Kundenkarten sind hierzulande im Umlauf. Jeden Tag werden sie 1,5 Millionen Mal gezückt. Jeder zweite Deutsche nutzt so eine Plastikkarte mit Aussicht auf Prozente. Verbraucherschützer können den Kundenbindungsprogrammen wenig abgewinnen.

„Haben Sie eine Kundenkarte?“ Wer hat sie nicht schon gehört, die stoische Standardfrage an der Supermarktkasse? Und nicht nur dort. Ob an der Tankstelle, im Drogeriemarkt oder im Möbelhaus: Allerorten hat sich in den letzten Jahren die Bonuskarte breit gemacht.

Mehr als 100 Millionen Kundenkarten sind hierzulande im Umlauf. Jeden Tag werden sie 1,5 Millionen Mal gezückt. Jeder zweite Deutsche nutzt so eine Plastikkarte mit Aussicht auf Prozente – und weil es so viele von ihnen gibt, tragen manche Menschen ganze Karten-Batterien mit sich herum. Im Schnitt haben die Karten-Bürger mehr als vier Plastikkärtchen im Portemonnaie. Und weil das eben nur ein statistischer Durchschnittswert ist, müssen manche Zeitgenossen beim Gang in den Supermarkt mehr als zehn Karten dabei haben.

Die Frage ist: Wofür eigentlich? Seit Jahren nämlich warnen Verbraucherschützer vor derartigen „Kundenbindungsprogrammen“. Wie der Name schon sagt, sollen die Karten Kunden an ein Unternehmen binden, dem Kunden aber wird dafür meist eher ein Bär aufgebunden. Zumindest fallen die meisten großen Bonussysteme durch ein bemerkenswert hohes Maß an Intransparenz auf, der Kunde, selber gläsern durch die Preisgabe seiner persönlichen Daten, blickt oft nicht mehr durch, wie viel seine Punkte wert sind und was er wie lange damit anfangen kann.

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Von Kirsten Simon

Gesammelte Daten werden selbstverständlich für Werbezwecke genutzt

Individualisierte Kundenprofile erstellen die Unternehmen nach eigenen Angaben zwar nicht. Aber: Selbstverständlich werden die gesammelten Daten genutzt, für Werbezwecke, und, wer weiß, eines Tages werden sie vielleicht auch verkauft oder von Hackern erbeutet. Beispiele dafür gab es in der Vergangenheit immer wieder. Die Stiftung Warentest bescheinigte in ihrem letzten Test jedenfalls nur vier von 29 untersuchten Bonusprogrammen einen angemessenen Umgang mit Kundendaten. „Je öfter der Kunde die Rabattkarte einsetzt, desto genauer kann sein Konsumverhalten beobachtet werden“, warnt die Verbraucherzentrale NRW.

Datenschützer halten die meisten Programme zwar für konform mit den Datenschutzgesetzen, zugleich aber auch für äußerst fragwürdig. Denn die Prozente für die Preisgabe sensibler Daten sind so mickrig, dass man in der Prä-Karten-Ära mit ei­nem freundlichen Lächeln und ein bisschen Verhandlungsgeschick meist deutlich mehr aushandeln konnte. Oft weniger als ein Prozent, kaum je mehr als drei – wer mit Kundenkarten Geld sparen will, nährt sich mühsamer als das sprichwörtliche Eichhörnchen.

Für zehn Euro Ersparnis muss man mithin 1000 Euro ausgeben

Beispiel Payback: Der größte Anbieter so genannter Multipartnerprogramme schreibt für jeden Euro Umsatz oft einen Punkt gut. Der Punkt ist einen Cent wert. Also ein Prozent von der Einkaufssumme. Für zehn Euro Ersparnis muss man mithin tausend Euro ausgeben. Wobei man fairerweise anfügen muss, dass es manchmal auch drei Punkte (etwa Zalando) oder mehr Punkte bei höheren Umsätzen gibt. Dennoch: Das Prinzip wird dadurch nicht besser, Kunden sollen zum Einkaufen, zum Geldausgeben, animiert werden und zur Preisgabe persönlicher Daten, mehr als mickrige drei Prozent aber sind fast nie möglich. Für die Unternehmen ist das ein sehr einträgliches Geschäft, die Kunden aber verzichten im Gegenzug auf Preisvergleiche, auf das Aushandeln von Rabatten und – wegen der Jagd auf die begehrte Prämie – auf Einkäufe bei einem anderen Anbieter. „Lohnen“, so das Resümee der NRW-Verbraucherzentrale, „kann sich eine Kundenkarte allenfalls in Verbindung mit Sonderaktionen.“ Also mit Extra-Gutscheinen, die solide Nachlässe von fünf oder zehn Prozent ermöglichen.

Nicht-Kartennutzer sollten sich jetzt allerdings nicht zu früh freuen. Zwar kann niemand ihre Daten sammeln, ein kaum zu unterschätzender Vorteil. „Er oder sie aber zahlt bei Anbietern mit Kundenbindungssystemen immer ein bisschen mehr Geld als nötig“, rechnet die Verbraucherzentrale vor. Logisch: Kartenmuffel finanzieren schließlich die Prozente für die anderen Kunden mit.

Am unverfänglichsten ist da wohl noch immer die gute alte Stempelkarte: keine Einkaufs- und Bewegungsprofile, kein Verwalten von Punkten, keine minderwertigen Sachprämien zu Fantasiepreisen. Sondern nach zehn Stempeln ist ein Haarschnitt oder Döner umsonst.