Köln. Vor über 20 Jahren formierte sich die Girlband. Nach Trennungen und gescheiterten Comeback-Versuchen stehen sie jetzt noch einmal auf der Bühne.
20 Jahre ist es her, da schufen Lucy Diakovska, Nadja Benaissa, Sandy Mölling, Jessica Wahls und Vanessa Petruo mit „Daylight In Your Eyes“ einen Ohrwurm, der auch nach zwei Jahrzehnten nachhallt – mit Vorliebe aus Musikboxen sämtlicher Retro-Partys. Als No Angels ersangen sie sich den Status der erfolgreichsten Girlgroup im deutschsprachigen Raum und bewiesen: Auch zusammengewürfelte Castingshow-Gewinner schaffen den Sprung in den Pop-Olymp. Nach Ausstiegen, Trennungen und ESC-Debakel stehen die No Angels wieder zu viert auf der Bühne und feiern ihren runden Geburtstag mit einer ausgedehnten Tournee. Im Interview mit Maxi Strauch plaudern Diakovska (46), Benaissa (40), Mölling (41) und Wahls (45) über ihren Kultstatus und warum die Tour auch ein Abschied ist.
Hand aufs Herz: „Daylight In Your Eyes“ – Fluch oder Segen?
Sandy Mölling: Definitiv Segen. Auch wenn es natürlich Zeiten gab, in denen er mir aus den Ohren gekommen ist. Aber dieser Song verbindet so viele Menschen und versprüht eine Magie, die man nur als Segen bezeichnen kann.
Wie ist es für Sie, Ihre alten Hits wieder zu performen? War da noch jede Textzeile präsent?
Sandy Mölling: Ja, es war tatsächlich noch fast jede Textzeile präsent – von den Hits in jedem Fall. Die Songs, die wir seltener performt haben, hatten hier und da ein paar Lücken. Aber auch das war schnell wieder da.
Nach all den Jahren: Sind Sie noch aufgeregt, wenn es wieder auf die Bühne geht?
Nadja Benaissa: Wir sind natürlich einerseits aufgeregt und alles dreht sich um die Tour. Andererseits gibt es soviel vorzubereiten und in diesem Arbeitsprozess bin ich sehr fokussiert und ruhig. Erst kurz vorm Konzert realisiere ich, dass es gleich auf die große Bühne geht und dann beginnt das Lampenfieber – auch noch nach 22 Jahren.
Wie ist es für Sie, wieder zusammen auf Tour zu gehen?
Nadja Benaissa: Es ist wunderschön. Ich hatte, ehrlich gesagt, viele Jahre lang nicht gedacht, dass es noch mal passieren würde. Es war einfach kein Thema. Ich versuche jeden Moment zu genießen, weil alles endlich ist.
Was sind denn die größten Unterschiede zu den Bandanfängen?
Nadja Benaissa: 22 Jahre Lebenserfahrung machen einen großen Unterschied. Ich habe mich weiter entwickelt. Ich bin jetzt reifer, gelassener, gefestigter. Ich war 18 Jahre alt, als unsere Karriere startete, die ersten Jahre gab es einen großen Hype um die No Angels, heute ist es wesentlich entspannter. Es ist wunderschön, was wir alles erleben durften in unserer Karriere. Auch zu sehen, wie unsere Fans gewachsen und erwachsen geworden sind, ist sehr berührend für uns.
Gibt es etwas, das Ihnen so gar nicht gefehlt hat?
Nadja Benaissa: Eine Sache, die mir nach einer gewissen Zeit schwer fällt, ist dieses immer in der Gruppe zusammen unterwegs zu sein und sich nicht so frei bewegen zu können, wie man es gewohnt ist. Das wird nach ein paar Wochen für mich anstrengend und dann freue ich mich wieder nach Hause in meine Wohnung zu kommen und meine Familie und Freunde zu sehen. Ich finde das heute kaum noch vorstellbar wie wir das jahrelang gemacht haben.
Ihr letztes Comeback endete in einer Trennung. Warum jetzt dieser 2. Versuch?
Sandy Mölling: Na ja, es ist nicht wirklich ein Comeback. Es ist eine Jubiläumsfeier, die eher von den Fans ausgelöst wurde. Wir feiern 20 Jahre No Angels. Ein Comeback ist mit ganz viel Planung im Voraus verbunden. Dieses Mal konnten wir einfach nur reagieren und den Rufen der Fans nachkommen. Und das haben wir nicht bereut und tut uns allen sehr gut. Wir genießen jeden Moment.
Hatten Sie Bedenken, wieder gemeinsam auf der Bühne zu stehen?
Lucy Diakovska: Da es kein wirklichen Comeback ist und wir nicht davon abhängen, war und ist es immer noch einfach nur eine riesige Feier, mit Hunderten wunderschönen Momenten. Da ist Bedenken total fehl am Platz.
Sie scheinen allerdings einen Nerv getroffen zu haben, die Konzertkarten verkaufen sich außerordentlich gut. Woran liegt das, was denken Sie?
Lucy Diakovska: Wir haben mehrere Generationen geprägt. Viele Menschen durch die Musik, uns selbst, Diversität bewegt und begleitet. Das vergisst man anscheinend nicht und heute dürfen wir all diesen und neuen Bewunderern wieder Freude bereiten.
Sind die No Angels Kult?
Lucy Diakovska: Das steht uns wahrscheinlich nicht zu, es zu sagen, aber: JA, die No Angels sind Kult! Das erleben wir alltäglich und es erfüllt uns mit Freude und Stolz, so viel vor allem in Deutschland bewegt zu haben.
Dabei scheint es, dass Girlbands heute kaum noch Relevanz haben. Warum?
Lucy Diakovska: Das sollte man nicht so pauschalisieren. Wir haben tatsächlich die Fähigkeit, Menschen dazu zu bringen, uns zuzuhören. Es war allen klar, seit der ersten Minute, dass wir keine Püppchen sind. Nur so konnten wir uns durchsetzen und Vorbilder sein.
Rückblickend: Würden Sie noch mal an einer Castingshow teilnehmen?
Jessica Wahls: Castingshows heutzutage … wahrscheinlich nicht. Aber wenn ich in der Zeit zurückreisen könnte, würde ich alles noch mal genauso machen. Ich habe unglaubliche Dinge erleben dürfen.
Ist das heute noch der richtige Weg, um erfolgreich zu werden?
Jessica Wahls: Es ist schwer zu sagen, was der richtige Weg ist, aber es ist definitiv ein Sprungbrett für Sänger*innen. Man wird gehört, man wird gesehen. Was dann kommt, hat alles mit sehr viel Glück zu tun. Auf jeden Fall ist so eine Castingerfahrung lehrreich.
Ist die „Celebration“-Tour eine einmalige Sache oder dürfen sich Fans auf mehr freuen?
Jessica Wahls: Wir durften in den letzten zwei Jahren wahnsinnig tolle Momente feiern: Wir sind mit unserer Platte „20“ auf Platz eins der Charts eingestiegen, haben den Preis fürs Lebenswerk erhalten, ein unglaubliches Konzert in der Berliner Wuhlheide gespielt und jetzt noch eine tolle Tour vor uns. Wir sind sehr dankbar für alles. Aber der Plan ist, dass nach der Tour Schluss ist. Aber man weiß ja nie was kommt. Sollte uns noch was tolles Einfallen, lassen wir es auf jeden Fall die Community wissen.
No Angels – Celebration Tour, 8.10., 20 Uhr, Palladium, Schanzenstr. 40, Köln. Tickets: 60,40 €.
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