Essen. Am 23. September bringen Von Wegen Lisbeth ihr neues Album „EZ Aquarii“ raus. Darauf zeigt sich die Band ruhiger, aber immer noch ausgefallen.
Dass Sportunterricht nicht nur die Augen-Hand-Koordination fördert, sondern im weitesten Sinne auch die Stimmbänder, dafür ist Von Wegen Lisbeth der beste Beweis: Denn die Indie-Pop-Band mit Hang zu experimenteller Instrumentenwahl (u.a. Casio-Keyboard, Steel Drums) hat eben dort ihren Ursprung, 2006 gegründet in der siebten Klasse. Mittlerweile blickt die einstige Schülerband, die ihren Durchbruch mit „Wenn du tanzt“ feierte, auf zwei erfolgreiche Alben, vollgepackt mit Liedern, die das Alltägliche beschreiben. Nummer drei erscheint am kommenden Freitag und trägt den klangvollen Namen „EZ Aquarii“. Was es damit auf sich hat und warum Til Schweiger das Nachsehen hatte, Elon Musk aber nicht, das erklärte Bassist Julian Hölting (2. v. re.) Maxi Strauch.
Ihr Album „EZ Aquarii“ erscheint am 23. September. Wie geht’s Ihnen?
Julian Hölting: Richtig gut, es ist die Platte, auf die ich mich am meisten gefreut habe. Aber das sagt man wahrscheinlich über jedes Album. Es ist etwas Besonderes: Es zeigt, wie wir uns inhaltlich und musikalisch weiterentwickelt haben und gleichzeitig ist es ein Querschnitt von allem, was wir in den vergangenen Jahren gemacht haben. Es ist neu und gleichzeitig „back to the roots“ – falls das irgendwie Sinn ergibt.
Wie unterscheidet sich die Platte von den beiden Vorgängern?
Textlich. Wir haben uns in der Vergangenheit immer deutlich positioniert, haben klar ausgedrückt, was wir gut und was wir scheiße finden. Aber wir haben gemerkt, dass das nicht mehr so spannend für uns ist. Wir wollten zulassen, dass sich die Leute fragen: „Hä, wie stehen die denn jetzt dazu?“ Zum Beispiel bei unserem Song „Elon“.
Da haben Sie sich von der Story inspirieren lassen, das Multimilliardär Elon Musk nicht in den bekannten Berliner Club „Berghain“ reingekommen sein soll …
Und wir wollten mit dem Lied nicht ausdrücken, dass wir Elon Musk scheiße finden, sondern dass man sich mal vorstellt: Wie wäre es, wenn man mit ihm befreundet wäre oder ihm zufällig in der Schlange vor dem Club begegnet. Und welche Gemeinsamkeiten hat man eigentlich?
Und?
Wenn man sich vorstellt, dass selbst so eine Person abgewiesen wird, dann zeigt es doch, dass es trotz Berühmtheit und Reichtum Dinge gibt, die man nicht haben kann: gemocht werden, Respekt – und der Eintritt ins Berghain. Ich stand da auch schon und bin nicht reingekommen. Das war für uns eine witzige Vorstellung, dass man genauso behandelt wird wie Elon Musk.
Und welche Gemeinsamkeit haben Sie mit Claudia Pechstein? Die kommt im Lied „Auf Eis“ vor.
Claudia Pechstein ist sicherlich auch keine Persönlichkeit, mit der wir uns voll und ganz identifizieren würden (lacht). Aber es ist auch da mal spannend zu schauen, was man gemeinsam hat. Und selbst wenn der kleinste gemeinsame Nenner ist, dass man im Kreis fährt. Aber eigentlich geht’s gar nicht um Claudia Pechstein. Ich glaube, Matze (Sänger und Liederschreiber Matthias Rohde, Anm. d. Redaktion) hat da gerade die Olympischen Winterspiele geguckt und sich inspiriert gefühlt.
Welche Persönlichkeit würden Sie noch gerne besingen?
Wir haben eine Songskizze, die heißt „Til Schweiger“, die hat’s dann aber musikalisch nicht geschafft. Textmäßig war sie aber ganz cool. Vielleicht packen wir einzelne Zeilen noch mal auf andere Musik …
Das neue Album heißt „EZ Aquarii“, was steckt hinter dem Namen?
Meistens tun wir uns schwer mit Namen – unser Bandname zeigt ja schon, dass wir nicht unbedingt ein Händchen dafür haben (lacht). EZ Aquarii ist der Name eines Sternensystems. Und es gibt auf jeden Fall auch einen Song auf dem Album, der so heißt. Wir fanden es ganz passend, dass man die Lieder zuhause hört und sich seiner eigenen Gedankenwelt hingibt.
Apropos ungewöhnlich: Sie experimentieren ja gerne mit außergewöhnlichen Sounds wie der charakteristischen Gameboy-Melodie. Findet man das auch auf dem neuen Album?
Soundmäßig sind wir so rangegangen wie immer. Wenn wir so etwas benutzen, dann nicht, weil wir es unbedingt möglichst außergewöhnlich haben wollen, sondern weil wir den Sound feiern. Aber es gibt kein Album von uns, auf dem wir so viele verschiedene Synthesizer benutzen, wie das jetzt. Da haben wir uns ein bisschen drin verloren (lacht).
In Ihren Songs besingen Sie häufig Alltagssituationen. Spielt da auch die Pandemie eine Rolle?
Es steckt auf jeden Fall überall drin. So auch zum Beispiel bei „Captcha“. Das hat Matze während des Lockdowns geschrieben. Und da war es alltäglich, immer die gleichen Abläufe zu haben. Man ging am Wochenende nicht mehr spontan mit Freunden in die Kneipe und schaute, wo der Abend hingeht, wo man am Ende landet. Man wusste genau, wie der nächste Tag abläuft. Eigentlich war das eine relativ uninspirierende Zeit, aber das war dann auch schon wieder interessant, sich damit zu beschäftigen.
Generell sind die Lieder etwas ruhiger, melodischer. Werden Sie schon altersmilde oder ist das auch der Pandemiesituation geschuldet?
(lacht) Beides spielt auf jeden Fall eine Rolle. Es liegt wohl daran, dass wir in der Zeit nicht viel feiern waren und weniger Musik gehört haben, zumindest keine Partymusik. Was ich auch mal ganz schön fand. Einen Song wie „Wenn du tanzt“ könnten wir heute nicht mehr machen. Textmäßig und musikalisch ist das nichts mehr, was uns interessiert. Ich finde den Song aber immer noch toll und ich spiele ihn gerne live.
Ihre Tour startet im Herbst, haben Sie Coronawelle und Lockdown im Hinterkopf?
Wir hatten im Sommer zwei Ausfälle wegen Corona. Ich habe natürlich Angst, dass jemand von uns oder der Crew krank wird. Aber ich glaube nicht, dass generell wieder Konzerte abgesagt werden. Die Lockdown-Zeit ist vorbei, denke ich …
Muss man als Musiker/Band mittlerweile mutig sein, um in der kalten Jahreszeit eine Tour anzusetzen?
Irgendwie schon, aber ich finde es schade, dass es so wenig Austausch in der Branche gibt. Es ist ein schambehaftetes Thema. Viele Bands müssen gucken, wie sie die Konzerte voll bekommen, weil die Ticketverkäufe eingebrochen sind. Wir sind da relativ gut bei weggekommen. Generell kaufen sich viele erst eine Woche vorher Karten, weil sie erst einmal schauen wollen, ob’s überhaupt stattfindet oder ob es nicht doch zu heikel ist. Für so eine Planung ist das natürlich super schädlich.
Ihre Termine stehen in jedem Fall … Ich habe gelesen, dass sie vor jedem Auftritt einen lokalen Schnaps trinken. Welcher wäre das denn in Köln?
Gute Frage, keine Ahnung. Auf unserem Rider steht immer „Eine Flasche lokaler Schnaps“, das liegt dann in der Verantwortung des Veranstalters (lacht). Leider sind die meisten dazu übergegangen, einfach eine Flasche Pfeffi hinzustellen.
>>> Info: Captcha Tour 2022: 28.10. Münster (Skaters Palace), 29.10. Köln (Palladium). Das Album EZ Aquarii erscheint am 23. September. Album und Tickets ab ca. 40 € gibt’s auf krasserstoff.de