Berlin. Migration wird immer mehr zum wichtigsten Wahlkampfthema. Bei „Hart aber fair“ sorgt vor allem Jens Spahn für hitzige Diskussionen.

Straffällige Doppelstaatler sollen mit dem Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft rechnen müssen, findet Friedrich Merz. Und für den Kanzlerkandidaten der Grünen, Robert Habeck, ist Arbeit das zentrale Kriterium für eine Perspektive geflüchteter Syrer in Deutschland. „Diejenigen, die hier nicht arbeiten, werden – wenn das Land sicher ist – wieder in die Sicherheit zurückkehren können oder auch müssen”, sagte er vergangene Woche dem Deutschlandfunk.  
 
Rund sechs Wochen vor der Bundestagswahl gewinnt das Thema Migration stark an Bedeutung. Laut aktuellem ARD-Deutschlandtrend halten die Deutschen Flucht und Zuwanderung für das wichtigste politische Thema. Louis Klamroth nimmt all das zum Anlass und will mit seinen Gästen in der ersten Sendung von „Hart aber fair“ nach der Weihnachtspause über Migration und Wahlkampf sprechen.  

„Hart aber fair“: Das waren die Gäste: 

  • Jens Spahn, stellvertretender Fraktionsvorsitzender (CDU)
  • Katrin Göring-Eckardt, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages (Grüne)
  • Nahla Osman, Rechtsanwältin und engagiert im Verband deutsch-syrischer Hilfsvereine 
  • Christoph Schwennicke, Mitglied der Chefredaktion beim Nachrichtenportal „T-Online“ 
  • Tanja Schweiger, Landrätin des Landkreises Regensburg (Freie Wähler) 
  • Frank Bräutigam, ARD-Rechtsexperte 
  • Bardia Razavi, Jurist und Richter 

Nahla Osman ist Rechtsanwältin und engagiert sich im Verband deutsch-syrischer Hilfsvereine. Als Syrerin der zweiten Generation hat sie die doppelte Staatsbürgerschaft – auch, weil Syrien, wie beispielsweise auch der Irak oder Mexiko, zu den Staaten gehört, die ihre Bürgerinnen und Bürger nicht ausbürgern. Ausgesucht hat sie sich das also nicht, wie sie mehrfach an diesem Abend betonen wird. Ähnlich ist die Lage bei dem Juristen und Richter Bardia Razavi. Er besitzt neben dem deutschen auch einen irakischen Pass.  

Der stellvertretendende Fraktionsvorsitzende Jens Spahn (CDU) spricht sich den ganzen Abend über vehement gegen die Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft aus – sagt dabei aber nie, wie er Fälle wie den von Osman oder Razavi lösen würde. 

„Hart aber fair” in der ARD: Merz-Vorschlag rechtlich und politisch schwer durchsetzbar 

 Was Aussagen wie diese mit den Menschen im Land machen, die davon betroffen sind, bringt Osman auf den Punkt. „Ich bin zum ersten Mal ohnmächtig, denn ich musste mich immer doppelt so stark bemühen”, sagt sie. „Ich fühle mich wie eine Deutsche auf Probe, wie eine Bürgerin zweiter Klasse.”  
 
Hinzu kommt: „Friedrich Merz schürt mit diesem Vorschlag Erwartungen, die man rechtlich und politisch schwer einhalten kann”, urteilt ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam.  
 
Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Katrin Göring-Eckardt (Grüne), findet, dass man in Deutschland gut daran tun würde, nicht auseinanderzudriften. „Was wir nicht machen dürfen, ist, unsere Probleme auf die Migranten zu schieben”, sagt sie unter großem Applaus aus dem Publikum. „Das ist der Anfang allen Übels.”  

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Spahn spricht bei „Hart aber fair” von „Migrationsleugnung der Grünen”  

Spahn empfindet das als „Migrationsleugnung der Grünen” – einen Vorwurf, den er nicht zum ersten Mal äußert und im Laufe des Abends noch mehrfach wiederholen wird. Er geht sogar noch einen Schritt weiter: „Die Stärke der AfD wäre ohne die Grünen nicht denkbar.”  
 
Spahn monologisiert – ungeachtet der rechtlichen und politischen Hürden – immer wieder über die Probleme mit der doppelten Staatsbürgerschaft. Einmal können ihn weder der Moderator noch die anderen Gäste dabei ausbremsen. Vor allem Katrin Göring-Eckardt zeigt sich sichtlich genervt ob der Redundanz in der Argumentation Spahns und schauft einmal ziemlich laut.  

Kontroverser Spahn-Vorschlag wird kritisiert: „Das sind Menschen und keine Ware“

Und dann ist da noch ein Vorschlag, mit dem der CDU-Politiker jüngst die Migrationsdebatte sehr kurz nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien angeheizt hatte. „Ich würde in einem ersten Schritt mal sagen, wir machen ein Angebot. Wie wäre es, wenn die Bundesregierung sagt: Jeder, der zurückwill nach Syrien, für den chartern wir Maschinen, der bekommt ein Startgeld von 1000 Euro“, sagte er – und wurde lautstark dafür kritisiert.  
 
Auch Christoph Schwennicke von „T-Online” sagt, dass er von der Aussage „unangenehm überrascht” gewesen sei. „Das war zu dem Zeitpunkt unnötig.” Spahn hingegen distanziert sich davon nicht, sagt sogar, dass er den Satz heute wieder sagen würde.  
 
Wie all diese Diskussionen bei den Bürgerinnen und Bürgern des Landes, die zu einem Viertel Menschen mit Migrationshintergrund sind, ankommen, fast Nahla Osman zusammen. „Wir sprechen immer noch über Menschen, die in Deutschland Schutz suchen”, sagt sie. „Das sind Menschen und keine Ware, bei der wir uns aussuchen dürfen, den wollen wir hier und den nicht.”