Essen. . Tim Bendzko ist Sänger, Liedschreiber und gerade Coach bei “The Voice Kids“. Die Show sieht er als Chance für junge Musiker. Eine, die er selbst gern gehabt hätte. Doch auch ohne TV-Auslese läuft es für den Sänger gut: Am 24. Mai erscheint sein zweites Album. Ein Gespräch über Chancen und Erfolg.
Es hallt, als Tim Bendzko das Smartphone von seiner Mitarbeiterin in die Hand nimmt. Rauschen und Dröhnen im Hintergrund. Der 27-jährige Sänger ("Nur noch kurz die Welt retten") steht irgendwo in den Weiten eines Berliner Fernsehstudios. Gerade laufen die Dreharbeiten zu "The Voice Kids". Neben Lena Meyer-Landrut und Henning Wehland ist Bendzko einer der Coaches. Seine Aufgabe: Kinder im im Alter von acht bis 14 Jahren bewerten, auswählen und aus den Nachwuchstalenten bühnenreife Sänger machen. Die Sendung startet am 5. April. Deshalb ist der Stresspegel gerade hoch. Nur in den Drehpausen ist Zeit für kurze Telefoninterviews. Trotz der Hektik: Bendzko gibt sich entspannt und gut gelaunt. Nur einmal wird seine Stimme etwas ernster. Das Wort "Castingshow" hört er im Zusammenhang mit "The Voice Kids" nicht so gern. "Chance, um Erfahrungen zu sammeln" gefällt ihm besser. Ein Gespräch über plötzlichen Erfolg und was nach danach kommt.
Hallo Tim, du steckst gerade mitten in den Dreharbeiten von „The Voice Kids“. Kannst du ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern?
Tim Bendzko: Man geht ja immer mit gewissen Erwartungen an so eine Sache dran. Umso besser ist es, wenn sie übertroffen werden. Die Talente hier sind auf einem sehr hohen Niveau. Wir Coaches haben viel Spaß.
Ihr seid aber nicht nur Zuhörer, sondern müsst die Teilnehmer auch bewerten. Wie sagt man einem Achtjährigen ins Gesicht, dass er nicht gut genug war?
Bendzko: Bei den Blind Auditions sind 71 junge Menschen dabei, die schon vorher durch einige Vorrunden gegangen sind. Die Kinder, die wir hören, sind deshalb wirklich sehr gut. Aber natürlich muss man sich entscheiden und auch begründen, warum man jemanden nicht genommen hat. Witzigerweise ist das einfacher als bei vielen Erwachsenen. Ein Kind hat einfach noch nicht so viel Zeit gehabt, sich einzureden, dass es der beste Sänger der Welt ist. Aber man muss sich sehr konzentrieren, zuhören und eine genaue Begründung für die Entscheidung liefern. Mit „das reicht nicht“, geben sich Kinder nicht zufrieden.
Besteht nicht die Gefahr, dass die "Kids" durch so einen frühen Erfolg im Musikgeschäft verbrannt werden?
Bendzko: Das wäre der Fall, wenn man hier die große Welt-Karriere suggeriert hätte. Das ist hier nicht der Fall. Zu gewinnen gibt es hier erstmal nur die Erfahrung. Das Preisgeld ist zweckgebunden an einen Ausbildung, und den Plattenvertrag gibt es nur mit Einwilligung der Eltern. Wir achten sehr genau darauf, ob ein Kind hier ist, weil es Spaß haben will oder weil „Eiskunstlaufeltern“ dahinter stehen. Andernfalls hätten ich und vermutlich auch die anderen Coaches nicht mitgemacht.
Du wusstest schon mit zehn Jahren, dass du Musiker werden willst. Wäre der Weg über eine solche Fernsehsendung der richtige für dich gewesen?
Bendzko: Ja, auf jeden Fall. Ich hatte als Kind keine Entscheidungshilfe. Wenn mir jemand gesagt hätte: „Tim, werde Sänger, alles cool“, dann wäre vieles sicher um einiges einfacher gewesen.
Auch interessant
Was singt die Jugend heute eigentlich so?
Bendzko: Sachen, die im Radio rauf und runter laufen. Die haben natürlich noch kein großes Musikwissen und kennen vor allem die aktuellen Lieder. Überraschenderweise wird zu 90 Prozent englisch gesungen, obwohl auch viele deutsche Lieder im Radio gespielt werden.
Würdest du gern mehr deutsche Texte hören?
Bendzko: Grundsätzlich ja, aber ich bin der festen Überzeugung, dass es bei einer außergewöhnlichen und vor allem ehrlichen Stimme egal ist, in welcher Sprache man singt. Emotion ist einfach keine Frage der Sprache.
Warum das neue Album alles ist, nur keine Kopie
Als Juror und Coach hast du ja schon einiges an Erfahrung. Unter anderem durch die Show „Unser Song für Malmö“. Was fällt dir leichter, Singen oder Bewerten was andere machen?
Bendzko: Natürlich das Singen. Das ist schließlich mein Job. Das andere ist aber unglaublich interessant. Man lernt sehr viel über sich selbst und darüber wie man Musik wahrnimmt.
Dein zweites Album erscheint im Mai und heißt „Am seidenen Faden“. Warum dieser Titel?
Bendzko: Das Album heißt wie der erste Song, den ich dafür geschrieben habe und ist auch die erste Single. Ich finde der Titel trägt für ein zweites Album eine schöne Ironie in sich. Es ist ein schmaler Grat zwischen dem Ausruhen auf dem Erreichten und dem Blick in die Zukunft andererseits. Aber am Ende gibt es eigentlich nur eine Richtung, nämlich nach vorn. Das ist dann die Stelle, wenn aus dem seidenen Faden der rote Faden wird.
Woher bekommst du die Inspiration für deine Lieder?
Bendzko: Es gibt keinen konkreten Anlass für mich, den ich mit einem Lied beschreibe. Es ist eher andersherum. Die fertigen Lieder entwickeln sich. Durch eine Sache, die im Nachhinein passiert, bekommt der Song plötzlich einen Anlass und ich einen anderen Blick drauf. Und ich glaube das alles, was ich erlebe und erfahre, irgendwann wieder raus muss. Meistens in Form eines Songs. Aber das ist ein völlig unbewusster Vorgang.
4000 für Bendzko
Was unterscheidet das neue Album von deinem Erstling?
Bendzko: In meinen Ohren klingt es selbstbewusster und noch konsequenter als das Erste. Musikalisch und textlich ist es für mich irgendwie eine Weiterentwicklung dessen, was wir beim ersten Album begonnen haben. Nämlich irgendwie die Kombination aus Singer-Songwriter Elementen und einem kräftigen gerne auch beatorientierten Sound zu schaffen.
Bist du bei deinem zweiten Album anders an die Lieder herangegangen? Kalkulierter?
Bendzko: Wenn ich das so gemacht hätte, wäre der nächste Song „Nur noch kurz das Universum retten“ gewesen oder „Kurz den Garten retten“. Das neue Album ist sicher alles, nur keine sichere Variante. Denn dann würde ich mich nur kopieren und dafür mache ich nicht Musik.