Köln. Bill und Tom Kaulitz sitzen in der Jury des RTL-Formats “Deutschland sucht den Superstar“. Die Zwillinge der Band Tokio Hotel erklären, warum sie die Erwartungen an die DSDS-Live-Shows runtergeschraubt haben, ob sie gerne Einfluss auf das Siegerlied hätten und wie sie Angela Merkel finden.
Bill und Tom Kaulitz, aktuell DSDS-Juroren, wirken entspannt. Sie sitzen in einem tristen Konferenzraum bei RTL in Köln. Sieben Interviews geben sie an diesem Tag - nichts ungewöhnliches für die beiden Musiker der Gruppe Tokio Hotel. Die Zwillinge, die in den USA wohnen, sind Medienprofis.
Den großen Rummel sind sie gewohnt. 2005 hatten sie ihren Durchbruch mit "Durch den Monsum." Es folgten mehrere MTV Awards, US-Tournee, über sechs Millionen verkaufte Tonträger, unzählige kreischende vorwiegend weibliche Teenager. Im Interview mit der WAZ Mediengruppe sprachen sie über ihren Job als Juroren bei DSDS, Heino und Angela Merkel.
Demnächst stehen die Live-Shows bei DSDS an. Was erwartet ihr von den Kandidaten?
Tom Kaulitz: Wir haben unsere Erwartungen eigentlich relativ runtergeschraubt. Es ist einfach ein unglaublicher Druck für die Kandidaten, die vorher noch nicht auf so großen Bühnen standen. Ich bin wahrscheinlich in den ersten DSDS-Live-Shows relativ entspannt. Ich drücke da bei Fehlern noch ein paar Augen und Ohren zu.
Bill Kaulitz: Viele können sich das gar nicht vorstellen, wie es ist, auf so einer großen Bühne aufzutreten. Die Kandidaten standen ja bisher immer vor uns, der Jury, und haben ohne dies ganze Technik gesungen. Auf so einer großen Bühne zu stehen, als Musiker kann ich das einfach nachvollziehen, ist etwas ganz anderes.
Dann auch noch das Publikum, Outfit und Performance. Das ist echt ganz schön viel. Und die Kandidaten haben ja gar keine Vorbereitung. Sie sind gestern noch ganz normal in ihren Jobs gewesen oder zur Schule gegangen. Es wird spannend sein, die DSDS-Kandidaten zu beobachten und zu schauen, wer geht wie mit der Situation um.
Bill, du warst bei der Casting-Show Star Search und bist dort rausgeflogen. Was war das für ein Gefühl?
Bill Kaulitz: Das war ganz schön traurig. Man macht ja da mit, weil man keine andere Möglichkeit sieht. Ich habe auf dem Dorf gewohnt und ich wusste gar nicht, wo und wie ich meine Band zeigen kann. Und wenn man bei einer Casting-Show mitmacht, dann will man natürlich so weit wie möglich kommen. Letztendlich ist es für uns super gelaufen. Das ist natürlich nicht immer so. Die meisten Casting-Teilnehmer haben es nach der Sendung sehr schwer, irgendetwas zu machen. Bei Leuten, die schon früher rausfliegen, ist es fast unmöglich.
Deutschland sucht den SuperstarTom Kaulitz: Wir haben einfach dieses Glück gehabt, einen extrem charismatischen Gitarristen zu haben.
Bill Kaulitz: Wir haben nach der Sendung ganz viele Angebote bekommen. Aber einer unserer Produzenten hat uns dann in einem Club in Magdeburg gesehen. Dort sind wir jedes Wochenende aufgetreten.
Also braucht man gar nicht unbedingt eine Casting-Show wie DSDS?
Tom Kaulitz: Es gibt ja immer mal wieder Leute, die es auch so schaffen, aber heute ist es so unglaublich schwer geworden, weil die Plattenfirmen kein Geld mehr haben, die Musikindustrie sich extrem verändert. Darum ist eine Plattform wie DSDS gut, bei der es für den Gewinner nicht nur das Album und einen Plattenvertrag gibt, sondern auch noch 500.000 Euro. Damit kann man als Musiker unglaublich viel machen.
"Eigentlich haben alle Casting-Shows mal angefragt. The Voice war auch dabei."
Wie ist es in der DSDS-Jury zu sitzen und über Leute zu urteilen?
Bill Kaulitz: Wir sehen es eher so, dass wir versuchen den Kandidaten weiterzuhelfen. Wir haben, gerade an diesem Punkt der Sendung, beide kein Interesse daran, jemanden scheitern zu sehen und uns dann drüber lustig zu machen. Wir sagen immer ehrlich unsere Meinung.
Aber es gab eine DSDS-Kandidatin, die nicht so gut angekommen ist. Oksana hast du als „Pornostar“ bezeichnet.
Bill Kaulitz: Das ist natürlich geschnitten und im Fernsehen wirkt das viel härter, als es in Wirklichkeit ist. Ich habe ihr auch ein paar Sachen dazu gesagt. Aber auch das war eine ehrliche Meinung von mir. Ich habe ihr einfach gesagt, wie ich das empfinde. Und nach wie vor glaube ich, dass sie keine Karriere machen wird.
Kriegt ihr während der Sendung mit, wenn die Kandidaten über euch reden?
Tom Kaulitz: Nein, gar nicht. Das einzige, was wir als Jury sehen, sind diese drei Minuten, wenn die Kandidaten da vorne stehen. Darum können wir die Leute natürlich auch schwer einschätzen. Manche haben ein ganz anderes Gesicht, wenn sie vor uns stehen.
Bill Kaulitz: Wir unterhalten uns auch mit den Kandidaten. Aber zu uns, der Jury, sind sie natürlich ganz anders als untereinander. Darum sind für uns jetzt auch die Live-Shows spannend, dann sehen wir in den Filmen, was sie sonst so machen. Das wird spannend. Ich glaube, das Publikum will einen Superstar, dem man das gönnt und der auch ein guter Mensch ist. Und es gibt auch immer Kandidaten, die sich ganz krass verändern in so einer Zeit, bei denen man dann merkt: Da stimmt aber in der Persönlichkeit manches nicht.
Tom Kaulitz: Die kriegen jetzt extrem viel Aufmerksamkeit. Manchen Leuten steigt das zu Kopf.
Davon gab es ja eigentlich immer einen pro DSDS-Staffel.
Tom Kaulitz: Ja. Die Kandidaten sind im Casting alle monsternett zu uns gewesen. Jeder war superlieb, weil sie wussten, wir entscheiden das.
Bill und Tom Kaulitz gemeinsam: Aber in den Live-Shows entscheiden wir ja nicht mehr!
Gab es andere Casting-Show, die bei euch angefragt haben? The Voice?
Bill Kaulitz: Eigentlich haben alle mal gefragt. Es gab jedes Jahr Anfragen. The Voice war auch dabei.
Warum dann DSDS?
Bill Kaulitz: Erst mal war es für uns eine Timing-Frage. Es hat vom Zeitpunkt her am besten gepasst, weil wir noch im Studio sind. Und wir haben gesagt: Wir wollen die größte und erfolgreichste Sendung machen.
Tom Kaulitz: Aber Formate, wie The Voice, finden wir auch gut.
Hattet ihr vorher Zweifel, ob ihr als Juroren bei DSDS mitmachen sollt?
Bill Kaulitz: Ja. Vor ein paar Jahren haben wir solche Anfragen gar nicht so ernst genommen. Und dann hat sich das entwickelt. In Amerika sitzen alle großen Sänger und Künstler in den Shows. Das hat uns schon einen Anstoß gegeben. Steven Tyler, finde ich zum Beispiel ganz toll. Als der dann beim American Idol saß, habe ich mich erstmals damit auseinander gesetzt. Dann hatten wir auch Bock drauf.
"Da hat Heino eine Nummer 1 ausgelassen. Das ist ein guter Song."
Habt ihr schon Favoriten?
Tom Kaulitz: Namen wollen wir nicht sagen.
Bill Kaulitz: Ich habe ja auch schon Sachen losgetreten mit der Geschichte mit Laura. Darum sind wir ganz vorsichtig, was das angeht.
Tom Kaulitz: Es gibt auf jeden Fall Leute, die wir besser finden. Grundsätzlich haben wir ja alle ausgesucht. Es gibt ein paar, die extrem gutes Potenzial haben.
Hättet ihr gerne Einfluss auf das Siegerlied?
Bill Kaulitz: Das kann ich nicht pauschal sagen. Das kommt drauf an, wie die Kandidaten sich entwickeln, wer das Rennen macht. Wenn jetzt jemand dabei ist, denn wir total cool finden, dann würden wir sichtlich auch einen Song schreiben.
Habt ihr ein Lieblingslied von Modern Talking?
Bill und Tom Kaulitz gleichzeitig: Nein.
Bill Kaulitz: Aber das war auch gar nicht unsere Zeit. Ich kenne das nur aus Erzählungen.
Hätte „Durch den Monsum“ nicht auch auf das aktuelle Heino-Album gemusst?
Bill Kaulitz: Ich hätte jetzt nichts dagegen gehabt.
Tom Kaulitz: Da hat Heino eine Nummer 1 ausgelassen. Für ihn selber wäre das wahrscheinlich ganz gut gewesen. Das ist ein guter Song.
Was kommt nach DSDS? Ein neues Album?
Bill Kaulitz: Wir sind im Studio und arbeiten an neuen Sachen. Das neue Album wird dieses Jahr kommen. Wir wissen nur noch nicht genau wann.
Stimmt es, dass ihr Fans von Angela Merkel seid?
Tom Kaulitz: Also Fans wäre jetzt wahrscheinlich ein bisschen übertrieben, …
Bill Kaulitz: … aber was ich immer sage und das gilt grundsätzlich für alle Politiker: Ich finde es gut, dass überhaupt Leute den Job machen. Viele Leute schimpfen auf die Politiker, aber selber würden sie den Job nicht machen. Ich würde nicht mit Angela Merkel tauschen wollen, weil ich finde, dass ist eine unglaublich große und schwierige Aufgabe. Was ich wichtig finde, ist positives Denken. Wir kriegen das in Amerika mit, da wird der Präsident von allen Leuten total gefeiert. In Deutschland ist das eher weniger der Fall. Ich habe bei Angela Merkel einfach ein gutes Grundgefühl. Ich mag sie als Person.