Köln. .
Purist sein oder in alten Zeiten schwelgen? Die Wahl hatten die rund 8000 Fans beim Supertramp-Konzert am Sonntag in der Kölner Arena: ein Abend, an dem sich die Geister schieden.
Am Ende steht nicht mehr und nicht weniger als das Universum. Die Leinwand saugt den Blick hinein in unendliche Weiten. Im nachtschwarzen Raum leuchten die Lichtpunkte ferner Galaxien. 8000 Kehlen entringt sich so etwas wie ein kollektiver Seufzer. Alle wissen, was jetzt kommt. Dazu braucht nicht erst der Rahmen aus silberfarbenem Metall aufzutauchen, durchbrochen von vier Gitterstäben und umklammert von zwei Händen aus dem Nichts. Der im All schwebt, wie die Bild gewordene Anklage des Gefangen- und Verlorenseins.
1974 schuf Paul Wakefield mit „Crime of the Century“ einen Meilenstein der Cover-Kunst. Die Verpackung passt perfekt zum Inhalt, denn das Album wird nicht umsonst von vielen Musikkritikern und Fans als das bedeutendste in der Geschichte von „Supertramp“ betrachtet. Das „Jahrhundertverbrechen“ war ein Jahrhundert-Coup. Dazu trugen Stücke wie „School“, Bloody Well Right“, „Dreamer“, „Rudy“ oder eben der Titelsong bei. Sonntagabend fehlte keines von ihnen in der Kölner Arena, wo „Supertramp“ auf ihrer „70-10“-Greatest Hits-Jubiläumstour Station machen.
In 40 Jahren kommt einiges zusammen – aber auch abhanden
In 40 Jahren kommt einiges zusammen. Aber auch abhanden. Wie Gründungsmitglied Roger Hodgson, aus dessen Feder viele dieser großen Hits stammen, und der mit seinem markanten Falsett den Sound von „Supertramp“ ebenso maßgeblich mitprägte wie Rick Davies mit seinen kaskadenartigen Pianoklängen. Davies immerhin ist noch dabei und auch den Saxofonisten und Klarinettisten John Helliwell und Drummer Bob Siebenberg kann man zum „inner circle“ zählen.
Mehr als zwei Stunden lang dauert die Zeitreise durch 40 Jahre. Im Publikum scheiden sich die Geister. Da gibt es die Puristen, die Hodgson schmerzlich vermissen und ihn für unersetzlich halten, und die, die einfach nur in alten Zeiten schwelgen wollen und darin wetteifern, wer wo und wann sein erstes „Supertramp“-Konzert erlebt hat. Instrumental ist das, was die Band am Sonntagabend abliefert, großartig und über jeden Zweifel erhaben.
Stimmlich setzen „Supertramp“ auf Arbeitsteilung
Es gibt nicht nur die großen Hits, sondern auch ehemalige B-Seiten – weiß jemand heutzutage noch, was das ist? Supertramp-Fans, die im Schnitt um die 50 sind, wissen es – wie etwa „You Started Laughing“, das den Opener macht. Stimmlich setzen „Supertramp“ auf Arbeitsteilung. Die launigen, mit dem üblichen Lokalkolorit gewürzten Ansagen übernimmt John Helliwell, Davies singt die tieferen Lagen und bei den Hodgson-Parts wechseln sich Siebenbergs Sohn Jesse und Gabe Dickson ab. Das gelingt mal gut („Breakfast In America“ von Siebenberg) und mal weniger gut („It´s Raining Again“ von Dixon). So richtig überzeugend ist das eigentlich nur bei „Goddbye Stranger“, dem letzten Song vor dem Zugabenteil, wo alle alles geben und der Chorgesang ein brillantes Niveau erreicht.
Gimmicks wie inszenierte Plattencover – bei „Another Man’s Woman“ aalt sich auf der Bühne ein Badehosenträger unterm Sonnenschirm von „Crisis? What Crisis?“ – das Zusammentreffen von Davies Mundharmonika und Helliwells Klarinette bei „Long Way Home“ und all die Hits, unter denen weder „Give A Little Bit“ noch „Gone Hollywood“ oder „The Logical Song“ fehlen, versüßen dieses Gefälle. Auch Gitarrist Carl Verheyen, Bassist Cliff Hugo, Trompeter Lee Thorburg und Backgroundsängerin Cassie Miller werten das auf. Dass weite Teile des Publikums sogar bei „School“ auf ihren Plätzen sitzen bleiben wie festgeklebt, wiegt dagegen weitaus schwerer.