Köln. .

Der Kopf von Police, Sting, hat am Freitagabend die Lanxess-Arena gerockt. Dabei zeigte sich der Altmeister von seiner besten Seite und legte jugendliche Spielfreude an den Tag.

Was nimmt der Mann? Wird sich so mancher Endvierziger neidvoll gedacht haben, der am Freitagabend in der Lanxess-Arena einen gewissen Gordon Matthew Thomas Sumner, besser bekannt als Sting, auf der Bühne erlebte. Während männliche Fans, die 1979 auf Schulfeten zu „Cant´t Stand Losing You“ und „Message in A Bottle“ abrockten, inzwischen reichlich Haare gelassen, Fett angesetzt und Falten geworfen haben, sieht der 58-jährige Brite geradezu beängstigend jugendlich aus. Glatte Haut, markantes Kinn, noch immer schmale Hüften.

Vielleicht hat so jemand wie er, der sich ständig neu erfindet, immerzu neue Dinge ausprobiert und zu neuen Ufern aufbricht, ja auch gar keine Zeit, alt zu werden? Dabei ist das, was Sting – der Sänger, Bassist, Komponist, Schauspieler, Autor und Aktivist – derzeit auf deutschen Bühnen (Köln war nach Hamburg die zweite Station, es folgen noch Hamburg, Frankfurt und Stuttgart) präsentiert, so neu eigentlich nicht. Wenn ein Rockmusiker mit klassischem Orchester auftritt, dann nennt sich das „Crossover“. Etwas, das schnell nach hinten losgehen kann. Weil es weder Fisch noch Fleisch ist und im schlimmsten Fall ein kruder Wolpertinger, der Dinge erhöht, die Erhöhung gar nicht verdient haben.

Geglücktes Experiment

Zu dem Preis, den ein drittklassiges Orchester für die Miete verlangt. Gottlob hat Mr. Sumner aber schon jede Menge Erfahrung mit Klassik. Zuletzt spielte er, zusammen mit dem bosnischen Lautenisten Edin Karamazov, ein Album mit Liedern von John Dowland (1563-1626) ein, 1993 gab er, für eine Einspielung von Prokofjews „Peter und der Wolf“ unter der Leitung von Claudio Abbado, den Erzähler und für einige seiner Kompositionen tätigte er Anleihen bei Stückeschreibern, die normalerweise nicht in den Charts auftauchen.

„The Royal Philharmonic Concert Orchestra“ unter Leitung von Steven Mercurio leistet solide Arbeit, in der Band spielt Stings langjähriger Begleiter, Gitarrist Dominic Miller, und Stücke wie „Roxanne“, „Englishman In New York“ oder „Every Breath You Take“ sind auch ganz ohne Symphonieorchester längst Klassiker. Insofern kann man „Symphonicity“, wie das Konzertprojekt mit 23 Stücken und vier Zugaben überschrieben ist, als durchaus geglückt bezeichnen. 9000 Menschen erleben Sting in Bestform. Nicht nur körperlich sondern auch stimmlich voll auf der Höhe, steigt er gleich mit „If I Ever Lose My Faith In You“ voll ein. „Roxanne“ kommt als gefühlvolle Serenade im glühendroten Gewand eines Sonnenuntergangs daher, „Russians“ gerät zur großartigen, wuchtig orchestralen Hommage an die russische Seele und „This Cowboy Song“ prescht irisch tänzelnd und mitreißend temperamentvoll vor.

Gänsehaut-Gefühle

Dazwischen erläutert Sting ausführlich die Entstehung und den Inhalt der einzelnen Stücke. So ganz kann (und will) er den Lehrer der er einmal war, wohl doch nicht verleugnen. Für atmosphärische Dichte sorgen in gut zweieinhalb Stunden (mit Pause) auch die Bilder. Drei flache Riesenquader, die beweglich unter der Decke montiert sind, zeigen Häuserfronten, Uhren oder Fenster, über die Regen fließt. „She´s Too Good For Me“ wird von alten Aufnahmen aus der „Vogue“ illustriert und bei „Moon Over Bourbon Street“ schleicht Nosferatu als Schattenriss über eine Treppe. Dazu spielt Sting das Theremin – die Gründerzeit der elektronischen Musik 1920 lässt grüßen.

Obwohl das Publikum immer wieder in begeisterten Jubel ausbricht und wild applaudiert, bleibt es erstaunlich lange sitzen. Erst „Next To You“ vor der Pause reißt die Menschen von ihren Plätzen hoch. Bei der ersten Zugabe „Desert Rose“ zeigt der Endfünfziger dann, was geht. Er lässt die Hüften kreisen, dass es eine Lust ist. Zum Schluss erklingt seine Stimme bei „I Was Brought To My Senses“ a capella. Ihre juvenile Fülle, Klarheit und Höhe entlässt die Fans mit einer wohligen Gänsehaut in die Nacht. Was nimmt der Mann? Das wollen wir auch haben.