Essen. Stephen Kings neuer Roman „Joyland“ beginnt ganz unscheinbar, aber rasend gut erzählt. Ein junger Student erzählt aus der Ich-Perspektive, wie er die Sommerferien über in einem kleinen Vergnügungsparkt jobben möchte. Und dann spukt es doch immer mehr...
Nach so vielen Jahrzehnten als Produzent von populärer Literatur weiß Stephen King sehr genau, wie er eine Geschichte anreichern muss, damit man sie ihm aus den Händen reißt. Der Nostalgiefaktor ist dabei von unschätzbarem Wert. Man nehme zum Beispiel das Jahr 1973, addiere einen großen klassischen Vergnügungspark an der Küste von North Carolina, streue Gerüchte über seltsame Erscheinungen in der dortigen Geisterbahn und schmecke das Gericht mit einem unschuldigen jungen Studenten ab, der in dieser Welt einen Sommer lang jobben möchte.
Damit stehen die Grundpfeiler von Kings neuem Roman „Joyland“, der mit 352 Seiten im Gesamtverzeichnis dieses Autors nach Großwerken wie „Arena“ oder „Der Anschlag“ beinahe wie eine Novelle anmutet. Es ist ja auch nur eine kleine Geschichte, sie erzählt in der Ich-Form vom 21-jährigen Devin Jones, der eines Tages vor den Toren von Joyland steht, um sich für die Zeit der Semesterferien dort zu verdingen. Es ist einer dieser gemütlichen kleinen Vergnügungsparks, deren Stern angesichts von Disney-Welten und ähnlichen Großunternehmungen bereits im Sinken begriffen ist. Ein wenig Kapitalismus-Kritik streut King ja immer gerne ein.
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Es folgt alles einem Plan
Man ist schon weit vorgedrungen im Roman (in den USA als Taschenbuch in der „Hard Case Crime“-Serie erschienen), ohne dass Unheimliches oder Unerklärliches sich zutragen würde. Stattdessen erfahren wir rückblickend etwas über die zerstörte Beziehung Devins zu seiner großen Liebe Wendy, wir lernen seine neuen Freunde in Joyland kennen und machen uns vertraut mit all den seltsamen Figuren aus dem Schaustellergewerbe. Und dann ist da noch die verschlossene hübsche Frau mit ihrem kranken Sohn, die Devin jeden Tag zu Gesicht bekommt, wenn er am Strand entlang zu seinem Arbeitsplatz marschiert. Eigentlich, stellt man mit Erstaunen fest, wäre King auch ein prächtiger Erzähler im Bereich der „normalen“ Literatur. Denn diese Entwicklungsgeschichte eines jungen Mannes, die frisst man ihm geradezu aus der Hand.
Doch vielleicht wollte der Autor das nur mal gerade unter Beweis stellen, wollte all jene eines Besseren belehren, die ihn nach vielen großartigen Romanen noch immer abschätzig als „Pulp“-Fabrikanten schmähen. Denn kaum fühlt man sich diesmal sicher zwischen Vergnügungspark und Strand, lässt Stephen King die Hunde von der Leine. Da gibt es diese Wahrsagerin, der alle zwar keine großen seherischen Fähigkeiten zutrauen, die Devin aber zwei Prophezeiungen macht, die schließlich auch eintreffen. Und da gibt es dieses Gerücht, dass es im „Horror House“ der Anlage tatsächlich spuke, seit dort ein Mädchen von ihrem Begleiter während der Durchfahrt umgebracht wurde.
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Die Dinge weiten sich aus, als Devins Arbeitskollegin Erin bei ihrer unermüdlichen Faktensuche auffällt, dass der Mord in Joyland nur einer von vielen ist, die quer durch die USA in Vergnügungsparks begangen wurden. Und sie manifestieren sich, als Devins sehr rational denkender Freund Tom in der Geisterbahn offenbar tatsächlich eine Erscheinung hatte. Jedenfalls hält er seitdem deutlichen Abstand zu dieser Park-Attraktion.
Und schon sind wir wieder mitten drin in einer dieser King-Welten, in denen nichts Zufall ist, sondern einem geheimen Plan folgt. Am Ende von „Joyland“ passt plötzlich alles zusammen, war die Frau mit dem kranken Sohn ebenso Teil des Plans wie Erins Recherche-Ergebnisse. Und der Killer war die ganze Zeit nahe. Sehr nahe.
Am Ende bleibt diesmal eine eher melancholische Stimmung, ein Abschiednehmen in mehrfacher Hinsicht, die Gewissheit von Joylands baldigem Ende. Aber Verluste zu betrauern, darauf muss man bei Stephen King immer vorbereitet sein.
- Stephen King: Joyland. Deutsch von Hannes Riffel. Heyne Verlag, 352 S., 19,99 €.
- Hörbuch-Fassung: Gesprochen von Nathan David. Random House Audio, 2 MP3-CDs, Ungekürzte Lesung. 545 min., 19,99 €.