Essen. . Die österreichische Regisseurin Feo Aladag drehte als erste in Afghanistan einen Film über deutsche Soldaten an der Front. Die genaue Darstellung des Scheiterns aller hehrer Ziele überzeugte offenbar selbst Vertreter der Bundeswehr. „Zwischen Welten“ feiert in der Essener „Lichtburg“ Premiere

Es mag Menschen geben, die haben eine genaue Vorstellung davon, wie eine Frau aussieht, die nach Afghanistan geht, um den ersten Film über den Einsatz deutscher Soldaten an der Front zu drehen. Feo Aladag wird sie angenehm enttäuschen. An diesem Morgen hat sie die blonden Haare hochgesteckt, das fein geschnittene Gesicht wirkt noch schmaler. Die Nacht zuvor hat sie sich auf einem Vogue-Gespräch lange mit dem schottischen Künstler Douglas Gordon unterhalten. Gordon hat mal einen Elefanten in eine New Yorker Galerie verfrachtet. Feo Aladag hat das Schwergewicht Bundeswehr dressiert. Das Ergebnis heißt „Zwischen Welten“ und kommt am 27. März in die Kinos. Am Mittwoch, 19. März, 20 Uhr, stellt Aladag den Film in der Essener Lichtburg vor.

Ausgerechnet eine Frau geht dahin, wohin sich noch kein deutscher Regisseur gewagt hat. Nach Afghanistan, ins Isaf-Lager in Masar-i-Sharif und nach Kunduz. Sie kommt mit ihrem Filmteam – und mit Kindermädchen und zehnmonatigem Baby. Man kann sich die Begeisterung vorstellen, als sie ihre Pläne beim Bundesverteidigungsministerium vorgetragen hat.

Richtige Fragen stellen

Feo Aladag spricht leise, ohne jedes dramatische Tremolo, wenn sie von den schwierigen Vorbereitungen in Kunduz, den zähen Verhandlungen für den Film erzählt, der nicht nur einmal kurz vor dem Scheitern stand. „Auf afghanischer Seite war es einfacher als auf deutscher“, sagt Aladag. „Die Menschen in Masar-i-Sharif waren dankbar, dass da jemand kommt und sagt: Ich möchte mit euch gemeinsam etwas machen.“

Andere Filmemacher gehen nach Marokko oder Jordanien, wenn sie Wüstenkriegskulisse wollen. Für Aladag war klar, dass es Afghanistan sein muss. „Eine Frage von Authentizität und Sorgfaltspflicht“, sagt die 42-Jährige, die für ihr Ehrenmord-Drama „Die Fremde“ mit Sibel Kekilli 2010 Dutzende von Filmpreisen einsammelte. „Zwischen Welten“ ist von ähnlich nachdenklicher Kraft. Eine Reflexion über die Rolle deutscher Soldaten im Einsatz, über die Möglichkeit, das Richtige tun zu wollen und dabei Fehler zu machen. So wie es Jesper ergeht, gespielt von Ronald Zehrfeld, der in mehrfacher Hinsicht zwischen die Fronten gerät, zwischen zwei fremde Sprachen und Kulturen, zwischen Gehorsam und Gewissen. „Es ging mir nie um eine Generalkritik oder eine Befürwortung des Auslandseinsatzes der Bundeswehr, sondern um das, was es mit dem Einzelnen tut“, betont Aladag. „Zwischen Welten“ wolle die richtigen Fragen stellen, keine fertigen Antworten geben.

„Die Verantwortung beginnt jetzt“

Diese Offenheit hat auf der Berlinale nicht jedem gefallen. Gerade jetzt, da klar ist, dass die Bundeswehr 2014 aus Afghanistan abzieht. Was sie zurücklässt, kann man in Aladags Film eindrucksvoll sehen. Ein Land ohne Infrastruktur, Bildung, Perspektiven. Und Menschen wie Mohsin Ahmady, der den afghanischen Übersetzer Tarik spielt. Dolmetscher wie Tarik sind für die Soldaten überlebenswichtig und bringen sich dabei selbst in Lebensgefahr, weil sie für ihre Landsleute als Verräter gelten. Aladag erzählt, dass die USA 4000 ihrer Ortskräfte ins Land gelassen haben, während Deutschland aufwendige Einzelfallprüfungen verlangt. Auch Mohsin, der für die Berlinale zum ersten Mal sein Dorf verlassen hat, muss wieder zurück. „Wir werden auf ihn aufpassen“, sagt sie, „und im Notfall alle Hebel in Bewegung setzen.“ Das sei Teil der Verantwortung, die man nicht mehr abgibt. „Ich glaube, dass die Verantwortung jetzt beginnt, jetzt erst recht. Die ersten Schritte sind gemacht, aber es muss weitergehen, auch wirtschaftlich, Das Land braucht Perspektiven.“

ZUR PERSON

Feo Aladag ist Schauspielerin, Regisseurin und Drehbuchautorin. Ihr erster Film „Die Fremde“ (2010) ging als deutscher Beitrag ins Oscar-Rennen.

Die gebürtige Österreicherin war bis 2012 mit dem türkischstämmigen Regisseur Züli Aladag verheirat. Sie lebt mit ihrer Tochter in Berlin.

Einigen Bundeswehr-Offiziellen hat Aladag den Film schon vor der Premiere gezeigt. Sie betont, dass es keine Einflussnahme gegeben habe. Die Reaktionen waren positiv, trotz der konsequenten Kriegsheldenverweigerung. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die mehr Engagement der Bundeswehr im Ausland will, hat den Film noch nicht kommentiert. Feo Aladag kann ihr schon sagen, was nach dem Abzug bleibt: „Die Angst der Menschen vor dem, was nach den Wahlen passiert.“

Karten: Tel. 0201 /23 10 23