Essen. . Kathryn Bigelow hat früher Thriller („Blue Steel“), Vampirfilme („Near Dark“) und Science-Fiction („Strange Days“) gedreht. Seit ihrem Oscar für den Kriegsfilm „The Hurt Locker“ jedoch bevorzugt sie politische Themen. „Zero Dark Thirty“ beschreibt die Jagd auf Osama Bin Laden.

Kathryn Bigelows Film „Zero Dark Thirty“ wurde in den USA mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Es ist nun mal etwas anderes, ob ich weiß, dass der US-Geheimdienst Gefangene der Folter unterzieht, oder ob ich bei dieser Prozedur zuschauen soll. Wer Bigelows Film über die Eliminierung Osama Bin Ladens sieht, kommt daran nicht vorbei: Die erste halbe Stunde zeigt quälend ausführlich, wie ein CIA-Agent versucht, die Abwehr eines Gefangenen zu brechen. Das berüchtigte simulierte Ertränken beim „Waterboarding“ ist dabei nur ein Mittel von vielen.

Todeszeitpunkt 0.30 Uhr

„Zero Dark Thirty“, gemeint ist Bin Ladens Todeszeitpunkt um 0.30 Uhr nachts, wurde aus der Not geboren. Eigentlich waren Bigelow und ihr Drehbuchautor Mark Boal gerade dabei, einen Film vorzubereiten über das Versagen amerikanischer Geheimdienste bei der Jagd auf Bin Laden wenige Monate nach dem 11. September. Dann wurden sie von Osamas Tod eingeholt und mussten umdenken. Keine Schwierigkeit offenbar bei diesem Team, das schon mit dem Irak-Kriegsdrama „The Hurt Locker“ einen Oscar errungen hat.

Am Ende hat man sich vom ursprünglichen Projekt gar nicht so weit entfernt. Der Kleinmut, die Angst vor einer Fehlentscheidung, gerade in den Führungsetagen der CIA – das alles lässt Einblicke zu auf die Verwundbarkeit der USA im Ernstfall. Da können die Verantwortlichen von Glück sagen, dass es in solchen Situationen Mitarbeiter wie die Analytikerin Maya Lambert gibt, die ganz auf ihren Instinkt setzt. Die Schauspielerin Jessica Chastain („Tree of Life“) ist diese Maya von Anfang an mit einem Hauch des Manischen, der es verhindert, in dieser Frau eine Identifikationsfigur zu sehen.

Nächtlicher Einsatz in Echtzeit

Auch Maya ist zunächst angewidert von der Folter, zwingt sich aber zum Hinsehen und wird später nicht zögern, selbst solche „peinlichen Verhöre“ anzuordnen. Nach Pakistan versetzt, soll sie sich hier einer Agentengruppe anschließen, die Informationen sammeln und geplante Anschläge nach Möglichkeit verhindern soll. Schon bald weicht sie bei den Recherchen von der Linie der anderen Agenten ab, verbeißt sich in die Fahndung nach Bin Laden und stößt sehr früh auf das gut sichtbare Haus in Abbottabat, Pakistan, wo Amerikas Todfeind Nr. 1 schließlich nach langem Zögern erschossen wird – über 100 Tage später.

Geräuschgedämpfte Hubschrauber

Sie habe, so die Regisseurin, immer einen journalistischen Ansatz bei „Zero Dark Thirty“ im Sinn gehabt. Das zeigt sich vor allem bei dem nächtlichen Einsatz gegen Osama, der in Echtzeit gedreht wurde und der fast dokumentarisch wirkt. Das beginnt mit der ruhig gefilmten Annäherung von geräuschgedämpften Hubschraubern und endet in einer chaotisch wirkenden Haus-Durchstöberung. Überall das Grün der Nachtsichtgeräte, die Konfusion der Beteiligten, den über Leichen führenden allmählichen Aufstieg in die oberste Etage, wo man Bin Laden dann erschießt. Der Zuschauer fühlt sich ähnlich verlassen wie die Einsatzkräfte, kann den Raum des Hauses nie richtig erfassen. Am Ende des Einsatzes herrscht denn auch kein Triumph, die Soldaten begreifen kaum, was da gerade geschehen ist.

Osama bin Laden ist tot

Er war der meistgesuchte und wohl gefürchtetste Terrorist der Welt - jetzt ist Osama bin Laden tot.
Er war der meistgesuchte und wohl gefürchtetste Terrorist der Welt - jetzt ist Osama bin Laden tot. © AP
US-Präsident Barack Obama bestätigte in der Nacht zu Montag in einer TV-Ansprache, ...
US-Präsident Barack Obama bestätigte in der Nacht zu Montag in einer TV-Ansprache, ... © AP
... dass der Chef des Terrornetzwerks El Kaida bei einem Feuergefecht in Pakistan von einem US-Kommando getötet wurde. Eine DNA-Analyse habe die Identität des Toten bestätigt. Über das Internet machte ein verstörendes Foto die Runde, ...
... dass der Chef des Terrornetzwerks El Kaida bei einem Feuergefecht in Pakistan von einem US-Kommando getötet wurde. Eine DNA-Analyse habe die Identität des Toten bestätigt. Über das Internet machte ein verstörendes Foto die Runde, ... © AP
... das den Terroristenführer zeigen sollte. Bei dem Foto ...
... das den Terroristenführer zeigen sollte. Bei dem Foto ... © AFP
... handelte es sich jedoch um eine Fälschung, die bereits im Jahr 2009 im Internet kursierte.
... handelte es sich jedoch um eine Fälschung, die bereits im Jahr 2009 im Internet kursierte. © AP
"Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan", sagte der US-Präsident. Er selbst, so Obama, habe den geheimen Einsatz angeordnet. © REUTERS
Die Nachricht vom Tod des Terroristen markiert das Ende einer Jagd, die nahezu zehn Jahre lang angedauert hat.
Die Nachricht vom Tod des Terroristen markiert das Ende einer Jagd, die nahezu zehn Jahre lang angedauert hat. © AP
Der Terrorist Bin Laden ...
Der Terrorist Bin Laden ... © AP
... wird von den USA für die Terroranschläge vom 11. September 2001 verantwortlich gemacht. Bei den gezielten Flugzeugabstürzen ...
... wird von den USA für die Terroranschläge vom 11. September 2001 verantwortlich gemacht. Bei den gezielten Flugzeugabstürzen ... © Reuters
... auf das World Trade Center in New York ...
... auf das World Trade Center in New York ... © Reuters
... und das Pentagon starben mehr als 3000 Menschen.
... und das Pentagon starben mehr als 3000 Menschen. © Reuters
Seit dem stand Bin Laden auf der
Seit dem stand Bin Laden auf der "Most Wanted"-Liste des FBI ganz oben. 50 Millionen Dollar hatten die USA für Hinweise ausgesetzt, die zu seiner Ergreifung führen. Doch aus dem Nichts ... © Reuters
... meldete sich der Islamisten-Führer immer wieder in Video- oder Tonbandbotschaften zu Wort ...
... meldete sich der Islamisten-Führer immer wieder in Video- oder Tonbandbotschaften zu Wort ... © REUTERS
... und verhöhnte seine Verfolger.
... und verhöhnte seine Verfolger. © REUTERS
Als zwölftes von mehr als 50 Kindern eines reichen saudiarabischen Bauunternehmers wurde Bin Laden vermutlich im Jahr 1957 in Riad geboren.
Als zwölftes von mehr als 50 Kindern eines reichen saudiarabischen Bauunternehmers wurde Bin Laden vermutlich im Jahr 1957 in Riad geboren. © AP
Ein Jahr vor Ende der sowjetischen Invasion in Afghanistan 1989 begann Bin Laden mithilfe von Gefolgsleuten mit dem Aufbau des Netzwerks
Ein Jahr vor Ende der sowjetischen Invasion in Afghanistan 1989 begann Bin Laden mithilfe von Gefolgsleuten mit dem Aufbau des Netzwerks "El Kaida" ("Das Fundament"). © AP
"Er war ein junger Mann, der sich enthusiastisch für den heiligen Krieg einsetzte", beschrieb ihn der saudiarabische Ex-Geheimdienstchef Prinz Turki el Feisal in einem Fernsehinterview. "Er sprach wenig und erhob nie seine Stimme. Kurzum, er war ein netter Kerl." © AP
Als 1991 eine internationale Koalition unter Führung der USA den Krieg gegen Irak führte, erklärte er Washington den
Als 1991 eine internationale Koalition unter Führung der USA den Krieg gegen Irak führte, erklärte er Washington den "Dschihad", den religiös motivierten Krieg. © AFP
Die Neuigkeit, dass Bin Laden tot ist, ging in kurzer Zeit rund um die Welt. In Neu Delhi brannten Plakate mit seinem Konterfei, ...
Die Neuigkeit, dass Bin Laden tot ist, ging in kurzer Zeit rund um die Welt. In Neu Delhi brannten Plakate mit seinem Konterfei, ... © AFP
... vor dem Weißen Haus in Washington versammelten sich jubelnde Amerikaner.
... vor dem Weißen Haus in Washington versammelten sich jubelnde Amerikaner. © AP
Sie feierten das erfolgreiche Ende der Suche nach dem Top-Terroristen.
Sie feierten das erfolgreiche Ende der Suche nach dem Top-Terroristen. © AFP
Der frühere US-Präsident George W. Bush sprach von einem
Der frühere US-Präsident George W. Bush sprach von einem "Sieg für Amerika". © REUTERS
In die Erleichterung mischt sich aber auch Sorge um mögliche Terror-Reaktionen von Bin Ladens Anhängern.
In die Erleichterung mischt sich aber auch Sorge um mögliche Terror-Reaktionen von Bin Ladens Anhängern. © AP
Die USA warnten ihre im Ausland befindlichen Staatsangehörigen vor möglichen Vergeltungsmaßnahmen  versetzten ihre Botschaften weltweit in Alarmbereitschaft.
Die USA warnten ihre im Ausland befindlichen Staatsangehörigen vor möglichen Vergeltungsmaßnahmen versetzten ihre Botschaften weltweit in Alarmbereitschaft. © AP
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Verbissene Einzelgängerin

Mit dem erfolgreichen Ende der Mission beginnt für Maya jedoch erst das richtige Drama. Als verbissene Einzelgängerin hatte man sie bereits eingeschätzt, ohne Bindungen, ohne Freunde, ohne Fröhlichkeit. Am Ende aber, auf dem Heimflug, schenkt Jessica Chastain uns einen Blick, der die ganze Verlorenheit dieser Figur offenbart. Sie steht nicht vor einem Leben, an das sie anknüpfen könnte, sie steht – vor dem Nichts. Diese Tragik zu zeigen ist vielleicht die eigentliche Botschaft dieses fesselnden Films.