Essen. . Mit „Inglourious Basterds“ thematisierte Quentin Tarantino die Gräueltaten der Nazis. Nun präsentiert er in Westernform mit „Django Unchained“ eine Abrechnung mit der Sklaverei. Im Interview verrät Tarantino, warum er Gewaltszenen entschärft hat und warum er von Christoph Waltz begeistert ist.
Mit „Inglourious Basterds“ thematisierte Quentin Tarantino die Gräueltaten der Nazis. Nun präsentiert er in Westernform mit „Django Unchained“ eine Abrechnung mit der Sklaverei. Wieder spielt Christoph Waltz eine Hauptrolle und erneut gilt der Film als Oscar-Favorit.
Herr Tarantino, man spricht deutsch in „Django Unchained“, es erklingt Beethoven und selbst das Nibelungenlied wird bemüht. Wie kommt’s?
Quentin Tarantino: Ich war schon etliche Male zu Besuch in Deutschland, beim Dreh von „Inglourious Basterds” habe ich dann für ein halbes Jahr richtig in Berlin gelebt. Das waren wichtige Erfahrungen in meinem Leben, die sich nun in „Django“ widerspiegeln. Als Filmemacher hat man den enormen Vorteil, dass man sich aus seinem engen Umkreis fortbewegen und Geschichten jenseits der Heimat erzählen kann.
Stimmt es, dass Sie Gewaltszenen entschärft haben, um bessere Chancen für den Oscar zu haben?
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Tarantino: Das habe ich nicht für die Oscar-Leute gemacht, sondern für das Publikum. Beim Betrachten von „Django“ durchlebt man sehr viele Gefühle, für den Preis einer Kinokarte soll man möglichst viele Emotionen geboten bekommen. Der Film ist witzig, brutal, romantisch und spannend. Es gibt Szenen, die nur schwer erträglich sind. Und es gibt Gewalt, die kathartisch wirkt, über die man lachen kann. Wenn „Django“ am Ende das Haus seiner Peiniger in die Luft sprengt, möchte ich, dass das Publikum applaudiert. Bei Testvorstellungen habe ich festgestellt, dass einige der brutalen Szenen so dramatisch ausfielen, dass die Zuschauer regelrecht traumatisiert waren. Damit konnten sie diesen Triumph von Django am Ende nicht mehr richtig genießen – deswegen habe ich diese Szenen entschärft.
Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Christoph Waltz beschreiben?
Tarantino: Ich habe mich in Christoph verliebt, als er für „Inglourious Basterds“ vorsprach. Diese Rolle des SS-Offiziers Hans Landa war für mich die beste, die ich je geschrieben habe. Bei der Besetzung wurde mir jedoch klar, dass diese Figur möglicherweise gar nicht zu spielen war. Ich war kurz davor, den Film abzusagen, denn ohne diesen Hans wäre er sinnlos gewesen. Als dann Christoph ins Spiel kam, waren sämtliche Zweifel sofort beseitigt: Er gab mir meine Figur zurück. Und daraus entstand eine wunderbare Zusammenarbeit.
Bei „Django Unchained“ gaben Sie Christoph Waltz sogar das unfertige Drehbuch, was Sie sonst niemals tun…
Tarantino: Stimmt, aber ich hatte die Rolle eigens für ihn geschrieben und wusste, dass er sie spielen würde. Als die ersten zwanzig Seiten fertig waren, gab ich sie ihm. Danach gingen wir gemeinsam essen und unterhielten uns darüber. Später gab ich ihm die nächsten zwanzig Seiten und so weiter bis zum fertigen Drehbuch. Für mich hatte das den Vorteil, dass Christoph viel mehr Zeit hatte, sich auf die Rolle vorzubereiten.
In „Inglourious Basterds“ zeigen sie die Gräueltaten der Nazis, in „Django“ thematisieren sie die Unterdrückung der Sklaven – gibt es da einen Zusammenhang?
Tarantino: Klare Antwort: Ja. Amerika ist verantwortlich für zwei Holocausts in seiner Geschichte. Für die Auslöschung der Indianer und für die Sklaverei. Ich wollte mit „Django“ keinen zweiten „Schindlers Liste“ erzählen, sondern eine spannende Geschichte. Ich wollte die Brutalität zeigen, die von Amerikanern an schwarzen Sklaven begangen wurden. In Wirklichkeit ist das 1000fach schlimmer, als ich es zeige. Aber mit solchen Bildern wäre der Film nicht zu ertragen gewesen.
Kann man den NS-Holocaust auf dieselbe Ebene stellen?
Tarantino: Absolut! Die Sklaverei war ein Holocaust, ebenso das Auslöschen der amerikanischen Ureinwohner. Das ist so verbrecherisch wie die Vernichtung der Juden durch die Deutschen oder der Armenier durch die Türken. Jeder dieser Völkermorde hat seine eigenen Ursachen und Auswirkungen. Aber am Ende steht jeweils ein rassistischer Genozid.
Wenn „Django“ eine Fortsetzung von „Inglourious Basterds“ ist, geht es dann bei Ihrem nächsten Film thematisch weiter?
Tarantino: Bei allen Unterschieden der beiden Filme gibt es eine Verbindung. Und das legt nahe, dass daraus durchaus eine Trilogie zu diesem Thema entstehen könnte. Ich weiß noch nicht, worum es in diesem dritten Teil gehen sollte, aber mir scheint möglich, dass es ein drittes Kapitel geben könnte.
Warum ist das Thema der Sklavenunterdrückung so tabu in Amerika?
Tarantino: Amerika hat Angst vor diesem Thema und will damit nichts zu tun haben. In Deutschland musste sich die Bevölkerung immer und immer wieder mit seiner Schande auseinandersetzen. Auch die meisten Länder müssen sich mit den Sünden ihrer Vergangenheit auseinandersetzen. Nur in Amerika schliddert man stets darüber hinweg. In der Schule redet man über den Goldrausch, aber nicht über die Sklaverei.
Die Premiere von „Django“ wurde wegen eines Amoklaufs abgesagt – was sagen Sie zu den Waffengesetzen Ihrer Heimat?
Tarantino: Ich finde, Amerikaner sollten das Recht auf Waffen haben. Ich selbst besitze eine Waffe, denn ich lebe allein und möchte mich verteidigen können, falls ich angegriffen werde. Ganz anders sieht es aus bei automatischen Waffen, die auf jeden Fall verboten gehören. Es gibt absolut keinen Grund, dass Leute Waffen besitzen, die für das Militär entwickelt wurden.