Duisburg. Es war ein Experiment - Dokumentarfilme für Kinder. „Gibt es das überhaupt?”, fragte sich Matthias Kremin vom Westdeutschen Rundfunk noch vor der Premiere. Doch das Projekt „dok you”, ambitionierte Dokumentarfilme mit und für Kinder, war ein voller Erfolg.
Vier Kurzdokumentationen, nie länger als 20 Minuten, hielten die Zuschauer im Filmforum am Dellplatz in Atem. Mithilfe von professionellen Produzenten, Kameraleuten und Regisseuren schufen die zehn bis 14-Jährigen beeindruckende Werke. Gezeigt wurde der Alltag ganz besonderer Kinder. Gleich zu Beginn gelang es der erfahrenen Regisseurin Bettina Braun mit dem Film „Nick & Tim” das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Die beiden Elfjährigen sind eineiige Zwillinge, ihr Leben auf einem Bauernhof im Landkreis Erfstadt scheint idyllisch. Doch Nick leidet unter Wutausbrüchen und Konzentrationsstörungen. Stille verbreitet sich im Saal, als die Kamera das Kind erstmals bei der Medikamenten-Einnahme zeigt.
Auch die beiden nachfolgenden Dokumentationen „Ednas Tag” von Bernd Sahling und „Gelb und Pink” von Alexandra Schröder faszinierten das Publikum. Trotz der Leichtigkeit der Bilder ist das Schicksal der Protagonisten ergreifend. Ob es die aus Bosnien geflüchtete Edna ist, die mühsam die Deutsche Sprache lernt und so manches Problem mit ihren Mitschülern hat, oder das ungleiche Schwesternpaar Alina und Christina. „Meine Schwester ist hübsch, ich bin mehr so moppelig. Sie ist schlank und blond, ich bin dunkel.” Zwischen Shoppen im Centro und Eislaufdisko gewährt der Film tief Einblicke in das komplexe Seelenleben der beiden Hauptdarstellerinnen.
Es gibt sie und man braucht sie
Erschreckend offen kommt auch „Herr Rücker” daher. In nur 14 Minuten gelingt Anna Wahle ein außergewöhnliches Porträt eines außergewöhnlichen Schülers. Herr Rücker, der mit Vornamen Nico heißt, ist 14 Jahre alt und besucht die Gesamtschule-Solingen. Während andere Schüler nicht schnell genug das Gelände verlassen können, ist Herr Rücker sogar in den Ferien Tag für Tag an seinem Lieblingsort. Mit Begeisterung geht er dem Hausmeister zur Hand, verkauft Süßwaren in der schuleigenen Cafeteria und sorgt im Computerraum für Ordnung. „Ich komme jeden Tag eine Stunde früher und schließe dann die Türen für die anderen Schüler auf”, verrät Herr Rücker. Doch Anerkennung der Mitschüler gibt es nicht und mit Freunden trifft sich der Außenseiter schon lange nicht mehr. Rücker fühlt sich alleine, hat aber durch die Dreharbeiten neuen Mut bekommen: „Ich werde jetzt anders wahrgenommen.”
Gleiches gilt jetzt auch für Kinderdokumentarfilme. Tosender Applaus bestätigte das Projekt. Kinderdokus – es gibt sie und man braucht sie. Experiment gelungen!