Duisburg. Das „dokyou”-Projekt der Duisburger Filmwoche: Dokumentarfilme beobachten junge Menschen in ihrer Wirklichkeit. Und die Filme über Probleme unter Geschwistern oder Integration in der Schule sind wirklich gut gemacht.
„Erkenne die Lage” lautete das Motto der diesjährigen Duisburger Filmwoche. Im Erwachsenen-Kino ist dieser Aufforderung leicht nachzukommen. Die steigende Zahl von Film-Dokumentationen unterstreicht das Bedürfnis nach Authentizität und Echtheit in einer immer unübersichtlicheren Welt. Im Kinderfilm, zumindest im deutschen, hat die Dokumentation indes keine Chance gegen wilde Kerle, wilde Hühner oder Meerschweinchen mit Agentenstatus.
Insofern ist das Duisburger „dokyou”-Projekt ein zukunftsweisender Schritt zurück – hin zu einer gefilmten Lebenswirklichkeit zwischen Schulhof und Eishalle, Hausaufgaben und Geschwisterzoff, ganz ohne Spezialeffekte und 3D. Und nicht nur Festivalmacher Werner Ruzicka wird angesichts der ausgewählten Filme den Gedanken gehabt haben, ob vielleicht so etwas wie eine „Renaturierung” der jugendlichen Sehgewohnheiten möglich ist.
Filme über jugendliche Lebenswelten
Wie man es von einem Filmvorhaben mit medienpädagogischem Auftrag erwarten kann, wurde das „dokyou”-Projekt gründlich vorbereitet. Im vergangenen Jahr beugten sich zunächst Mentoren und Redakteure über die Entwürfe der Filmemacher. Die Konzepte gingen durch die Bewilligungsinstanzen der Filmförderer. In den beteiligten Schulen wurden zudem Workshops abgehalten – und die Filmhelden doch oft anderswo entdeckt.
Trotzdem ist das Ergebnis nicht bloß gut gemeint, sondern auch gut gemacht. Technisch, inhaltlich, künstlerisch. Es sind keine Filme von Kindern, sondern Filme über jugendliche Lebenswelten. Die jungen Regisseure mussten dabei die Balance zwischen professionellem Abstand und beobachtender Nähe zu ihren Figuren finden.
Geschwisterliebe
Diese dürften den meisten Zuschauern zwischen 10 und 14 recht vertraut vorkommen. „Nick und Tim” beispielsweise, die eineiigen Zwillingsbrüder. Jede Begegnung endet bei ihnen mit einem Knuff, jeder Streit in einer Rauferei. Zwei, die zwanghaft aufeinander knallen wie Magneten. Dabei, zeigt der Film auf subtile Weise, will sie die Umwelt bloß auseinanderhalten können. Zur Not auch in den mit den guten Noten und den mit den schlechteren. In den, der Ritalin bekommt, und den, der die Wut kontrollieren kann.
Teenager Alina in „Gelb und Pink” weiß dagegen oft nicht recht, ob sie nun gesegnet oder gestraft ist mit ihrer schlanken, blonden Schwester, die ihr so gar nicht ähnlich sieht, der fülligeren Brünetten. „Herr Rücker”, eigentlich Nico, ist hingegen der chronische Einzelgänger, der in der Schule nur zwei richtige Freunde hat: den Rektor und den Hausmeister, die den Jungen voller Tatendrang schätzen. Nach dem Film hat Nico in der Schule inzwischen ein paar Fans.
System Schule hinterfragt
Edna würde man es wünschen. Dem zwölfjährigen Mädchen aus Bosnien, das immer zuerst die Schimpfwörter, von ihren Mitschülern lernt und benutzt, weil sie darauf die stärksten Reaktionen bekommt. Bernd Sahling wirft mit „Ednas Tag” einen konzentrierten Blick auf das System Schule als überforderter Integrationsapparat.
Kinderdokus zur Filmbildung beizusteuern, das soll eine feste Aufgabe der Duisburger Filmwoche werden.