Essen. . Der italienische Filmemacher Nanni Moretti ist bekannt als bekennender Linker und bezeichnet sich selbst als Atheist. Jetzt hat er mit „Habemus Papam“ einen Film über die katholische Kirche gedreht, der nur eines will: die Schwäche auch der Würdenträger nicht verleugnen.

Von der Bürde großer Aufgaben überfordert zu sein, ist keine Schande mehr. Politiker pausieren, Bundesligatrainer treten zurück. Aber ein Papst, der sich seinem Amt verweigert? Unmöglich!

In Nanni Morettis neuem Film „Habemus Papam - Ein Papst büxt aus“ wird das Unmögliche möglich. Das Konklave hat getagt, der weiße Rauch ist aufgestiegen. Und ein schreckensbleicher Kardinal Melville (Michel Piccoli) sitzt da wie vor Angst gelähmt. Die jubelnde Menge auf dem Petersplatz wartet vergebens auf den neuen Pontifex. Die Kardinäle überbrücken die Wartezeit mit Puzzeln und Kartenlegen. Und der herbeigerufene Psychotherapeut (Regisseur Moretti) bekommt seine Grenzen schnell aufgezeigt: Den Papst zur Kindheit befragen? Ausgeschlossen!

Drei Tage streunt der Papst durch Rom

Während der Vatikan in Schockhektik verfällt, sucht das neue Oberhaupt der katholischen Kirche sein Heil in der Flucht. Drei Tage streunt der Unglückliche durch Rom, taucht in kleinen Hotels und Theatern unter, sucht Erinnerungen, menschlichen Kontakt – und trifft am Ende eine folgenreiche Entscheidung.

Ein Gottesdiener, der nicht dienen will – in Italien sorgte Morettis Film für die erwartbaren Kontroversen. „L’Avvenire“, die Zeitung der italienischen Bischofskonferenz, forderte zum Film-Boykott auf, Radio Vatikan immerhin fand die Darstellung „sehr menschlich“. In der Tat geht Moretti, bekennender Atheist und furchtloser Berlusconi-Gegner (wie in seinem Film „Der Kaiman“), mit der Institution Kirche unerwartet komödiantisch um, mit leisem Humor und sachter Ironie, fast ein wenig zahnlos. Um die Mehrheitsverhältnisse dieser letzten Weltmacht zu versinnbildlichen, genügt ihm ein Volleyball-Turnier: Ozeanien als ewiger Verlierer gegen das Bollwerk Europa.

Michel Piccoli strahlt eine stille Würde aus

Der Vatikan ist in Morettis Film kein Ort konspirativer Treffen und Intrigen, der Skandale oder saftiger Verschwörungstheorien. Im Mittelpunkt steht bei ihm der innere Glaubenskampf. Der 85-jährige Großdarsteller Michel Piccoli verkörpert den Konflikt mit sanftem Nachdruck und stiller Würde. Sein Melville ist ein Mensch, der nicht den Glauben an Gott verloren hat, sondern an sich selbst. „Ich bin Schauspieler“, sagt er einmal. Aber dass seine Rollensuche bei Tschechow enden muss, wirkt ziemlich bemüht.

Die Figur des zweifelnden Kardinals hat kein konkretes Vorbild, auch wenn die Angst vor dem übergroßen Amt manchen beschlichen haben mag. „Betet für mich, dass ich nicht vor den Wölfen mein Amt im Stich lasse“, hat Benedikt XVI. in der Eröffnungsmesse seines Pontifikats gebeten. „Wir sind Papst“ lautete die Schlagzeile dazu. Moretti weiß so wenig wie wir, was in solchen Momenten in Menschen vorgeht. Er hat sich die dramatischste Situation ausgedacht. Sie macht die katholische Kirche ein bisschen nahbarer.