Essen. . Der Deutschland-Besuch des Papstes ist Geschichte, aber eine Forderung Benedikts hat eine intensive Debatte ausgelöst: Benedikts Wort von der „Entweltlichung“ der Kirche. Seine Freiburger Rede spielt Kritikern der Krichensteuer in die Hände. Ruhrbischof Overbeck dagegen deutet die Ansprache theologisch.
Aufgeschreckt hat Benedikt XVI. seine Kirche in Freiburg im September mit einer einzigen Passage. Darin heißt es, die Säkularisierungen, „sei es die Enteignung von Kirchengütern, sei es die Streichung von Privilegien“ im 19. Jahrhundert hätten eines bewirkt: „Das missionarische Zeugnis der entweltlichten Kirche tritt klarer zutage.“ Seither wird in der Kirche gerätselt. Was hat der Papst damit gemeint, die Kirche müsse auf Privilegien verzichten? Will er die Kirchensteuer abgeschafft sehen?
Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck jedenfalls glaubt er nicht, dass der Papst das will. Und er hält die Kirchensteuer -- unabhängig davon, ob der Papst das gemeint haben könnte oder nicht -- keineswegs für ein Privileg. Der Staat ziehe sie zwar ein, sagt er, aber die Kirche bezahle dafür.
„Er will auf eine Gefahr hinweisen“
Doch die Debatte ist da. „Sofort nachdem der Papst seine Rede beendet hat, wurde über die Kirchensteuer debattiert“, erklärt der Bischof von Essen. „Aber ich habe auch sofort gesagt, dass ich nicht der Meinung bin, dass das die primäre Stoßrichtung war.“
Er deutet „Entweltlichung“ vor allem geistlich-theologisch. Der Papst habe den Begriff schon in den späten 60er Jahren verwendet. Er habe schon damals die starke Institutionalisierung der Kirche hinterfragt. „Wenn ich ihn richtig deute, will er auf eine Gefahr hinweisen: Dass derjenige, der sich zu sehr auf alle Ordnungen der Welt einlässt, geistlich unfrei wird“, so der Bischof von Essen. Doch der Papst-These, die Säkularisierung habe der Kirche Gewinn gebracht, widerspricht Overbeck. „Der Gewinn war am Anfang nicht da. Es hat 40 Jahre gedauert, bis sich die Kirche wieder neu aufgestellt hat.“
Und wenn nun die Kirchensteuer abgeschafft würde? Wenn sich die Kirche kleiner setzte? „Die Kirche kann Geld von ihren Gläubigen auch auf andere Weise erbitten, das gibt es ja auf der ganzen Welt“, räumt Overbeck ein. „Aber ich springe als Bischof auch nicht einfach aus unserer Geschichte und verzichte auf das, was wir an Gutem in der Welt, für Arme, für Kranke, bisher leisten konnten.“
„Ohne Kirchensteuer könnten wir viele Institutionen nicht mehr leiten“
Ohne verlässliche Mittel aus der Kirchensteuer „könnten wir viele Institutionen nicht mehr leiten“, hält er dagegen. Das Ruhrbistum würde beispielsweise Kindergärten aufgeben müssen. Im laufenden Jahr wende es nur für die Kitas 18,4 Millionen Euro auf. „Es würde auch bedeuten, dass wir uns von ganz vielen Mitarbeitern trennen müssten.“ Kirchengebäude, Pfarrhäuser würden nicht mehr renoviert. „Wenn wir etwa die Kindergärten nicht mehr unterhalten könnten -- wer sollte es tun? Die Städte mit ihren finanziellen Problemen?“
Aber eines muss auch Overbeck einräumen: Der Papst spielt den Kritikern der Kirchensteuer in die Hände. „Man kann durchaus den Deutungshorizont, wie er jetzt von politischen und auch innerkirchlichen Gruppen hergestellt wird, sehen. Weil dieses Wort dazu verleitet. Aber ich kenne aktuell keine direkte Äußerung von Papst Benedikt, die besagt: Schafft die Kirchensteuer in ihrer jetzigen Form ab.“