Oberhausen. .

466 kurze Filme an fünf langen Tagen: Sowas schaffen nur die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, die am Donnerstag ihre 57. Ausgabe in der Oberhausener Lichtburg eröffnen. Neben den Wettbewerben gibt’s auch „Das Kino der Tiere“.

Der Film aus Kanada hat nur eine Länge von gerade mal fünf Minuten. Für den Zuschauer aber sind sie quälend genug, denn in diesen 300 Sekunden sehen sie einer Forelle in verseuchtem Gewässer beim Verenden zu. Sie werden Zeugen eines schweren Todeskampfes, von ersten ruckartigen Krämpfen bis zur letzten Luftperle, die sich ihren Weg aus dem Fischmaul sucht. Konsequenter, als Gilles Blais das in „Water, Water, Everywhere. . .“ tut, kann man wohl kaum auf die Folgen der Umweltverschmutzung aufmerksam machen.

Der Film über den Tod der Forelle ist Teil des Themenschwerpunkts „Das Kino der Tiere“ bei den Oberhausener Kurzfilmtagen, die am Donnerstag anlaufen. Über 90 Beiträge aus über hundert Jahren Filmgeschichte haben der Biologe Cord Riechelmann und der Filmemacher und Kurator Marcel Schwierin zusammengetragen und sie in zehn Programme aufgeteilt. Der Besucher kann dabei jede Menge Entdeckungen machen, darf aber nur eins nicht erwarten: das leicht konsumierbare Tier-Feature, wie es im Fernsehen für ein Massenpublikum ge­pflegt wird. Riechelmann und Schwierin geht es um den Blick des Menschen auf das Tier, um Beziehungen zwischen Arten, um Instrumentalisierung und Zurichtung.

Es ist bezeichnend, dass bereits 1894 erste Aufnahmen eines Hahnenkampfes entstehen, man erlebt aufgehetzte Tiere neben den grinsenden Ge­sichtern ihrer Besitzer. Und schon zu Stummfilmzeiten präsentiert die amerikanische Wochenschau in der Absurditäten-Rubrik „Queerosities“ Pferde, die mit ihren Reitern von zehn Meter Höhe in einen Pool springen. Nicht weit davon entfernt bewegen sich die Werbespots des Autoherstellers Chevrolet, wo mal der Boxkampf zweier Katzen in­szeniert wird, mal das Auto als Fischfangeinrichtung Verwendung findet.

Seltsames, Skurriles und auch Erschreckendes gibt’s genug

Tierische Kurzfilmtage

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    Da fühlt man sich bei der rein wissenschaftlichen Form der Tierbetrachtung in der von Konrad Lorenz angeregten „Encyclopaedia Cinematographie“ schon besser aufgehoben, von der in Oberhausen diverse Beispiele gezeigt werden. Hier finden sich tausende von Bewegungsstudien verschiedener Tierarten, die reinste Form des Dokumentarfilms – ohne Kommentar, ohne Musik oder dramatisierende Schnitte.

    Seltsames, Skurriles und auch Erschreckendes findet sich im Programm ansonsten genug. In „Dog of My Dreams“ von Roz Mortimer beispielsweise wird das Verhältnis kleiner Mädchen zu großen Hunden thematisiert, bei dem eine erotische Komponente, so scheint’s, nicht auszuschließen ist. Die Schwedin Joanna Rytel geht da gleich den direkten Weg: Sie strippt vor Affen und masturbiert vor Katzen, nur um deren Reaktion filmisch zu konservieren.

    „Glauben Sie, dass diese Pinguine unglücklich sind?“

    Perlen im Programm

    Im Tierfilm-Programm der 57. Internationalen Kurzfilmtage finden sich auch große Namen. Romuald Karmakar steuert die vierminütige Studie „Esel mit Schnee“ bei. Von Comic-Pionier Winsor McCay stammt der Animationsfilm „How a Mosquito Operates“ (1912), von Experimentalfilmer Stan Brakhage „Mothlight“ (1963), ein Klebefilm mit Einzelteilen von Insekten. „Zimmerleute des Waldes“ (1954) ist ein DDR-Frühwerk von Heinz Sielmann.
    Termine während der Kurzfilmtage: 6., 7., 9. Mai je 12.30 Uhr und 20 Uhr, 8. 5. 12.30 Uhr und 22.30 Uhr, 10. 5. 12.30 Uhr und 17 Uhr.

    Wie sich die Zeiten ändern, merkt man an zwei Zoo-Filmen im Programm. Bernhard und Michael Grzimek singen 1953 in „Tiere ohne Feind und Furcht“ das Hohelied des Tierparks, in dem alle Arten offenbar das Paradies auf Erden erleben können: „Glauben Sie, dass diese Pinguine unglücklich sind?“ Mehr als drei Jahrzehnte später lässt der Trickfilmer Nick Park („Wallace und Gromit“) seine aus Knetmasse geformten Zootiere zu Wort kommen. Und siehe da: Man schimpft über zu wenig Wärme, zu engen Wohnraum und natürlich, wir sind ja in England, über das ständige Konservenfutter.

    Im Zoo auch hat die Künstlergruppe „Neozoon“ indem Streifen „Das Manteltier“ ein Experiment ge­filmt. Sie setzten mechanisch bewegte Pelzmäntel in einen Käfig des Münsteraner Zoos, erfanden die Beschreibung einer neuen Spezies und filmten die Reaktionen des Publikums, das nicht schlecht staunte über die haarigen Exemplare. Staunen ist auch die Vokabel, die am besten die Reaktion auf die Oberhausener Entdeckungen und Ausgrabungen in Sachen Tier beschreibt.