Essen. . In dem Abenteuerfilm „Der große Trip – Wild“ spielt Reese Witherspoon eine Frau, die auf einer langen, einsamen Wanderung zu sich selbst finden will.

Es gibt in Hollywood die recht eiserne Regel, dass man Filme mit Oscar-Chancen im Dezember platziert, weil die Erinnerung an sie dann noch frisch ist. Einer dieser Filme ist „Der große Trip – Wild“, ein moderner Abenteuerfilm, der auf einem persönlichen und ziemlich gut verkauften Erlebnisbericht fußt. Am Anfang sehen wir Reese Witherspoon, sehr zierlich von der Gestalt her, wie sie sich einen Rucksack aufzusetzen versucht. Sie hat das Ding derart voll und schwer gepackt, dass sie ihn kaum angehoben bekommt; sie muss den Sack auf den Boden legen und dann, als sie in die Schulterschlaufen geschlüpft ist, versuchen, aus der Rückenposition heraus auf die Füße zu kommen. Sie schafft es mit verzweifelter Kraftanstrengung, dann geht sie los.

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Letztes Jahr lief im Kino „Spuren“, ein Film nach wahrer Begebenheit, in dem Mia Wasikowska mit Kamelen Australien durchquert. Jetzt kommt das gleiche noch einmal ohne Kamele, als West Coast Story. Eine junge Frau folgt dem Pacific Crest Trail, einer abwechslungsreichen Wanderroute entlang der Rocky Mountains auf einer Strecke von 1760 Kilometern; zu Fuß versteht sich, und allein. Reese Witherspoon spielt Cheryl Strayed, die nicht nur einen viel zu schweren Rucksack zu schultern hat, sondern auch eine gescheiterte Ehe, Heroinsucht und den siechenden Tod ihrer geliebten Mutter.

Wie ein Rucksack gepackt wird

Auf der Wanderung will sie sich selbst finden, ist dann eben mal weg. Unterwegs gibt es eine gute Szene, da untersucht ein Herbergsvater Cheryls Rucksack und mistet konsequent allen überflüssigen Ballast aus; nur ein Buch möchte Cheryl behalten. Der Mann belächelt das, und man selbst hat als Zuschauer was gelernt übers Rucksackpacken und den Wert eines Buches. Davor sah man Cheryl mühsam mit einem Rucksack kämpfen, der ihrem eigenen Gewicht von etwa 45 Kilos zu entsprechen scheint. Am ersten Tag schafft sie fünf Meilen, acht Kilometer. Die Gurte haben schlimm in ihr Schulterfleisch eingeschnitten. Trotzdem sattelt sie am nächsten Tag wieder auf. Das muss furchtbar weh tun. Aber Cheryl geht immer weiter, unverletzt.

Es fällt schwer, dem Film fortan irgendetwas zu glauben, was auch daran liegt dass Regisseur Jean-Marc Vallée wie schon letztes Jahr bei „Dallas Buyers Club“ eine wahre Geschichte so inszeniert, als ob die Kamera dokumentarisch dabei sei. Dieser Ansatz kitzelt den Wahrscheinlichkeitskrämer im Zuschauer, man beginnt die Szenen auf ihre Plausibilität hin abzuklopfen. Was das Schlimmste ist, was einem Abenteuerfilm passieren kann. Das Drehbuch verfasste Nick Hornby, der sich offenkundig nur noch als Frauenversteher profilieren möchte; er sollte es bei seinen Wurzeln, Fußball und Rockmusik, belassen.

Ergänzt wird seine huldvoll heroisierende Vision femininer Selbstbestimmtheit durch eine Erzählweise, die schlimme Vergangenheit und zunehmend edle Gegenwart in nerviger Verschachtelung dem poetischen Jubelschluss an einer Brücke entgegensteuert. Es gibt dabei gute Szenen, Ansätze zu sehr guten Szenen und ganz generell zu viel Reese Witherspoon. Im Gesamtwurf liegt das etwa in der Mitte zwischen Hape Kerkelings Wanderlust und Männern vom Schlage eines Jack London. Aber da ging es auch um Überlebenskampf.
Wertung: drei von fünf Sternen