Essen. Die Gewalttäter und Hetzer von Köln haben Polizei und Politik überrascht – und die Republik aufgeschreckt. Die neue Allianz von Rechtsextremen und Hooligans alarmiert die Behörden. Bei Maybrit Illner im ZDF kündigte ein Minister einen ungewöhnlichen Vorstoß an.
Rainer Wendt ist Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft und wenn man ihn bei seinen Talkshow-Auftritten beobachtet, bekommt man leicht den Eindruck: den Mann könnte man nachts um 3 Uhr wecken und das erste was er tut ist – mehr Geld, Personal und Fahndungsmittel für die Polizei fordern. Aber selten platzt Wendt dabei der Kragen dermaßen wie am Donnerstagabend beim Maybrit Illners TV-Talk über die jüngsten Krawalle von 5000 rechtsextremen Randalierern in Köln.
Islamisten und Salafisten, polterte Wendt, die gehörten ja seit längerem „zum Wochenendprogramm“ der Polizisten. Und nun kämen noch „Syrien-Heimkehrer und Hooligans“ und andere Krawallmacher hinzu, um die sich die ohnehin stark belasteten Beamten kümmern müssten. „Das kann man bei diesem Personalbestand nicht leisten“, beschwerte sich Wendt lautstark. Mehr Geld müsse her, um die Polizisten entsprechend auszurüsten. Denn: „Was nix kostet, is auch nix!“
Doch ist es wirklich allein das fehlende Geld, das Polizei wie Politik so hilflos im Kampf gegen extremistische Gewalttäter erscheinen lässt? Peter Neumann sieht das nicht so. Der Direktor des Internationalen Zentrums für Studien zur Radikalisierung am Londoner King’s College sieht eher die Gesellschaft in der Pflicht. „Es geht nicht nur um die bösen Nazis“, so Neumann, der auch in England, ähnlich wie jetzt in Köln, „breitere Koalitionen“ gewalttätiger Gruppen bei Ausschreitungen beobachtet hat. Neumanns Diagnose: „Deutschland hat kein Konzept für die Prävention, keine Strategie.“ Ein Modellprojekt hier, eine Telefon-Hotline dort: „Kraut und Rüben.“
Hilflos von einem Aspekt zum nächsten springen
So hätte ein bisschen auch das Motto des Illner-Talks lauten können. Hilflos ließ die Gastgeberin ihre Diskutanten von einem Aspekt zum nächsten springen, ohne dem Palaver Herr zu werden.
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Während die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen aus Bochum etwa permanent bemüht war, den Blick auf die Neonazis zu richten („Wir haben es mit einer neuen Welle rechtsextremer Gewalt in Deutschland zu tun“) und die Polizei („Sie hat nicht genau genug hingeschaut“) attackierte, forderte der Kabarettist Serdar Somuncu, „Ex-Türke“ (Somuncu) mit deutschem Pass, immer wieder, die Randalierer von Köln für die von ihnen verursachten Schäden haftbar zu machen: „Jeder Falschparker kriegt ein Knöllchen. Wann werden die zur Rechenschaft gezogen?“
Ausweitung der Kampfzone
Doch wer sind „die“? Neonazis waren in Köln mit dabei, auch Rocker, auch ein paar Krawallmacher mit Palästinensertüchern wurden gesichtet. Und dann eben Hooligans, die ihr Fußball-Umfeld verlassen hatten, um – in dieser Dimension erstmalig – gemeinsame Sache mit den Rechten zu machen.
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Für Justizminister Heiko Maas ein Alarmsignal. „Dass sie zu so einer Gewalt in der Masse fähig sind“, so der SPD-Politiker, habe die Behörden überrascht. Er droht nun den Hooligans mit einer Ausweitung der Kampfzone: Sollte sich bewahrheiten, so Maas, dass sich die Hooligans mit Neonazis und Rechtsextremen zusammen tun, müsse man überlegen, „diese Gruppe vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen“.
Dann wird man die Geheimdienstler womöglich künftig in der Fankurve antreffen - um undercover zu ermitteln.