Weinstadt/Stuttgart. Ein rosa Telefon, eine meterhohe Jesus-Statue und abgefahrene Formel-1-Reifen - alles unter einem Dach. Der Fundus des Südwestrundfunks bei Weinstadt beheimatet viele Kuriositäten. Allerdings nicht mehr lange. 2015 soll das Lager aufgelöst werden.
Die zerschlissene schwarze Hose und die Flecken auf dem weißen Hemd lassen es erahnen: Dieser Mann hat einiges mitgemacht. "Den haben wir vom Dach gestürzt, überfahren wurde er auch schon, und einmal musste er sogar als Moorleiche herhalten", sagt Werner Hansen vom Südwestrundfunk (SWR) und zeigt auf einen Dummy. Unter Kommissar Bienzle kam die menscheenähnliche Puppe beim Stuttgarter "Tatort" schon mehrere Male zum Einsatz.
Um sie herum tummeln sich im Fundus in Weinstadt bei Stuttgart die unterschiedlichsten Requisiten aus mehr als 50 Jahren Fernsehgeschichte. "Über die Jahre sind die einzelnen Stücke zu wahren Schätzen geworden", sagt Hansen. Doch die große Schatztruhe soll es bald nicht mehr geben: Dem Dummy, Masken, Kannen und Bildern steht ein großer Umzug bevor.
Das Lager soll im Laufe des Jahres 2015 aufgelöst werden. Ein davon betroffener Mitarbeiter soll in eine andere Abteilung wechseln. Requisiten, die für künftige Produktionen eingeplant sind, kommen in den großen SWR-Fundus nach Baden-Baden oder in ein kleines Lager im Stuttgarter Hauptgebäude. Alle anderen Stücke gehen in den Besitz der Staatstheater Stuttgart über.
Requisiten darf der SWR weiter benutzen
Der SWR darf die Materialien weiterhin kostenfrei für seine Sendungen nutzen. Für vorerst zehn Jahre soll diese Kooperation zwischen Sender und Staatstheater gehen. "Wie es danach weitergeht, weiß ich nicht", sagt Rita Neininger, Leiterin der Ausstattung beim SWR.
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Man habe bewusst einen so langen Zeitraum gewählt, um ausreichend Erfahrung zu sammeln, sagt ein Sprecher der Staatstheater. Vor Ablauf des Vertrages wolle man schauen, wie es weitergehen könne. Die Staatstheater versprechen sich eine Win-Win-Situation. Man sei gemeinsam dem kulturellen Grundauftrag verpflichtet, dem man so auch wirtschaftlich besser gerecht werden könne.
Mit der Auslagerung des Fundus und dem Verkauf der Lagerhalle will der SWR Kosten einsparen. Wie hoch der Unterhalt und die laufenden Betriebskosten ist, sagte eine Sprecherin allerdings nicht.
Rosa Telefon und abgefahrene Formel-1-Reifen
In Weinstadt lagern auf rund 2000 Quadratmetern und über zwei Etagen verteilt die unterschiedlichsten Requisiten: Abgefahrene Formel-1-Reifen liegen in Regalen, ein antiker Tisch, extra für eine Kindersendung rosa bemalt, steht neben einer hölzernen Jesus-Statue. "Da saß sogar schon Günther Netzer während der Sportschau", erzählt Neininger und zeigt auf einen weißen, in die Jahre gekommen Stuhl.
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Seit Ende der 1960er-Jahre sind viele Kommoden, Tische und Sitzgarnituren eingelagert worden - eine ganze Etage steht voll. "Hat man Requisite, hat man auch Fundus", sagt Neininger. Der Gesamtwert lässt sich nur schwer beziffern. Der Übernahmewert beläuft sich nach Angaben des SWR wohl auf rund 150.000 Euro, der ideelle Wert liegt für Neininger aber weitaus höher. "Viele Dinge sind für uns von großer Bedeutung, weil wir sie nirgendwo anders finden können", sagt sie und deutet auf ein Schrankbett. Wenn überhaupt bekomme man solche Raritäten nur auf einem exquisiten Flohmarkt in Paris.
Schon seit 1998 denkt der SWR über die Schließung des Lagers nach. Seit dem Zusammenschluss von SDR (Süddeutscher Rundfunk) und SWF (Südwestfunk) besitzt der SWR zwei große Lager - und damit eines zu viel. Man habe seitdem einen geeigneten Kooperationspartner gesucht.
BR lagert Requisiten in den eigenen vier Wänden
Die Rundfunkanstalten gehen unterschiedlich mit ihren Requisiten um. Das hängt sowohl von der Infrastruktur als auch von möglichen Partnern ab. Der Bayrische Rundfunk (BR) hat sich beispielsweise dazu entschieden, seine Requisiten in den eigenen vier Wänden zu lagern. Man habe so nur einmalige Anschaffungskosten und die Wege seien kürzer. In Zukunft will der BR weiter daran arbeiten, die Lagerflächen und Bestände im Zuge der Sparzwänge zu reduzieren.
Diesen Sparzwängen muss nun auch das Lager in Weinstadt Tribut zollen. Bislang war es gleichermaßen für den Privatgebrauch offen. Unter anderem die Studenten der Filmakademie in Stuttgart konnten davon profitieren und die Kuriositäten für einen geringen Betrag ausleihen.
"Hier finden wir einfach alles, ohne lange suchen zu müssen", sagt eine Studentin. Sie ist mit ihrer Regisseurin auf der Suche nach Stühlen für einen spanischen Film. Die Staatstheater aber wollen die Requisiten nicht für jedermann zugänglich machen.
Die Räumung des Lagers ist zwar beschlossene Sache, doch noch werden weitere Kuriositäten eingelagert. Auch das Moderations-Pult, noch vor Wochen während der Fußball-Weltmeisterschaft an der Copacabana, soll zumindest ein halbes Jahr in Weinstadt beheimatet sein. (dpa)
Die Tatort-Kommissare