Essen. Frank Plasberg diskutiert in „Hart aber fair“ die Schweizer Frage. Zunächst müssen sich seine Gäste jedoch auf einen gemeinsamen Diskussionsgegenstand einigen. Handelt es sich bei der Entscheidung um Nationalismus oder Volkssouveränität? Und sind Zuwanderer Chance oder Belastung für ein Land?
Die Deutschen sind empört über die Entscheidung der Schweiz. Doch warum eigentlich? Frank Plasberg versucht das in „Hart aber fair“ zu klären. „Die Schweiz stoppt Zuwanderer – Alarmsignal für Europa?“ lautete der Titel der Sendung. Zu Gast waren deutsche Politiker, Wirtschaftswissenschaftler und ein Schweizer, der die Entscheidung seines Landes tapfer verteidigte.
„Es geht um Selbstbestimmung“, fasst Roger Köppel, Chefredakteur des Schweizer Wochenmagazins „Weltwoche“ den Grund für den Schweizer Volksentscheid zusammen. Angeblich ginge es weniger um der Angst vor Armutszuwanderern und Arbeitslosigkeit, sondern um die Emanzipation von der Europäischen Union. Dass die Schweizer schon immer gerne ihr eigenes Süppchen kochten, weiß man mittlerweile. Warum also die Aufregung?
Schadet die Schweiz ihrer eigenen Wirtschaft?
Fast alle anderen Talkgäste stellten sich auf die Seite der EU. Rolf-Dieter Krause, Leiter des ARD-Studios in Brüssel, verstand nicht, wie man Personenfreizügigkeit, also unbeschränkte Zuwanderung, von Handelsfreizügigkeit abkoppeln kann: „Die Freizügigkeit ist der Kern der EU. Wenn sie das aufgibt, kann sie einpacken.“ Wenn die Schweiz sich von den Zuwanderungsbestimmungen distanziere, dürfe sie auch keine Vorteile in anderen Bereichen erwarten.
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Der Wirtschaftswissenschaftler Michael Hüther sah die angebliche Misere der Schweiz nicht im Verhältnis zur EU, sondern in den Auswirkungen auf die Binnenwirtschaft. Unter der beschränkten Zuwanderung würde das Wirtschaftswachstum empfindlich leiden. Der Wohlstand der Schweizer wäre also bald Vergangenheit.
Einzig Bernd Lucke, Sprecher der Anti-Euro-Partei, stellte sich auf Köppels Seite. Daran, dass die Schweizer ihre kontrollierte Zuwanderung behalten wollten, wie er seine Gesprächspartner immer wieder korrigierte, sei nichts auszusetzen. Auch die Deutschen sollten EU-Entscheidungen nicht einfach so hinnehmen.
„Die europäische Freizügigkeit ist nicht mit ja oder nein zu entscheiden.“
Im Laufe der Sendung wurde aber immer klarer, dass nicht die Selbstständigkeit der Schweiz für Empörung sorgt, sondern offenbar der Neid der Deutschen. Bei einer Umfrage in Neuss äußerte sich die Mehrheit der von der Redaktion befragten Passanten positiv zum Volksentscheid. So etwas solle es in Deutschland auch geben, lautete die Meinung der meisten. Dabei, erklärte Frank Plasberg anschließend, ließen sich Deutschland und die Schweiz beim Thema Zuwanderung gar nicht vergleichen. 23,3 Prozent der Einwohner der Schweiz seien Ausländer, dagegen nur 8 Prozent der deutschen Bürger. Sind die Deutschen vielleicht gar nicht empört darüber, dass zum ersten Mal die Erfahrung machen, „unerwünscht zu sein“, wie Rolf-Dieter Krause es formulierte, sondern neidisch?
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Christine Haderthauer, CSU, kann das teilweise nachvollziehen. Schließlich, so wurde sie nicht müde zu betonen, kämen auch sehr viele Zuwanderer in Deutschland aus Rumänien und Bulgarien. Und Menschen aus diesen EU-Ländern scheinen in den Augen der Politikerin allesamt Sozialschmarotzer zu sein. Dagegen betonten Ralf Stegner von der SPD und Wirtschaftswissenschaftler Hüther, dass die deutsche Wirtschaft und auch das deutsche Rentensystem auf Einwanderer angewiesen seien. Die beiden meinten jedoch nur die Akademiker und Facharbeiter. Also die wertvollen Zuwanderer. Wenn man die einen einlädt, darf man die anderen dann ausschließen?
„Die europäische Freizügigkeit ist nicht mit ja oder nein zu entscheiden“, erklärte Stegner schon zu Beginn der Diskussion. Die Auswahl zwischen zwei Kreuzchen auf einem Zettel reicht offenbar nicht, um die Weichen eines Landes neu zu stellen. Vielleicht sind es weder der Alleingang der Schweizer noch der Neid der Deutschen, der für Empörung sorgt, sondern dieses Schwarz-Weiß-Denken: Ganz oder gar nicht, und nichts dazwischen.