Mainz. Sechs Protagonisten aus Deutschland reisen für eine TV-Doku in die Heimat von Asylsuchenden. Ist das eine moderne Darstellung der Flüchtlingsproblematik oder Voyeurismus? Die Meinungen gehen auseinander. So findet die Organisation Pro Asyl, die Sendung gleite ins Geschmacklose ab.

Mit der TV-Reihe "Auf der Flucht - das Experiment" hat sich das ZDF teils recht deutliche Kritik eingehandelt. Die Organisation Pro Asyl sieht in den Folgen "Züge eines voyeuristischen Eindringens in das Elend von Flüchtlingen". Der Geschäftsführer und Pro-Asyl-Mitbegründer Günter Burkhardt sagte am Freitag in Frankfurt: "Flucht ist kein Spiel. Es gleitet ins Geschmacklose ab, wenn deutsche Protagonisten so tun, als ob sie Flüchtlinge seien." Allerdings seien die Aussagen der Flüchtlinge, die zu Wort kommen, beeindruckend und sie machten das Elend emotional für eine oft desinteressierte Öffentlichkeit erfahrbar.

Das ZDF verteidigte das Format mit dem Argument, das in Deutschland viel und kontrovers diskutierte Thema werde durch die dokumentierte Reise nachvollziehbar gemacht. Für die vierteilige Dokureihe in ZDFneo, die am Donnerstag das zweite Mal lief, hatte der Sender sechs Männer und Frauen unter anderem in Heimatländer von Asylsuchenden geschickt - nach Eritrea und in den Irak.

Vier der sechs Teilnehmer sind unbekannt

"Flüchtlinge auf Zeit" sind die Schauspielerin Mirja du Mont, Nazi-Aussteiger Kevin Müller, Ex-Böhse-Onkelz-Bassist Stephan Weidner, Streetworkerin Songül Centinkaya, Autorin Katrin Weiland und der Ex-Bundeswehrsoldat Johannes Clair. Die Kamera begleitet sie etwa beim Besuch eines Lagers in Griechenland, beim Gespräch mit Schleppern und bei einer Überfahrt mit einem Flüchtlingsboot.

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"Die sechs Protagonisten stehen stellvertretend für Haltungen in der Asyldebatte, denen wir jeden Tag begegnen oder die wir sogar selbst vertreten", sagte ZDFneo-Chefin Simone Emmelius im Interview mit dem "Tagesspiegel". Die Prominenz einzelner Teilnehmer - vier der sechs sind unbekannt - habe dabei nicht im Vordergrund gestanden, vielmehr die Vielfalt der Meinungen und deren Entwicklung während der Reise.

Doku will anderes Publikum erreichen

Es gebe bereits zahlreiche klassische Dokumentationen, die im Zweifelsfall immer das gleiche Publikum erreichten. "Der für die Doku-Reihe gewählte Weg ist es, den Zuschauer emotional miterleben zu lassen, wie sich diese Haltung relativiert, wenn die Protagonisten in Situationen kommen, die sich - weitaus schutzloser und lebensbedrohlicher - in den Flüchtlingsschicksalen wiederfinden." Die Sicht der Flüchtlinge werde unter anderem im Online-Auftritt zur Sendung gezeigt. Nach den Worten von Emmelius ist nicht geplant, die Reihe zu stoppen. Dies fordern zwei Internet-Petitionen, die am Freitag nach Angaben der Initiatoren rund 20.000 Unterzeichner hatten.

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) hatte das ZDF bei den Recherchen unterstützt. Eine offizielle Einschätzung zu der Reihe wollte die Organisation nicht abgeben, wie ein Sprecher in Berlin mitteilte. "Es ist aus unserer Sicht immer grundsätzlich zu begrüßen, dass auf das Thema Flucht und das damit verbundene Leid der betroffenen Menschen aufmerksam gemacht wird." Selbstverständlich habe das UNHCR keinen Einfluss auf die Konzeption des Formats gehabt, das in Australien entwickelt worden sei. Auch im Hauptprogramm des ZDF wird "Auf der Flucht" als Zusammenfassung zu sehen sein - am 4. September ab 23.45 Uhr. (dpa)