Köln. . Sonia Mikich hat kürzlich die Moderation des ARD-Politmagazins „Monitor“ aufgegeben. Gleichwohl bleibt die 61-Jährige verantwortlich für das Format. Und sie hat Zukunftspläne für die traditionsreiche Sendung. Einen Ableger der Sendung im dritten Programm könnte sie sich vorstellen.
Niemals geht man so ganz. Sonia Mikich hat sich gerade als Moderatorin vom ARD-Politmagazin „Monitor“ verabschiedet. Doch der Sendung bleibt die 61-Jährige erhalten – als Programm-Verantwortliche. Jürgen Overkott traf die entspannte TV-Frau in ihrem Kölner WDR-Büro.
Ausgerechnet in Ihrem Büro steht ein Schild „Politische Gespräche verboten“. Wo haben Sie das denn her?
Sonia Mikich: Das hat man mir mal geschenkt. Ich vermute, es kommt aus der ehemaligen Tschechoslowakei, und ich vermute, es stammt aus der grauen Zeit. (Mikich zeigt auf ein großformatiges Foto an der Wand, das zwei offensichtlich unglückliche Mädchen inmitten von Kriegsruinen auf schlammigem Untergrund zeigt). Grosny. Die beiden Mädchen habe ich quasi adoptiert, im Tschetschenien-Krieg habe ich ihre Spur immer wieder verfolgt, sie sind später nach Frankreich geflohen, und irgendwann habe ich sie nicht mehr gefunden.
Erzählt Ihr Büro Ihre Lebensgeschichte?
Mikich: Nee, aber meine Vorlieben. Das Russische, die Emanzipation der Frau, Alexander der Große (ein Film-Plakat), die Kunst.
Welche Art von Kunst?
Mikich: Die pure, abstrakte Kunst. Wenn wir bei den Bildern bleiben: Rothko. Dessen Bilder - da kamen mir Tränen in die Augen.
Und die Kunst der Gesprächsführung - wie steht’s damit?
Mikich: Das werden wir ja jetzt sehen, wer wen führt.
Zweieinhalb bis dreieinhalb Millionen Zuschauer
Am besten sind die Gespräche, die wie ein Tango laufen: Letzten Endes hängt es von beiden ab. Wenn wir zu Ihrem Ausscheiden als Chefin von „Monitor“ kommen, dann muss man mit Blick auf die Talkshows sagen: Die große Zeit der Polit-Magazine scheint vorbei.
Mikich: Nein, es ist immer so: Die Talkshows waren „the new kid on the block“ (die Neuen, Red.), und deshalb haben sie die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, bis heute. Aber überlegen Sie mal: Die Polit-Magazine sind seit 40, 50 Jahre dabei und halten sich erstaunlich tapfer, sie machen unbeirrbar journalistisches Schwarzbrot, sind nahrhaft, kein Fast Food. Wir weisen auf Defizite hin, wir weisen auf Skandale hin, Menschenrechtsverletzungen, Korruption, Machtmissbrauch in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Das hat eben nicht so viel Sex-Appeal wie eine Talk-Show. Und trotzdem schalten uns über die Jahre jede Woche zwischen zweieinhalb und dreieinhalb Millionen Zuschauer ein.
Wer hält Ihnen die Treue?
Mikich: Zum Teil die Älteren und Alten, diejenigen, die mit den Polit-Magazinen groß geworden sind. Ich merke aber auch immer wieder, dass sich ganz Junge für unsere Themen interessieren, für Ökologie-Themen beispielsweise und Gerechtigkeitsthemen. Aber die Jungen müssen uns finden, und das liegt nicht in unserer Macht. Wenn wir vor „Monitor“ eine Degeto-Wiederholung haben, dann stellt sich heraus: Sie passt nicht zu uns, diese Zuschauer bleiben nicht dran. Bei anderen Unterhaltungsangeboten ist das anders. Es gibt Shows, deren Publikum sich anschließend Hardcore-Journalismus reinzieht.
Und dann gibt es noch den Sport...
Mikich: ...aber wir treten immer an. Wir büchsen nicht aus.
Der Zuschauer - das unbekannte Wesen
Man kann ein Gegenprogramm als Herausforderung begreifen. Haben Sie herausgefunden, welche Themen funktionieren?
Mikich: Es gibt zwei Strategien, und ich kann mich nicht entscheiden, welche die schlauere ist. Manche Magazine sagen: Nach einer Arzt-Serie fangen wir mit einem Medizin-Thema an. Andere sagen: das Härteste, Relevanteste nach vorn. (kleine Pause) Ich neige eher dazu.
Ich denke das jetzt böse zu Ende: Das Publikum findet heraus, dass das Wichtigste immer zuerst gesendet wird, und steigt danach aus.
Mikich: Nein! Sie führen mich aufs Glatteis. Wenn ich allerdings wüsste, wie ich die perfekte Themenkombination mache, wäre ich Millionärin. Keiner weiß es. Die Medienforschung kann nur einen Hinweis geben. Es gibt keine zementierten Regeln.
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Der Zuschauer - das unbekannte Wesen.
Mikich: Sehen Sie, es gibt doch auch so etwas wie Tagesform des Zuschauers. Worüber will man gerade mehr wissen? Manchmal gehen auch mir Kritik und Miesmacherei auf den Senkel, und manchmal kann ich mir nichts Spannenderes vorstellen.
Reicht dem Publikum das Angebot?
Mikich: Für mein Gefühl kommen wir zu selten vor, und dann auch nur 30 Minuten. Es gibt zu viele Themen, für die wir keine Zeit haben.
Ableger im Dritten gewünscht
Wie wäre es mit einem Ableger von „Monitor“?
Mikich: Ich finde, dass „Monitor“ unheimlich viel Gutes macht, ich wünsche mir im Dritten einen Ableger. Ob es dazu kommt, weiß ich nicht. Wenn man sein Angebot vergrößert, müsste ein anderer verzichten. Ich wüsste nicht, wer freiwillig weichen möchte...
Dient „Panorama“ mit seinem Ableger im NDR-Fernsehen als Blaupause?
Mikich: Das kann man so machen. Man kann es aber auch anders machen. Ich setze darauf, dass die beiden Redaktionen viel stärker als heute zusammenarbeiten, ohne ihre Marken dabei aufzugeben. Großer Journalismus, Synergie und Profilschärfung.