Der Trägerverein Altes Rathaus stellte gestern sein neues Programm fürs erste Halbjahr 2008 vor.Darin geht's um Politik, Religion, Literatur und Musik, aber auch um Wein und Schokolade
Dorsten. Das Publikum sitzt an einem großen Tisch. Dann tritt der Führer auf, hält einen Monolog - wie im Führerhauptquartier, auch dort hat kein anderer ein Wort gesagt. "Ich hatte die ganze Zeit ein ganz merkwürdiges Gefühl", erinnert sich Franz-Josef Stevens, der das Theatersolo schon eimal in Münster live erlebte. Jetzt hat er "Hitlers Tischgespräche" nach Dorsten geholt.
Die Veranstaltung ist eine der ersten, die der Trägerverein Altes Rathaus im ersten Halbjahr 2008 zu bieten hat. Und es ist eine von dreien, die sich höchst unterschiedlich mit den langen Schatten der Vergangenheit auseinandersetzen. Das Theatersolo bestreitet der Münsteraner Schauspieler und Kabarettist Andreas Breiing am Dienstag, 15. Januar, einmal vormittags für Schüler des Petrinum und abends um 19.30 Uhr für ein Publikum, das sich auf eine 45 Minuten lange Begegnung mit Hitler einlassen will. Danach stehen Regisseur und Schauspieler für Fragen bereit. "Ich bin jedenfalls", so Stevens, "gespannt auf die Reaktion der Zuhörer."
Im Spiegel neu zugänglicher vatikanischer Quellen beleuchtet der angesehene Kirchenhistoriker Prof. Dr. Hubert Wolf am Donnerstag, 10. April, das Verhältnis des Vatikans zur NS-Ideologie. Neu erörtern will die langjährige Polen-Korrespondentin der "Zeit", Dr. Helga Hirsch, das Thema Vertreibung. Am Donnerstag, 17. April, zeichnet sie - selbst Kind von Vertriebenen - anschaulich und sensibel die Flucht- und Lebenswege von Polen, Deutschen und Ukrainern nach.
Nicht nur Historisches steht im Mittelpunkt des facettenreichen Programms im Alten Rathaus. "Die Dorstener haben auch ein großes Interesse am Zeitgeschehen, an Literatur und Musik", wissen die Ehrenamtlichen des Trägervereins - zumal in der besonderen Atmosphäre des Gebäudes im Zentrum der Stadt. Und so legen sie ein besonderes Augenmerk auf das politische Geschehen in Russland, Frankreich und der Bundesrepublik vor, zwischen und nach wichtigen Wahlen.
"Sehr erfreut" ist Franz-Josef Stevens über die Zusage einer Referentin, deren "glasklaren Blick auf Russland" er so schätzt: Sonia Mikich, langjährige ARD-Korrespondentin für Moskau und resolute Kritikerin, geht am Mittwoch, 5. März, der Frage nach: "Wohin treibt Russland?" Über das Privatleben Nicolas Sarkozys berichten andere - der Trägerverein hat Frankreichkenner Heiko Engelkes eingeladen, um am Donnerstag, 8. Mai, die Frage zu klären, ob der neue Präsident das Land rettet oder ruiniert. Mit dem "Regieren und Wählen in der Aufregungsdemokratie" schließlich setzt sich der Duisburger Politikwissenschaftler und ZDF-Wahlanalyst Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte am Dienstag, 29. April, auseinander.
Der Islam bleibt ein Thema im Alten Rathaus. Der Berliner Islamwissenschaftler Dr. Michael Lüders stellt am Dienstag, 19. Februar, sein Buch "Allahs langer Schatten" vor. Was Bibel und Koran verbindet und trennt erläutert Dr. Franz-Josef Ortkemper, Direktor des Kath. Bibelwerks, am Mittwoch, 23. April.
Auch praktische Tipps gibt's im Alten Rathaus. Um bares Geld geht es am Montag, 21. Januar, wenn Franz-Josef Ellers vom Studentenwerk Münster übers Bafög informiert und gleichzeitig auf die Frage antwortet: "Studium - nur noch für Reiche?" Das Ehrenamt steht am Mittwoch, 14. Mai, im Mittelpunkt. Alfred Woltsche widmet sich dem Thema "Steuervorteile für freiwillige Helfer".
Weil der Trägerverein Altes Rathaus auch gern "bemerkenswerte Leute aus Dorsten" einlädt, ist am Donnerstag, 6. März, Martin Fleckenstein mit von der Partie. Er hat den Jakobsweg per Rad erfahren und berichtet über faszinierende Erlebnisse und die persönliche Bedeutung seiner fünfwöchigen Reise von Dorsten nach Santiago de Compostela.
Pures Vergnügen in lukullischer, literarischer und musikalischer Hinsicht bieten diese drei Termine: Den Programm-auftakt bestreiten Karin Oehler (Gesang) und Stefan Engels (Kontrabass) am Sonntag, 13. Januar, mit ihren französischen und englischen "Schokoladenliedern extraherb". "Wein & Schokolade. Zwischen zartem Schmelz und Bacchus' Freuden" schwelgen die Besucher dann am Freitag, 1. Februar, mit der Recklinghäuser Weinfachfrau Ingeborg Molitor. Etwas deftiger wird's schließlich am Freitag, 29. Februar, mit den "Koplecks" alias Inge Nagierski und Sigi Domke. Die servieren keinen Schampus, sondern - wie's sich fürs Ruhrgebiet gehört - "Schnittkes mit Kornett Beff drauf". AZ