Köln. . NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ist zum Auftakt des Medienforums NRW am Montag in Köln ein Kunststück gelungen. Auf ihre medienpolitische Grundsatzrede erhielt die 51-Jährige durchweg positive Reaktionen.
Festen Schrittes stapfte Hannelore Kraft zum Rednerpult, und mit fester Stimme sprach die Regierungschefin zum voll besetzten Saal im Staatenhaus auf dem Kölner Messe-Gelände. Mut zur Farbe hatte die Mülheimerin auch. Ihr Dress erinnerte an einen Film-Klassiker mit Whoopie Goldberg: Die Farbe Lila. Obendrein hatte sie Schmuck gewählt, der sich zwischen Bürgermeisterkette und Sträflingsmontur nicht recht entscheiden konnte. Dabei war ihre Botschaft das exakte Gegenteil: weniger Ketten für die Medienwirtschaft. Krafts Rede enthielt im Wesentlichen Zückerchen für alle Teilbranchen. Ihr Credo Vielfalt dürfte auch dem breiten Publikum gefallen.
Den Rundfunkgebührenzahlern versprach Kraft, sich dafür einzusetzen, dass die Mediatheken von ARD und ZDF ihre Inhalte künftig länger im Internet vorhalten dürfen. Bisher gilt eine Frist von sieben Tagen. Den Gebührenzahlern stellte Kraft überdies in Aussicht, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen „nicht teurer“ werden dürfe.
Den gebührenfinanzierten Sendern sagte Kraft Unterstützung für den Ausbau ihres Internet-Angebotes zu. ARD und ZDF wollen damit beim jungen Publikum punkten. Allerdings gibt es zwischen dem gebührenfinanzierten Fernsehen und den Zeitungsverlagen Konfliktfelder im Netz. Eines davon: die kostenlose „Tagesschau“-App der ARD.
ARD hat Präsenz im Internet massiv ausgebaut
Zum Streit zwischen Verlagen und ARD um die App sagte Kraft, sie setze auf eine konstruktive Lösung der Beteiligten. Im August muss das Landgericht Köln ein Urteil fällen. Ein Vergleich war im Frühjahr gescheitert.
Die ARD hat ihre Präsenz im Internet massiv ausgebaut. Der Senderverbund beruft sich auf eine staatsvertraglich festgeschriebene Entwicklungsgarantie des öffentlichen Rundfunks. So gibt es neben der „Tagesschau“ im Fernsehen die Internet-Ausgabe „tagesschau.de", eine Kurzfassung namens "tageswebschau.de" sowie die "Tagesschau"-App für Smartphones und weitere mobile Empfangsgeräte. Das Angebot der ARD ist kostenlos.
Die Verleger sehen in dem Angebot unfaire Konkurrenz zu ihren kostenpflichtigen Apps. Sie werfen der ARD ferner vor, die „Tagesschau“-App sei mit einem hohen Textanteil zu presseähnlich. Das sei rechtswidrig, heißt es bei den Verlegern.
Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Zeitungsverleger, Helmut Heinen, erklärte zum Streit um die App, er strebe eine pragmatische Lösung an. Sollten die Verlage vor Gericht scheitern, sei die Politik gefordert.
Bis zu zehn Millionen Euro für junge Unternehmen in Digitalbranche
Den Zeitungsverlagen versprach Kraft, das Pressefusionsrecht zu lockern. Künftig sollen Sanierungsfusionen möglich sein. Zudem will Kraft eine staatsfern organisierte Stiftung namens "Vielfalt & Partizipation" gründen. Sie soll Journalisten im Rahmen von Bildung und Weiterbildung Geld für Recherche-Projekte bereitstellen.
Beim Privatfernsehen will die Landesregierung zudem „umdenken“. Kraft deutete an, dass die werbefinanzierten Sender mehr Möglichkeiten zur Selbstregulierung erhalten könnten. Bisher werden die Sender von den Landesmedienanstalten kontrolliert.
Jungen Unternehmen in der Digitalbranche stellt die Landesregierung einen Topf von bis zu zehn Millionen Euro zur Verfügung. Die Film- und Medienstiftung NRW soll das Geld verteilen.
Kraft will Rolle des Rundfunkrats stärken
Kraft stärkt zudem die Wert der Vermittlung von Medienkompetenz in NRW-Schulen. Sie kündigte an, dass das Thema vom kommenden Schuljahr an in allen Grundschulen auf dem Stundenplan steht. Das Projekt soll auch in der Sekundarstufe eins der weiterführenden Schulen stattfinden.
Die ARD-Vorsitzende und WDR-Intendantin Monika Piel, der Präsident des Privatfernsehverbandes VPRT, Jürgen Doetz, und der Präsident des Bundes Deutscher Zeitungsverleger, Helmut Heinen, zeigten sich im Wesentlichen zufrieden mit Krafts Auftritt. Doetz sprach von einer „ganz erstaunlichen Regierungserklärung“.
Allerdings hatte Kraft, nur wenige Stunden vor der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages, nicht alles zum Besten gegeben, was ihre rot-grüne Koalition vorhat. Ein Punkt nämlich dürfte beim WDR nur mittlere Begeisterung auslösen: Kraft will die Rolle der Gremien stärken. Rundfunk- und Verwaltungsrat, so heißt es, sollen eigene Etats erhalten. Bisher hängen sie am Tropf der Intendanz.
Der Rundfunkrat um Ruth Hieronymi ist ohnehin eine selbstbewusste Einrichtung. Ob Box-Rechte oder Talk-Überfülle: Das Gremium hält mit seiner Meinung nicht hinterm Berg.