Essen. „Die Salafisten kommen – gehört dieser Islam zu Deutschland?“ Diese Frage stellte Sandra Maischberger ihren Gästen im Talk bei der ARD. Die Runde geriet dabei zu einem harten Schlagabtausch zweier religiöser Hardliner - und zeigte tiefe Gräben zwischen den Glaubensrichtungen auf.
Nach den Ausschreitungen gewalttätiger Salafisten am vorvergangenen Wochenende in Bonn hat sich Sandra Maischberger in ihrer Sendung dem kontroversen Thema „Islam und Salafismus“ gewidmet. Die ARD-Talkerin thematisierte dabei radikale Strömungen innerhalb des Islams ebenso wie die gesellschaftliche Stigmatisierung der rund vier Millionen in Deutschland lebenden Muslime als Extremisten. Die hitzige, zum Teil polemische geführte Diskussion bewies einmal mehr, dass mit einer entspannten, von gegenseitiger Toleranz getragenen Annäherung zwischen Christentum und Islam wohl so bald nicht zu rechnen ist.
Als besonders krawallige Gäste entpuppten sich dabei der Journalist Matthias Matussek – bekennender Katholik – wie auch der „Imam von Sachsen“ Hassan Dabbagh. Die beiden Diskutanten ergingen sich bei dem emotional aufgeheizten Thema in polemischen Darstellungen der jeweils anderen Seite und stellten ihre auf Gegenseitigkeit beruhenden Ressentiments unverhohlen zur Schau.
Islam als Feindbild etablieren
Dabbagh, der in Leipzig eine Moschee führt und laut sächsischem Verfassungsschutz als herausragender Vertreter salafistischer Strömungen gilt, mühte sich redlich, das Bild mutmaßlicher Islamfeindlichkeit von Politikern, Medien und der gesamten Bevölkerung zu kultivieren. Die Öffentlichkeit sehe den Islam durch die Brille des Populismus als grundsätzlich radikal an und diskriminiere so diese Glaubensrichtung.
Dabbagh warf insbesondere der Politik und den Medien Versagen im Umgang mit dem Islam vor. Die Debatte um den Salafismus werde lediglich genutzt, um den Islam als Feindbild zu etablieren. Auf die Frage von Maischberger, wie denn Salafisten zu der Wertigkeit deutscher Gesetze gegenüber der Scharia stehen, umschiffte er minutenlang eine konkrete Antwort, bis er sich letztlich nach mehrmaligem Nachfragen der Moderatorin zu der Aussage bewegen ließ, dass man natürlich die deutschen Gesetze zu achten habe. Dabei wirkte Dabbagh jedoch nicht unbedingt, als sei ihm die Antwort eine echte Herzensangelegenheit.
„Sie sind doch balla balla“
Eine echte Herzensangelegenheit schien es jedoch dem „Spiegel“-Journalisten Matussek zu sein, den Islam als besonders negative Religion darzustellen. So redete sich Matussek im Laufe der Sendung zunehmend in Rage und echauffierte sich unter anderem, dass er sich ja aufgrund islamistischen Terrors „an Flughäfen nackig machen“ müsse. Obendrein verwies er darauf, dass er „noch nie jemanden umgebracht“ habe. Hatte zuvor auch aber auch niemand behauptet.
Als der ebenfalls anwesende Friedmann, der nicht unbedingt in dem Ruf steht, ein - gelinde gesagt - sehr angenehmer Diskutant zu sein, sich diesmal in moderatem Tonfall für den den Islam stark zu machen versuchte, bescheinigte ihm der aufgebrachte Matussek daraufhin, „balla balla“ zu sein. Matusseks eingangs geäußerte These, Glaube ohne Vernunft ende in Intoleranz, wirkte nach solcherlei Ausfällen wie blanker Hohn. Außerdem – das betonte neben Matussek auch der etwas gemäßigter argumentierende Wolfgang Bosbach – sei der Islam historisch kein Teil von Deutschland. Anscheinend ignoriert hatte Matussek jedoch, dass das Wulff-Zitat keine historische Interpretation für sich beansprucht, sondern eher die gegenwärtige gesellschaftliche Situation Deutschlands skizziert.
Nicht durch Koran gedeckt
Für diese Sichtweise machte sich zum Beispiel die muslimische Autorin Renan Demirkan stark. Sie vertrat wie Dabbagh die Auffassung, der Islam werde stigmatisiert und dämonisiert, versuchte sich aber auch in moderaten Äußerungen, indem sie die Gemeinsamkeiten der Religionen herausstellte und vor Fanatismus warnte. Demirkan bekannte sich eindeutig zur deutschen Rechtsordnung und distanzierte sich von religiös motivierter Gewalt.
Die Ex-Moderatorin und mittlerweile zum Islam konvertierte Kristiane Backer rief dazu auf, sich unvoreingenommen mit dem Islam zu beschäftigen. Vom Islam gehe keine Gefahr aus, sagte sie und lobte die ihrer Meinung nach hohe Toleranz, die dieser Glaubensrichtung innewohne. Bosbach und Matsussek konterten dies mit der Verfolgung von christlichen Minderheiten in Saudi-Arabien. Backer sagte, sie könne diese Verfolgungen nicht gutheißen und sehe dieses Vorgehen auch nicht durch den Koran gedeckt.
Insgesamt hinterließ die Runde den Eindruck, dass die religiösen Glaubenskämpfe immer noch von gegenseitigem Misstrauen und ausgeprägten Empfindlichkeiten gegenüber kritischer Betrachtungsweise der jeweiligen Auffassungen getragen werden. Maischberger hatte zeitweise sichtlich Mühe, die Diskussionen in gemäßigtes Fahrwasser zu lenken. Die Moderatorin bewies aber trotz der Emotionalität der Gäste durchaus Souveränität. Und am Ende zeigte sich Maischberger zumindest von einer Sache überzeugt: Dies werde nicht der letzte Diskurs zu diesem Thema bei ihr gewesen sein, sagte sie als Schlusswort.