Essen. Die Krawalle zwischen Pro NRW und Salafisten haben unsere Demokratie auf eine harte Probe gestellt. Muss eine offene Gesellschaf das aushalten, wenn Rechte Mohammed-Karikaturen zeigen und radikale Muslime zurückschlagen? Ein Gespräch mit Bülent Arslan vom Deutsch-Türkischen Forum der CDU in NRW.
NRW hat es überstanden - vorerst zumindest. Am Dienstag rückten die Anhänger der rechtsextremen Pro-NRW-Bewegung zum letzten Mal vor der Landtagswahl zu einer Anti-Islam-Demonstration aus, diesmal vor eine Moschee in Köln. Ihre Gegner, radikale Salafisten, ließen sich den Termin erneut nicht entgehen. Das Szenario wiederholte sich: Die einen hetzten, die anderen versuchten zurückzuschlagen. Dazwischen Polizeibeamte, die die verfeindeten Gruppen auseinanderhalten mussten. Die Krawalle zwischen Pro NRW und Salafisten stellen unsere Demokratie und ihre Grundwerte auf eine harte Probe. Im Gespräch mit DerWesten erklärt Bülent Arslan, warum eine offene Gesellschaft das dennoch aushalten sollte. Er ist Vorsitzender des Deutsch-Türkischen Forums der CDU in NRW.
Gerichte in NRW haben den Anhängern von Pro NRW erlaubt, vor Moscheen Mohammed-Karikaturen zu zeigen und somit einen Verbots-Vorstoß von NRW-Innenminister Ralf Jäger ins Leere laufen lassen. Schützt unsere Justiz Extremisten zu sehr?
Bülent Arslan: Die Justiz schützt nicht die Extremisten, sondern Grundrechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Und das ist vollkommen richtig. Trotzdem muss man sagen, dass diese Karikaturen eine Grenze überschreiten. Sie können gläubige Muslime zutiefst verletzen und provozieren.
"Wenn wir die Grundrechte einschränken, verlieren wir mehr als wir gewinnen"
Aber sind es nicht gerade die Extremisten, die Grundrechte wie die Meinungsfreiheit schamlos ausnutzen? Sie bekämpfen sozusagen das System, von dem sie zugleich profitieren.
Arslan: Natürlich missbrauchen Extremisten die Grundrechte in einer offenen Gesellschaft. Aber zugleich dürfen wir diese Rechte deshalb nicht einschränken. Damit würden wir mehr verlieren als gewinnen. Dennoch sollte nicht alles, was gesagt werden darf, auch gesagt werden. Da sehe ich aber nicht die Gerichte, sondern die Gesellschaft selbst in der Verantwortung, zum Beispiel die Politiker.
Die Anti-Islam-Demos von Pro NRW setzten eine Spirale des Hasses in Gang. Salafisten haben mit Gewalt auf die Hetze reagiert.
Arslan: Ich habe den Eindruck, dass Salafisten und Rechtsradikale sogar voneinander profitieren. Aber eine Demokratie muss das aushalten können und damit auf ihre Weise umgehen, das heißt mit demokratischen Mitteln. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Menschen darüber aufgeklärt werden, dass es sich jeweils nur um radikale Randgruppen handelt, die dort auftreten.
Salafisten und Pro NRW - beide gleich gefährlich
Als Mittel bleiben in der Demokratie also nur die öffentliche Aufklärung und die Polizei, die bei solchen Veranstaltungen immer wieder ihren Kopf hinhalten muss?
Arslan: Es ist natürlich ein großes Ärgernis, dass Polizeibeamte durch diese Einsätze verletzt oder psychologisch beeinträchtigt werden. Aber es gibt leider keine andere Lösung.
Salafisten oder Pro-NRW-Anhänger – wer ist die größere Gefahr?
Arslan: Da gibt es für mich keine Rangfolge. Beide Gruppen gefährden den gesellschaftlichen Frieden. Wir müssen vor allem dafür sorgen, dass die Provokationen auf beiden Seiten nicht auf die Mitte der Gesellschaft ausstrahlen. Es darf nicht passieren, dass die Auftritte von Salafisten bei den Menschen in Deutschland Antipathien gegen Muslime wecken. Umgekehrt dürfen Muslime nicht den Eindruck gewinnen, dass die Meinungen von Pro-NRW-Anhängern weit verbreitet sind.
"Die meisten Muslime wussten nicht, was Salafisten sind"
Politiker von Union und FDP fordern jetzt ein Verbot von Salafisten-Vereinen. Wäre das eine Lösung?
Arslan: Wenn man solche Vereine verbietet, engt man natürlich ihren Agitationsspielraum ein. Aber damit schafft man nicht die Gesinnung aus der Welt. Diese radikalen Kräfte können auch im Untergrund weiterwirken. Wichtiger ist es meines Erachtens, dass man deutlich macht, dass die Salafisten nur eine winzig kleine Gruppe unter den Gläubigen darstellt. Da sind auch die muslimischen Verbände gefragt. Die meisten Muslime wussten bis vor kurzem nicht einmal, was Salafisten sind.
Was können die Muslime in Deutschland tun, um den Einfluss der Salafisten auch in Zukunft einzudämmen – gerade auch auf junge Menschen?
Arslan: Die Verbände sind da schon ganz gut aufgestellt, etwa durch Aufklärung in der Jugendarbeit oder in Freitagsgebeten. Ich würde mir jedoch eine stärkere Abgrenzung von den Radikalen in der Öffentlichkeit wünschen. Denn das ist nicht islamisch, was da passiert. Im Gegenteil: Die Muslime wundern sich vielmehr, wie eine so kleine Gruppe wie die Salafisten die Gesellschaft derart in Angst versetzen kann. Doch genau das wollen die Radikalen erreichen. Wir dürfen auf ihre Tricks nicht hereinfallen.