Essen. Stefan Raab hat mit „Unser Star für Baku“ einen spektakulären Coup gelandet. So eine Geld-Scheffelmaschine wie das Live-Voting von USFB hat es im Deutschen Fernsehen wohl noch nicht gegeben. So gerieten die gesanglichen Leistungen fast in den Hintergrund – bei einigen Kandidaten nicht tragisch.
Stefan Raab hat seinem Sender ProSieben mit dem Live-Voting bei „Unser Star für Baku“ (USFB) eine Goldgrube beschert. Per Blitztabelle wurde während der gesamten fast drei stündigen Show der aktuelle Stand des kostenpflichtigen Telefon-Votings eingeblendet. Dadurch wurden die Zuschauer ständig dazu animiert, mit Anrufen oder SMS ihren Favoriten wieder nach oben zu treiben.
Und weil Stefan Raab schon immer ein Glückskind ist, liegen nach den Auftritten sechs der zehn Kandidaten wenige Minuten vor Voting-Ende nur um 0,1 Prozent auseinander. Da nur fünf Teilnehmer in die nächste Runde des Vorentscheids für den „Eurovision Song Contest“ (ESC) einziehen, kam zum Ende der Premiere von „Unser Star für Baku“ tatsächlich noch einmal Dramatik und Spannung auf.
Scharfe Sprüche von Thomas D bei „Unser Star für Baku“
Gut so, denn die meisten musikalischen Leistungen der 20- bis 24-jährigen USFB-Kandidaten hatten das Publikum bis dahin nicht gerade vom Hocker gerissen. Während in der Jury Stefan Raab und „Frida Gold“-Sängerin Alina Süggeler trotzdem meist versuchten etwas Positives zu finden, redete der neue Jury-Präsident von „Unser Star für Baku“ Thomas D Klartext – teils mit markigen Sprüchen.
War vor einer Woche auf dem gleichen Pro-Sieben-Sendeplatz bei „The Voice of Germany“ noch groß propagiert worden, dass nur die Stimme zählt, so startet „Unser Star für Baku“ erstmal mit einem Sympathie-Check. Alle zehn Kandidaten müssen sich kurz selbst vorstellen, was dem einen leicht fiel, andere wirkten steif und hölzern.
Erste Entscheidung im Live-Voting von USFB nach Sympathie
Das straften die Fernseh-Zuschauer direkt mit Nichtbeachtung ab. Obwohl noch kein Ton gesungen war, fiel bereits durch das Telefon-Voting die erste Entscheidung. Wer nach der Vorstellungsrunde die wenigsten Stimmen im Live-Voting von USFB hatte, bekam die Startnummer eins.
Eine schwere Bürde für Katja Petri. Die 24-jährige Berlinerin ließ sich die erste Niederlage allerdings nicht anmerken und zeigte zu „Marry You“ von Bruno Mars eine gute Leistung. Das honorierten die Zuschauer im Live-Voting, indem ihr Prozentsatz von 4,7 auf 15,5 stieg und damit vom letzten auf den ersten Platz der Blitztabelle von „Unser Star für Baku“ sprang.
Jan Verweij aus Mönchengladbach dagegen versagten die Nerven als auch die Stimme auf der Bühne. Der 21-Jährige hat sich für „Closer To The Edge“ von „30 Seconds To Mars“ entschieden. USFB-Jurypräsident Thomas D traf es auf den Punkt: „Wenn man so einen Song singt, braucht man Eier, die so groß sind, dass sie nicht in die Hose passen“. Im Gegensatz zu Nina Petri, verändert sich der Prozentsatz von Jan Verweij im Live-Voting nur geringfügig nach oben. Schließlich landete er auf dem letzten Platz.
Leonie Burgmer aus Essen erinnerte an Lena Meyer-Landrut
Leonie Burgmer, Lehramtstudentin aus Essen, erinnerte in ihrer Art und ihrem Auftreten ein wenig an Lena Meyer-Landrut, die vor zwei Jahren den Eurovision Song Contest gewonnen hatte. Mit „Stronger than me“ von Amy Winehouse überzeugte sie das Publikum von „Unser Star für Baku“ und siedelte sich in den oberen Rängen des Live-Votings ein. Stefan Raab schwärmte von der „bezaubernden Bescheidenheit“ von Leonie Burgmer und fühlte sich wohl ein wenig an den ersten Auftritt seines Zöglings Lena Meyer-Landrut bei „Unser Star für Oslo“ erinnert.
Für Yasmin Gueroui aus Würzburg gab es aus der „Unser Star für Baku“-Jury vor allem von „Frida Gold“-Sängerin Alina Süggeler viel Lob: „Du strahlst durch deine Stimme“. Doch ihr Auftritt zum Song „Not Fair“ war eher mäßig und bedeutete am Ende von USFB das Aus.
Mit einer eigenen Interpretation des Usher-Liedes „More“ konnte Kai Nötting bei den Zuschauern von „Unser Star für Baku“ punkten. „Du hast eine Hammer-Stimme und bist ein Hammer-Typ“, schwärmte Thomas D und erinnerte in der Wortwahl kurzzeitig stark an DSDS-Chef Dieter Bohlen. „Ich wünschte, du würdest dich selbst so geil finden, wie die Leute dich geil finden“, fügte Thomas D noch hinzu.
Frida Gold-Sängerin Alina Süggeler lag mit Styling bei „Unser Star für Baku“ daneben
Ein Highlight der USFB-Premiere war der Auftritt von Shelly Phillips, die dem Song Valerie von Amy Winehouse eine ganz eigene Interpretation verpasste. Auch mit ihrer Art erreichte sie das Publikum und die Jury: „Du bist elegant und trotzdem rotzig. Du machst nicht auf sexy, aber bist es trotzdem“, urteilte Alina Süggeler, die selbst allerdings beim Outfit etwas daneben gegriffen hatte. Die „Frida Gold“-Sängerin mit der Fast-Glatze ist zwar für ihren eigenwilligen Stil aus sexy und lässig bekannt – aber die schlabbernde Jogging-Hose mit dem schwarzen Netz-Oberteil war bei „Unser Star für Baku“ dann doch nicht der optische Knaller.
Völlig in die Hose ging der Auftritt von Salih Özcan aus Nürnberg. In der Vorstellungsrunde gab er sich betont cool, aber auf der Bühne mimte er den Selbstdarsteller, wodurch er sich zu wenig auf seinen Gesang konzentrierte. „Der D bedankt sich, aber er fürchtet es langt nicht“, reimte Thomas D. Das Mitglied der Fantastischen Vier war der große Gewinner in der Jury von „Unser Star für Baku“. Stets einen flotten Spruch auf den Lippen und klare, konstruktive Kritik machen ihn zu einem würdigen USFB-Jurypräsidenten.
Blonde Jil Rock scheiterte bei USFB an Christina Aguilera
In Stefan Raab hat Celine Huber aus Lörrach einen großen Fan gewonnen. Seine Anspielung auf Celine Dion war nach ihrer Performance allerdings doch etwas zu hoch gegriffen. „Beautiful Disaster“ von Kelly Clarkson sang Celine Huber sehr gefühlvoll und traf die Höhen als auch die Tiefen in dem Song.
Jil Rock (nach eigener Angabe kein Künstlername) hatte es durch die Vorstellungsrunde auf Platz 2 im Live-Voting von „Unser Star für Baku“ geschafft. Mit ihrer anschließenden Leistung auf der Bühne konnte die 20-Jährige allerdings nur bedingt überzeugen. Sie versuchte Christina Aguilera in dem „Maroon 5“-Lied „Move like Jagger“ zu kopieren und scheiterte trotz einiger starker Töne an dem Schwierigkeitsgrad.
Ex-DSDS-Kandidat Roman Lob überzeugt bei „Unser Star für Baku“
Roman Lob hat es schließlich als letzter Kandidat von „Unser Star für Baku“ geschafft, das Publikum und die Jury von den Stühlen zu reißen. Für „After Tonight“ gab es stehende Ovationen des ehemaligen DSDS-Kandidaten. Vor einigen Jahren hatte er es bei „Deutschland sucht den Superstar“ bis in die Top 20 geschafft, musste dann aber wegen einer Kehlkopfentzündung aufgeben. Auf ein Freilos für die Live-Shows verzichtete er schließlich.
Bei USFB zog er in einem knappen Rennen zusammen mit Shelly, Celine, Leonie und Kai in die nächste Runde ein. Kai landete mit 14,5 Prozent knapp nur auf dem undankbaren sechsten Platz. In dem dramatischen Finale waren die Kandidaten im oberen Teil der Blitztabelle zum Live-Footing im Sekundentakt zwischen den Plätzen hin und her gehüpft.
Das Positive bei der Premiere von „Unser Star für Baku“: Es gab keine nervigen Zusammenfassungen mit vorgeschriebenen Texten zu den Leistungen der Kandidaten, die die Entscheidung über das Weiterkommen nur künstlich in die Läge ziehen. Nervig war allerdings, wie sich die Jury um Stefan Raab, Thomas D und Alina Süggeler von der Spannung anstecken ließen und in den letzten zwei Minuten wild durcheinander schrien.
„Unser Star für Baku“ liegt im Vergleich mit „The Voice of Germany“ hinten
Letztlich muss sich „Unser Star für Baku“ in den nächsten Wochen der Konkurrenz aus der aktuellen Casting-Show-Schwemme stellen. Während DSDS bei RTL einen schwachen Start hinlegte und nicht nur den Superstar, sondern auch die Zuschauer-Quote der vergangenen Jahr sucht, gibt es bei Sat.1 mit „The Voice of Germany“ ein Format, dass durch eine starke Jury und einem enorm hohen Gesangs-Niveau bei den Talenten einen Hype ausgelöst hat.
Um da mithalten zu können, muss „Unser Star für Baku“ am nächsten Donnerstag (20.15 Uhr, ProSieben) musikalisch eine gehörige Schippe drauflegen. Allein das spektakuläre Live-Voting dürfte den Vorentscheid zum „Eurovision Song Contest“ auf Dauer nicht rausreißen – zu offensichtlich ist das Voting-System als Geldscheffel-Maschine für ProSieben und den Partner ARD.