Essen. Für ihre erste Talkshow hatte sich die Witwe des verstorbenen Christoph Schlingensief, Aino Laberenz, “Beckmann“ ausgesucht. Oder sie war ausgesucht worden. In beiden Fällen eine Fehlentscheidung, denn Laberenz passte nicht in die Runde von Extremerfahrungs-Suchern wie Markus Lanz.
Sie hockt da wie ein kleines Mädchen bei Erwachsenen, als wären Stuhl und Tisch eine Nummer zu groß. Vielleicht ist Aino Laberenz ja wirklich erst im Studio klargeworden, was für eine groteske Fehlbesetzung sie in dieser „Beckmann“-Sendung war, ihrer ersten Talkshow. Hier der stets augenaufreiß-bereite Grönlandfahrer Markus Lanz, dort die coolen Weltumsegler Thies Matzen und Kicki Ericson – Menschen auf der Suche nach dem Exotischen, nach Erfahrungen mit Extremen. Sie werden, wie so oft beim notorischen Vereinnahmer Beckmann, gnadenlos umgeduzt und fordern das sogar ein, während Aino Laberenz die Ehre der dritten Person Plural zuteil wird.
Bei den Extremurlaubern dreht sich alles um aufregende Anekdoten vom ganz anderen Leben, letzten Endes aber um die alles entscheidende Frage in der heillos durchtherapierten Gesellschaft: „Und was macht das mit dir?“ Manchmal hofft man, dass in diesem großen Plausch mit Floskeltausch irgendwann endlich einer sagt: „Du, ich find diese Frage jetzt echt irgendwie unheimlich Gewalt von Dir, Du“, so wie früher. Aber wir sind ja bei „Beckmann“. Ironiefreie Zone.
Markus Lanz erzählt Anekdoten von der pinkelnden alten Eskimodame
Also gibt es Anekdoten wie die von der pinkelnden alten Eskimodame auf dem Plastikeimer, mit der Markus Lanz den absurdesten Talk seines Lebens hatte; außerdem wissen wir jetzt, dass mitunter auch luxemburgische Bankerinnen auf Skiern zum Nordpol laufen und eine Bartrobben-Sohle unterm Eisbär-Schuh nur dann wärmt, wenn man nicht vier Paar Socken anhat, sondern keins. Vielleicht rettet uns das ja eines Tages mal das Leben oder wenigstens die Füße vorm Einschlafen, wer weiß.
Lanz und die beiden Weltumsegler tun jedenfalls Dinge, bei denen man wahrscheinlich froh sein muss, dass nicht jeder sie tut – das ist bei Aino Laberenz und ihrem Einsatz für das Operndorf eben doch kategorial anders. Da geht es nicht darum, was dieses und jenes jetzt irgendwie mit mir macht, sondern mit den anderen. Doch die große Beckmann-Egozentrik bricht sich schließlich endgültig Bahn bei Lanz’ Anekdote mit der Witwe, die ihr Geld auf Kreuzfahrtschiffen durchbringt und sagt, sie investiere in Erinnerungen – „oh, wie poetisch, eine schöne Formulierung!“, raunt Poesie-Reinhold. Weniger schön, aber als Fakten wenigstens abgefragt: Dass es jetzt viel weniger Fische in dem Meeren gibt und Eis an den Polen und viel mehr Müll, Plastik. Vielleicht auch wegen der vielen Grenzerfahrungssucher und Wasmachtdaswohlmitmirfrager?
In Burkina Faso, wo Schlingensief sein "Operndorf" errichten will, ist es heiß
In Afrika, erfährt man dann noch, ist es heiß. „Und, weckt das in ihnen etwas?“ - „Ja, sagt Aino Laberenz, „irgendwie, man fühlt sich eingekocht.“ Und eine andere Zeitauffassung gibt es in Afrika auch und mitunter wird es sogar laut. Beckmann wiederholt, was sie gesagt hat und stellt das dann als Frage noch mal. „Christoph“, berichtet sie von ihrem Mann, „hat die Leute nicht nur gesehen und gehört, sondern gemeint“; er habe dieses ungeheure Kommunikationsinstrument perfekt beherrscht, sie müsse da noch lernen, schon um Spenden einzusammeln, die längst nicht mehr so reichlich fließen wie am Anfang.. „Das macht natürlich was mit dir“ tönt es jetzt wieder von irgendwo her. Burkina Faso, wo Schlingensiefs „Operndorf“ errichtet werden soll, das vor allem ein enormes Festival-Haus und eine Schule mit 16 Gebäuden umfassen soll, ist das viertärmstes Land der Welt. Und hat doch eine reichhaltige Kulturszene.
Da geht es um mehr als um einen Hilftransport… Und weil es jetzt wirklich interessant zu werden droht, schwafelt Beckmann jetzt wieder irgendwas Gefühliges dazwischen. Dabei wären doch gerade die Details interessant, ob das Projekt wirklich eine Perspektive hat, ob das mit dem allmählichen Rausziehen und Sichselbstüberlassen nur eine Frage der Zeit oder auch eine der Reife ist, ob so etwas in der Gegend von Ouagadougou wirklich gebraucht wird und wo am Ende noch das ganze Geld herkommen soll. Aber das würde ja dann gar nicht mehr zu der kleinen Selbsterfahrungsgruppe passen, die Reinhold Beckmann da ins Studio getrommelt hat.
Immerhin erfahren wir, dass Schlingensief zu Aino Laberenz gesagt hat: Falls ihr die Sache mit dem Operndorf zu viel werde, solle sie die Brocken hinschmeißen.
Kleine Bitte unsererseits: Nur nicht wieder bei Beckmann!