Essen. . Beckmann konnte als erster deutschen TV-Talker die Eltern der verschwundenen „Maddie“ McCann interviewen. Mal gab er sich einfühlsam, mal betont kritisch. Am liebsten hätte er wohl Tränen kullern sehen. Warum unbedingt noch das Thema Folter in die Sendung musste, bleibt Beckmanns Geheimnis.

Die Eltern der 2007 verschwundenen Madeleine „Maddie“ McCann haben sich in die Talkshow von Reinhold Beckmann gewagt. Ihre Botschaft an die Deutschen: Die Hoffnung stirbt zuletzt. „Wir geben unser verlorenes Kind nicht auf. Das dürfen Eltern nicht“, sagte Gerry McCann. Der Fall Natascha Kampusch sei ein Beispiel, „wie unglaublich Szenarien sein können“.

Kate, die Mutter von Madeleine, blickte fast über die gesamten 75 Minuten tief betroffen, fast leidend, erzählte aber trotzdem: „Madeleine wird irgendwann nach Hause kommen. Darauf wollen wir vorbereitet sein.“

Beckmann weiß: Die Briten Kate und Gerry McCann sind mittlerweile Medienprofis. Sie haben gezielt die Öffentlichkeit gesucht, um Madeleine zu finden. Beckmann kann keine neuen Details ausgraben; das Schicksal der kleinen Madeleine, die aus einem Ferienappartement in Portugal verschwand, während ihre Eltern in einer Tapas-Bar speisten, ist weltbekannt.

Er sagt bewusst nicht „Maddie“

Beckmann setzte also weniger auf Inhalt als auf Emotionen – und gab sich, wie so oft, als einfühlsamer Familientherapeut. Er nenne die Tochter in der Sendung nicht „Maddie“, wie das viele andere Medien machen würden, sagt er. Er mache so was nicht. Er wisse schließlich, dass die Eltern das nicht mögen würden.

Dann plötzlich wechselt er seine Rolle, fragt kritisch nach. Warum, bitteschön, müsse Kate McCann gleich ein ganzes Buch über all ihre Familienprobleme schreiben? „Wollen Sie Ihre Privatsphäre nicht noch ein bisschen schützen?“, fragt Beckmann vorwurfsvoll. „Ich glaube, die habe ich schon lange nicht mehr“, kontert Kate McCann. Beckmann lässt nicht locker. „Was ist mit Sean und Emily, den Zwillingen. Die sind sechseineinhalb.“ Wieso breite man auch deren Schicksal in der Öffentlichkeit aus? „Wie verantworten Sie das?“ Der Ton von Beckmann ist ungewöhnlich scharf. Jetzt gibt er den hartnäckigen Journalisten, der eine Frage nach der nächsten abfeuert. Dieser Wechsel vom Therapeuten zum „Bad Guy“ verwirrt die McCanns. Lange Stille. Die Übersetzer kommen bei Beckmanns ganzen Fragen nicht hinterher.

Ein skurriler Moment

Dann lacht die zuvor versteinerte Kate McCann. Es ist ein skurriler Moment. Auf diese Frage hat sie keine Antwort parat. Sie schaut ihren Mann an. Der antwortet mit Allgemeinplätzen, sie selbst sagt nur, die Zwillinge würden „irgendwann verstehen“, dass sie den Medien gegenüber so offen gewesen seien.

Beckmann, jetzt auf Betriebstemperatur, wechselt zu einer visuellen Emotionskeule. Unvermittelt werden zu düsteren Pianoklängen Videos der kleinen Madeleine gezeigt. Die Eltern klagen, dass sie ja gegen Standaufnahmen „abgestumpft“ seien, aber solche Videos würden doch sehr bewegen. Die Dramaturgie von Beckmanns Redaktionsteam geht aber nicht vollends auf. Die Tränen kullern bei den McCanns nicht.

Die Vorwürfe, sie müssen mit rein

Beckmanns letztes Tränendrüsen-Mittel sind die in der Vergangenheit erhobenen Vorwürfe, die McCanns hätten Maddies Leiche versteckt. Beckmann erwähnt Zuschauermails, die die Schuld der Eltern thematisieren würden. Deren Inhalt sei so schlimm, dass man die den Eltern nicht zumuten könne. Stattdessen gibt’s später die „Top 3“ der hässlichsten Anschuldigungen aus Zeitungsartikeln. Wieder weinen „Maddies“ Eltern nicht, tragen nur sachlich Sätze vor wie: „Die Vorwürfe sind abscheulich.“

Beckmann, dem wohl seine eigene Leistung beim McCann-Interview missfällt, findet nun keinen roten Faden mehr in dieser verkorksten Sendung. Warum auch immer, musste nämlich unbedingt noch die Frage „Wie weit darf man gehen, um das Leben eines Kindes zu retten?“ mit hinein.

„Das ist unwichtig!“

In nicht einmal zwanzig Minuten sollte daher die Chronologie des Mordes am Bankierssohn Jakob von Metzler aufgerollt werden – inklusive einer Debatte über Recht und Unrecht von Folterandrohungen und daraus resultierenden Entschädigungszahlungen, die Kindsmörder Magnus Gäfgen im August vom Landgericht Frankfurt zugesprochen bekam.

Zu Gast war Ortwin Ennigkeit, der im Entführungsfall ermittelte und wegen Nötigung des Täters verurteilt wurde. Der TV-unerfahrende Ennigkeit tat einem leid, wie er dort am Tisch saß und stammelte, emotional aufgewühlt. Beckmann hingegen hatte kein Feingefühl, unterbrach den Kommissar, als dieser sehr genau berichten wollte. Beckmann barsch: „Das ist unwichtig!“. Dadurch verwirrte er den ohnehin nervösen Gast noch mehr. Eine angenehme Gesprächsatmosphäre war im Keim erstickt, die Sendung war gelaufen. Inhaltlich gab es nur noch ungeordnete Statements. Schade.