Essen. Beckmann wollte nach dem Euro-Gipfel die Krise verständlich machen. Doch Euro-Vater Theo Waigel, Wirtschaftsminister Philipp Rösler und Börsenexperte Dirk Müller konnten keine einfachen Erklärungen geben, wo keine sind.

Die Frage klingt bestechend einfach: „Europa am Abgrund – wie sicher ist unser Geld?“ titelt Beckmann am Donnerstagabend nach dem Billionen-Euro-Gipfel in Brüssel. Doch so leicht werden es die Gäste weder dem Talkmaster noch dem Zuschauer machen. Es steht schließlich viel auf der Tagesordnung: Die Entscheidungen in Brüssel, der Euro, das Banken- und Finanzsystem – und all die Zuschauerfragen zum Themenfeld. Auf eine einfache Formel kann Beckmann nicht hoffen. Schon gar nicht in einer Talkshow mit Gästen, die vieles zu sagen haben – nur eben keine simplen Erklärungen.

Zu Tisch in Beckmanns Talkshow sind Theo Waigel (CSU), der als Ex-Finanzminister den Euro erschuf, sowie Wirtschaftsminister Philipp Rösler(FDP), der als Wirtschaftsminister im Kabinett der Bundesregierung jetzt den Euro retten will. Damit nicht allzu traute Einigkeit zwischen Alt- und Jungpolitiker herrschen möge, ist Börsenexperte Dirk Müller eingeladen. Der fernsehbekannte „Mr DAX“ erwartet das Ende des Finanzsystems, heißt es in der Ankündigung zur Rede-Runde bei Beckmann.

Während in Brüssel verhandelt wurde, schlief Waigel

Doch bevor sich die drei Gäste den Fragen der Zukunft widmen können, geht der Blick zunächst zurück auf die Entscheidungen der vergangenen Nacht beim Euro-Krisengipfel. Während die Euro-Retter in Brüssel verhandelten, habe er brav geschlafen, sagt Waigel. Und auch am Morgen gab es kein böses Erwachen für ihn: „Es ist gut gelaufen.“ Er sei sich sicher gewesen, dass ein positives Ergebnis am Ende des Gipfels stehen würde. Er lobt die Kanzlerin und gar SPD und Grüne, die mit der Bundestagsentscheidung ein Zeichen für Europa gesetzt hätten.

„Es ist ein gutes Signal, dass Deutschland in einer schwierigen Situation Führung und Verantwortung unter Beweis gestellt hat.“ Rösler stimmt gerne in den Lobgesang auf die Gipfelergebnisse ein. „Der Gewinner ist Stabilität“, was immer das heißen mag. Dirk Müller, von Beckmann als der Mann angekündigt, der „alle Fragen beantworten“ kann, lobt weiter. Es sei gut, „dass Merkel, den Banken die Pistole auf die Brust gesetzt hat“.

Hebel und Hebel ist nicht dasselbe

Sobald Müller sich eingeschaltet hat, nimmt das Gespräch an Fahrt auf, bietet mehr als heute oft gehörte Floskeln zu Stabilität und Kontinuität – und Reinhold Beckmann ahnt, dass sein wiederholtes Flehen „Halten wir es einfach“ vergebens ist. Mit Gästen, deren Beruf und Berufung Finanzpolitik ist, lässt sich die Euro- und Finanzkrise nicht auf einen einfachen Nenner bringen.

Die wilde Fahrt durch die krisengeschüttelte Euro- und Finanzwelt beginnt: Der Hebel, der jetzt beschlossen worden sei, sei nicht der Hebel, den er noch vor Wochen ausgeschlossen habe, erklärt Rösler einem Zuschauer aus dem Publikum, der ihn auf diese Ungereimtheit anspricht. Ob dieser neue Hebel wirklich den Erfolg haben kann, den sich die Regierungschefs der Währungsunion erhoffen, sei noch abzuwarten, kontert Dirk Müller. Will niemand in den Sondertopf investieren, zahlt am Ende doch der Steuerzahler.

Eine Ansteckungsgefahr unter den Banken?

Weiter geht es um Ansteckungsgefahr der Banken, die jetzt nicht mehr so groß sei, wie noch vor einem Jahr. Schließlich hatten die Finanzhäuser inzwischen genug Zeit, die ungeliebten griechischen Staatsanleihen abzuschreiben. Und zwischendrin fragt Beckmann: „Herr Rösler, haben Sie das jetzt alles verstanden, was Herr Müller gesagt hat.“ Der zum Schuljungen degradierte Wirtschaftsminister bleibt tapfer und zeigt, dass er sich eingearbeitet hat in die schwierige Euro-Materie.

Dem Vater des Euro unterstellt indes niemand, er wisse nicht, wovon er redet. Theo Waigel war dabei. Er hat’s erfunden. So ist es nicht verwunderlich, dass Waigel, der als Finanzminister im Kohl-Kabinett den Maastrichter Vertrag über die Währungsunion unterzeichnete, sein Lebenswerk verteidigt. Seine bereits bekannte Botschaft: Die Stabilitätskriterien, für die er einstand, haben andere – die rot-grüne-Regierung – untergraben: „Ich hätte Griechenland ganz sicher nicht aufgenommen. Ich hab damals schon gesagt: Ihr seid nicht dabei und ihr werdet nie dabei sein.“

Es wird nicht einfacher, sondern komplizierter

Wenn Dirk Müller den Blick nach vorn wirft, wird es nicht – wie von Beckmann erhofft – einfacher, sondern komplizierter. Er spricht schnell, argumentiert Schlag auf Schlag. Die Quintessenz: Es sei naiv zu glauben, man könne die Schuldenberge, die sich bei den Staaten angehäuft haben, zurückzahlen. Alle paar Jahrzehnte hilft nur die Umverteilung von oben nach unten. So wie jetzt, wenn der Bürger die Last aus dem Zinseszinssystem nicht mehr schultern kann. „Reset“ nennt Müller das - alles auf Anfang. Mit der Occupy-Bewegung zeigt sich in seinen Augen, dass viele schon auf der Suche nach dem Reset-Knopf sind.

Als Überraschungscoup bringt Beckmann zum Ende der Sendung den Finanzwissenschaftler Franz Hörmann ins Spiel. Der Universitätsprofessor aus Wien hat provokante Thesen mitgebracht, aber wenig Zeit, sie verständlich zu erläutern. Gewehrsalvenartig trägt er sein Anliegen vor: Die Finanzwelt ist ein „perfides System, in dem der Mensch in der Masse enteignet wird“, das Geld gehöre abgeschafft, es müssen wieder reale Werte gegeneinander getauscht werden.

Waigel hält am Euro fester denn je

Ist das die einfache Lösung, die sich Beckmann so sehr wünschen würde? Müller jedenfalls kann folgen; Waigel hält – logisch – am Euro fester denn je; Rösler äußert Verständnis für die dahinterliegende Idee: „Man muss sich wieder auf die Grundidee des Geldes konzentrieren.“

Würde Beckmann, statt Rösler aufs Korn zu nehmen, sich zur Kamera wenden und fragen: „Zuschauer, haben Sie das jetzt alles verstanden, was die Herren in den letzten 75 Minuten gesagt haben?“, dann könnte die Antwort nach diesem Beckmann-Abend sein: Ein bisschen von allem ist verständlicher geworden. Leicht zu verstehen ist es dadurch noch lange nicht. Kann es aber wohl auch nicht sein.