Essen. . Immer wieder werden Kandidaten bei TV-Kuppelshows lächerlich gemacht. Die Zuschauer fragen sich: Warum lassen die sich so darstellen? Nun hat Sarah H. über die Arbeitsbedingungen bei „Schwer verliebt“ gesprochen - und ihren Vertrag einem Anwalt vorgelegt. Der findet ihn „sittenwidrig“.
Sarah H. hat ihren Vertrag gebrochen. Die 27-Jährige wurde nach eigener Aussage in der Sat.1-Sendung „Schwer verliebt“ der Lächerlichkeit Preis gegeben, musste unnatürliche Sätze sagen, ihr Privatleben bis ins Detail ausleuchten lassen - und durfte über all das mit niemandem sprechen.
700 Euro Pauschalhonorar erhielt die „Regalservicekraft“ von dem Privatsender, dafür gab sie fast alle Rechte ab. Martin Huff, Medienrechtsanwalt aus Leverkusen, hat den Vertrag der Kandidatin geprüft. Er kommt zu dem Ergebnis: „sittenwidrig“.
Für 700 Euro alle Persönlichkeitsrechte abgetreten
Die 700 Euro Entlohnung stünden in einem „krassen Missverhältnis“ zur Leistung der Kandidatin. 15 Drehtage musste Sarah H. nach Aussage des Anwalts dafür arbeiten - und nicht nur das. Der Vertrag legt fest, dass sie ihre gesamten Bild- und Fotorechte an Sat.1 abtritt. Die exklusiven Nutzungsrechte stünden der Produktionsfirma „örtlich, zeitlich und inhaltlich uneingeschränkt zur beliebig häufigen Verwertung in allen Medien“ zur Verfügung, wird der Vertrag zitiert.
Außerdem dufte Sarah ihr Aussehen während der Dreharbeiten nicht verändern. Über den Vertrag sollte sie Stillschweigen bewahren. „Dies kommt einer Übertragung der gesamten Persönlichkeitsrechte gleich“ meint Rechtsanwalt Huff im Gespräch mit DerWesten. „Solche Verträge sollten gar nicht herausgegeben werden.“
Sarah H. hat den Vertrag gebrochen - ein Präzedenzfall?
Doch nun hat Sarah ihren Vertrag gebrochen. Sie hat mit der „Rhein Zeitung“ über die Show gesprochen und ihre Klauseln öffentlich gemacht. Auch die Prüfung durch Rechtsanwalt Huff steht theoretisch im Widerspruch zu ihrem Vertrag - „absurd“, findet der Jurist. Schließlich habe jeder das Recht, Verträge juristisch prüfen zu lassen.
Ob Sat.1 nun rechtlich gegen Sarah vorgeht, ist noch ungeklärt. Sollten Gerichte über den Fall verhandeln, könnte das weitreichende Folgen haben. „Zwar handelt es sich hier um einen Extremfall. Verträge wie diesen gibt es jedoch immer wieder“, so Huff. Die große Aufmerksamkeit könnte es Formaten wie „Schwer verliebt“ künftig schwerer machen, ihre Kandidaten derart zu knebeln.
„Standardverträge der Produktionsfirma“
Sat.1 gibt derzeit nur ein vorgefertigtes Statement der Sprecherin Diana Schardt heraus. Darin heißt es: „Sarah hat zu keiner Zeit Dinge tun müssen, die sie nicht tun wollte. Im Gegenteil: Sie hat der Produktionsfirma Vorschläge für Drehorte und Szenarien gemacht. Bei den Verträgen handelt es sich um Standardverträge der Produktionsfirma. Zu Vertragsinhalten äußern wir uns grundsätzlich nicht.“
Mehr Geld wird die 27-Jährige für die Kuppel-Show wohl nicht erhalten. „Man könnte natürlich prüfen, was Komparsen für längere Dreharbeiten wie diese normalerweise erhalten. Aber wahrscheinlich ist da nichts zu machen“ erklärt Huff. Er hofft, dass durch die Berichterstattung die Verträge der Privatsender in die Diskussion geraten. Im Moment könne er nur jedem raten, sich die Unterschrift „sehr genau zu überlegen“.