Berlin. Bei “Markus Lanz“ äußerte sich Karl Lauterbach zu Affenpocken und Coronavirus. Außerdem war das umstrittene Abtreibungsgesetz Thema.
Der schmale Grat zwischen Freiheitseinschränkungen und Infektionsschutz sorgt entlang der Parteigrenzen innerhalb der Ampel-Koalition immer wieder für Auseinandersetzungen. Traditionell flacht die Kurve der Corona-Infektionen über den Sommer ab, doch droht uns womöglich schon im Herbst eine neue Welle. Welche Folgen die versäumte Impflicht in naher Zukunft haben, damit setzte sich Markus Lanz unter anderem mit dem Gesundheitsminister auseinander.
Lauterbach über Affenpocken: "Wird keine neue Pandemie geben"
Während sich die Bundesregierung auf eine neue Welle gegen Jahresende vorbereitet, machen Ängste um eine neue Pandemie bereits die Runde. Die bereits länger bekannten Affenpocken sind in mehreren europäischen Ländern registriert worden. Das Besondere dabei: die meisten Infizierten haben sich laut RKI nicht in Afrika angesteckt. Obwohl eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung möglich ist, sagt Karl Lauterbach: "Es wird keine Pandemie geben." Lesen Sie auch: Affenpocken: Alle Infos zu Symptomen, Ansteckung & Quarantäne
Obwohl die Sicherheitsrisiken der infektiösen Krankheit im Vergleich zum Coronavirus deutlich geringer seien, versicherte der SPD-Politiker: "Wir sind in der Beschaffung des Impfstoffs." Die Affenpocken, die sich durch ein großräumiges Auftreten von Hautbläschen äußert, ist seit den 1980er-Jahren bekannt und verläuft laut Gesundheitsminister "in der Regel nicht tödlich".
"Bedrohlich" fand Zeit-Redakteurin Miriam Lau jedoch, "dass es sich schon wieder um eine Zoonose", also eine vom Tierreich auf den Menschen übertragene Krankheit handelt. Aufgrund der immer tieferen Einschnitte in die Natur, wird künftig häufiger mit derartigen Krankheiten zu rechnen sein. "Die Zoonosen werden kommen und die Verschwörungstheorien auch", warnte Lauterbach. Auch interessant: Affenpocken: Gefährlich für den Menschen? So hoch ist die Sterblichkeit
„Markus Lanz“ – Das waren die Gäste:
- Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister (SPD)
- Mariam Lau, Journalistin ("Zeit")
- Dr. Alicia Baier, Gynäkologin
- Ulrike Scharf, Politikerin (CSU)
Lauterbach sieht positive Bilanz und dementiert "Räuberpistole"
Rechtfertigen musste sich Lauterbach wieder einmal für Impfstoffbestellungen, die er selbst als "Milliardenbeträge" bezifferte. Journalistin Lau stellte sie Investitionen angesichts verfallender Dosen in Frage, der Minister begründete die hohe Zahl an Bestellungen mit einem Lieferengpass. "Ich habe diesen Lieferengpass mit komplizierten, teils bilateralen Manövern beseitigt", was zu einer positiven Booster-Quote und einer niedrigen Mortalitätsrate geführt habe.
Zudem seien bereits Vakzine für "drei unterschiedliche Linien: Wuhan, reiner Omikron-Impfstoff und ein Kombinationsimpfstoff" bestellt. Wenn eine Welle kommt, die gefährlich sei "wollen alle den besten Impfstoff." Obwohl die Bundesregierung sich also auf alle Eventualitäten vorbereite, monierte Lauterbach im Hinblick auf die Kritik an seiner Kommunikation: "Minister werden immer bewertet an der B-Note."
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Zuvor hatte ihm die bayerische Familienministerin Ulrike Scharf das Nutzen von "Angstrhetorik" unterstellt. Wie Miriam Lau aus Kreisen der FDP erfahren haben wollte, sei die Frage nach der Impfpflicht zudem entscheidend über Wohl und Wehe der Koalitionsverhandlungen gewesen sein. Demnach habe die FDP der Ampel nur zugestimmt, wenn Lauterbach von der Impfpflicht abrückte. Als "Räuberpistole" bezeichnete Lauterbach die Vorhaltung, "das kann ich hart dementieren."
Gynäkologin sieht alarmierende Versorgungslage für Abtreibungen
Vor dem Hintergrund der aufgeheizten Debatte ums Abtreibungsgesetz in den USA flammt auch in Deutschland wieder ein Streit um das umstrittene Werbeverbot für Gynäkologen auf. Demnach dürfen Ärztinnen, die einen Schwangerschaftsabbruch anbieten weder über Fristen noch medizinische Methoden auf der Homepage aufklären. Durch die deutschen Abtreibungsgesetze fühlten sich betroffene Frauen "isoliert, gedemütigt und allein gelassen", sagte die Gynäkologin Dr. Alicia Baier.
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Das Gesetz bezeichnete sie als "faulen Kompromiss", der zur Stigmatisierung von Ärzten und Patientinnen und zu einem Mangel in der Versorgungssicherheit sorge. "In Bayern werden ein Drittel der Schwangerschaftsabbrüche mittlerweile von einem 75-Jährigen durchgeführt", so Baier. Auch eine Zwangsberatung mit anschließender dreitägiger Wartepflicht sieht die Gesetzgebung vor. Als "rückständig" bezeichnete die Ärztin die international gerügte Gesetzgebung.
Bayerns Familienministerin Scharf positionierte sich als Verteidigerin des Werbeverbots. "Der Kompromiss wird sehr gut durchgeführt. Warum führen wir diese Scheindebatte?" Ihrer Ansicht nach stehe Paragraf 218 im Fokus, der den Schwangerschaftsabbruch – aktuell straffrei, aber illegal – behandelt. Sie zeigte sich besorgt um das "Recht des Kindes auf Leben". Lauterbach, der 2018 bei der Neuerung des umstrittenen Paragrafen 219a beteiligt war, gab zu: "Der Kompromiss funktioniert nicht." Er gehöre abgeschafft und zwar schnell.
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