Berlin. Bei „Illner“ ging es um Kindesmissbrauch. Eine Betroffene war in der Runde entscheidend, weil sie das Ausmaß der Taten erklären konnte.
Staufen, Lügde, Bergisch Gladbach, Münster: „Maybrit Illner“ widmete sich am Donnerstagabend den zahlreichen großen, aktuellen Fällen von Kindesmissbrauch in Deutschland. Wie können Kinder besser geschützt werden? Helfen härtere Strafen? So lauteten die Leitfragen des Talks.
Diskutiert wurde das Thema von der Betroffenenvertreterin Sonja Howard, Familienministerin Franziska Giffey (SPD), NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sowie vom forensischen Psychiater Peer Briken, der Kinderschützerin Julia von Weiler und Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbeamten.
„Maybrit Illner“: Betroffene berichtet von sexueller Gewalt
Enorm wichtig war in der Runde Sonja Howard, weil sie als Betroffene deutlich machte, wie weitreichend die Taten sind. „Betroffene leiden nicht nur während der Taten, sondern das ganze Leben“, sagte Howard, die als Kind von ihrem Stiefvater sexuelle Gewalt erfuhr.
Ihr Fall zeigt, warum die Taten oft nicht oder erst spät aufgedeckt werden. Die Mutter ahnte wohl etwas, schritt aber nicht ein. Eine Bekannte, der sich Howard offenbarte, weinte – und schickte sie doch nach Hause. Und als das von Nachbarn alarmierte Jugendamt kam, wurden die Kinder angehalten, heile Familie zu spielen.
„Das sind keine tragischen Einzelfälle. Ich bin eine von mehreren Millionen Deutschen“, sagte Howard zur Dimension des Problems. In ihrem Fall erhielt der Täter am Ende nur eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren.
Nicht nur Pädophile begehen Kindesmissbrauch
Doch wieso ist es so schwer, die Taten aufzudecken. Die WHO geht von etwa einer Million Betroffenen in Deutschland aus. „Jeder von uns hat Kontakt mit Betroffenen – und mit Täterinnen und Täter“, erklärte die Kinderschützerin Julia von Weiler. Viele wollten das nicht wahrhaben und blendeten das Thema aus.
Hinzu kommt, dass die Täter sich oft klandestin bewegen. Das Vorgehen gleiche dem der organisierten Kriminalität, erklärte der Kriminalpolizist Sebastian Fiedler. Die Szene sei global vernetzt und tausche sich über das Vorgehen der Behörden aus.
Missbraucht und damit allein gelassen: „Ich musste mit ihm in den Keller gehen“
Zum Hintergrund der Täter und Täterinnen konnte Peer Briken aus der Praxis berichten. Ein großer Teil der Taten werde nicht von ausschließlich Pädophilen begangen, erklärte der forensische Psychiater.
Kinderschützerin: „Frauen missbrauchen strategisch“
Andere Gründe könnten das Ausüben von Macht oder eine „antisoziale“ Haltung sein: „Ich nehme mir, was ich will, ohne Rücksicht auf die Folgen.“ Manche Täter zeigten Reue, andere hätten keine erkennbaren Schuldgefühle.
Kinderschützerin von Weiler wies in diesem Zusammenhang auf die Rolle der Frauen hin – und zwar nicht nur als Mitwisserinnen, sondern auch als Täterinnen. Studien zufolge werden demnach zehn bis 30 Prozent der Taten von Frauen begangen.
„Frauen missbrauchen strategisch und brutal“, warnte von Weiler. Oft würden sie aber nicht als Täterinnen wahrgenommen.
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Herbert Reul fordert härtere Strafen
Hilft der Ruf nach strengeren Strafen? Bei dieser Frage gingen die Meinungen in der Runde auseinander. Sonja Howard plädierte klar für „ja“, schließlich hätten die Betroffenen ihr Leben lang mit den Folgen zu kämpfen.
Auch Herbert Reul sprach sich dafür aus – als Signal: „Das ist etwas ganz Schlimmes, wir nehmen das nicht mehr auf die leichte Schulter.“
Franziska Giffey erteilte dem keine klare Absage, warb aber dafür, das Strafmaß von bis zu 15 Jahren sowie anschließender Sicherheitsverwahrung häufiger auszuschöpfen. Dafür brauche es besser ausgebildete Richter, forderte die Familienministerin.
Das Fazit: Eltern sollten Kinder über Gefahren aufklären
Diese Ausgabe von „Maybrit Illner“ machte deutlich, wie tief sich sexuelle Gewalt gegen Kinder in die Gesellschaft eingefressen hat. Umso wichtiger ist, dass es jetzt mehr Aufmerksamkeit für das Thema gibt –auch wenn die Anlässe dafür zutiefst traurig sind.
Am Ende formulierte Sonja Howard schließlich noch eine ganz konkrete Empfehlung: „Kinder nehmen keinen Schaden, wenn Eltern ihnen erklären, dass es draußen Gefahren gibt“, warb sie für Aufklärung. Statt aber vom Fremden und seinem Auto zu sprechen, sollte man klar machen: Der Täter kann auch eine Person sein, die du kennst und vielleicht sogar magst.
• Zur Ausgabe von „Maybrit Illner“ in der ZDF-Mediathek.
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