Berlin. In „Hart aber Fair“ drehte sich am Montag alles um die Flüchtlingskrise. Dieses Mal kamen allerdings die freiwilligen Helfer zu Wort.

In Polit-Talks ist die Flüchtlingskrise seit Wochen ein Dauerthema. Immer wieder erläutern Politiker ihre mitunter sehr unterschiedlichen Standpunkte. Bei Frank Plasberg in „Hart aber Fair“ hatten hingegen am Montagabend die Krisenhelfer das Wort. Unter dem Motto „Flüchtlingskrise als Dauerzustand: Jetzt reden die Helfer“ erzählten der zweite Bürgermeister von Wegscheid, Lothar Venus, die Sozialdezernentin der Stadt Königswinter, Heike Jüngling, der ehrenamtliche Helfer Holger Michel, die Bochumer Polizeioberkommissarin Tania Kambouri und MDR-Reporter Sandro Poggendorf über ihre Erfahrungen mit Flüchtlingen – und auch mit „besorgten Bürgern“.

Ehrenämtler hilft in jeder freien Minute

Während Venus, Jüngling und Kambouri aus rein beruflichen Gründen nicht an den Flüchtlingen vorbeikommen, geriet Michel eher zufällig an sein Ehrenamt. Eigentlich wollte er lediglich Kleidung in einer Berliner Flüchtlingsunterkunft abgeben. Aber dann hat ihn die Situation vor Ort so sehr berührt, dass er blieb – und aus zwei Stunden wurden sechs. Am nächsten Tag kam er wieder. Bis heute hilft er in jeder freien Minute – auch wenn es manchmal an seinen eigenen Geldbeutel geht.

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Er erinnert sich an einen Tag, an dem eine große Zahl an Flüchtlingen mit Kleinkindern und Babys in der Unterkunft ankam. Es musste improvisiert werden. Die Helfer zogen auf eigene Faust los, um Babynahrung zu kaufen. „Babys haben ja die dumme Angewohnheit, dass man sie nicht 24 Stunden auf Essen warten lassen kann“, scherzte Michel, machte damit aber umso deutlicher, wie ernst die Lage vor Ort ist.

Als "Flüchtlingskatastrophe" würde Michel die Situation dennoch nicht bezeichnen. Er hat in dem Zusammenhang ein Problem mit dem Wort Katastrophe. Er würde es vielmehr als Flüchtlingssituation bezeichnen. Denn eine Katastrophe kommt plötzlich. Dass die Flüchtlinge kommen, war hingegen schon lange klar. Nur der Ansturm wurde zu lange von der Politik ignoriert.

"Nur eine Frage der Zeit, bis das erste Baby erfriert“

Dass zu wenig und vor allem alles zu langsam getan wird, sehen auch die anderen Gäste der Talk-Runde so. Als zweiter Bürgermeister von Wegscheid ist Venus für die Koordinierung der freien Notunterkünfte in seinem Landkreis zuständig. Mit dem Ausspruch „Es ist nur eine Frage der Zeit, wann das erste Baby hier erfriert“ sorgte er kürzlich für Aufsehen – mit Erfolg.

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Nur wenig später stand an der Grenze ein Zelt für 1000 Flüchtlinge bereit. Und dennoch muss an vielen Stellen weiter nachgebessert werden. Die Verteilung auf die Unterkünfte und die Registrierungen dauern in seinen Augen einfach zu lange. „So kann es nicht sein“, bezog er sich auch auf das Thema Familiennachzug.

„Es muss etwas getan werden. Es müssen erst mal die sauber untergebracht werden, die jetzt da sind“, sagte Venus. Auch Jüngling wunderte sich über „die Herangehensweise an das Thema. (...) Wir sollten uns erst mal darüber unterhalten, welche Menschen kommen und wie registriere ich sie“, bevor es um den Familiennachzug gehe. Auch Poggendorf fiel mit „man sollte sich erst mal um das Kümmern, was hier im Argen liegt“ in diesen Tenor ein. Somit herrschte Einigkeit, dass dieses Thema aktuell eigentlich kein Thema ist.

„Ohne freiwillige Helfer geht es nicht“

Auch die Frage danach, wie wichtig ehrenamtliche Arbeit in Bezug auf die Flüchtlinge eigentlich ist, wurde thematisiert. Michel glaubt nicht daran, dass der Staat die Krise alleine meistern kann – und vor allem soll. „Ohne freiwillige Helfer geht es nicht. Die Kommunen können es alleine nicht abdecken“, sagte auch Jüngling. In Königswinter kommen die Mitarbeiter bei der Registrierung und Bearbeitung von Anträgen nicht mehr nach – und dabei solle immer bedacht werden, dass sie nicht ausschließlich für Asylanträge zuständig seien.

Damit andere Bedürftige nicht benachteiligt werden, bleibt das Amt derzeit jeden Montagnachmittag geschlossen. Dann kümmern sich die Mitarbeiter ausschließlich um die liegengebliebenen Anträge der restlichen Bedürftigen. Ein nicht unwichtiger Punkt, angesichts der „besorgten Bürger“, die ihrer Wut auf die Regierung und den ungebremsten Flüchtlingszustrom jede Woche aufs Neue bei Pegida-Kundgebungen Luft machen.

Verbreiteter als Fremdenhass ist Angst

Mit diesen „besorgten Bürgern“ hat sich Reporter Poggendorf mehrfach auseinandergesetzt. Er recherchierte für Fernsehbeiträge in Halle an der Saale und Leipzig. Plasberg wollte von ihm wissen, wie viel Fremdenhass dort vorhanden sei. Eine Schätzung sei laut Poggendorf jedoch schwierig, aber „es sind wohl mehr als uns lieb sind“. Der Fremdenhass sei dabei nur eine Sache. „Wir haben aber viel verbreiteter eine Angst vor dem Fremden. Es macht die Sache nicht besser, ist aber natürlich ein Unterschied.“ Diese Angst könne den Menschen vor allem durch Konfrontation beispielsweise bei einen Besuch in einer Flüchtlingsunterkunft genommen werden, sind sich die Helfer sicher. Denn kriminell und integrationsunwillig sei nur ein sehr geringer Teil der Flüchtlinge.