New York. Die TV-Serie “Unsere Mütter, unsere Väter“ war ein internationaler Erfolg. In New York wurde sie mit dem Internationalen Emmy ausgezeichnet. Für den Bochumer TV-Produzenten Benjamin Benedict war die Preisverleihung ein emotionaler Höhepunkt und das Ende einer langen Reise. Ein Interview.

Die Nacht war lang, die Freude groß. Beides ist Benjamin Benedict am Morgen danach anzumerken. Der aus Bochum stammende TV-Produzent des Unternehmens Ufa Fiction hatte nur wenige Stunden zuvor den begehrten TV-Preis Emmy in New York entgegengenommen. Jürgen Overkott sprach mit ihm.

Herzlichen Glückwunsch zum International Emmy. Sie haben eine lange Nacht hinter sich. Wie geht es Ihnen?

Benjamin Benedict: Sehr gut, Danke. Wir haben natürlich nach der Preisverleihung noch lange gefeiert. Es fühlt sich an wie das Ende einer langen Reise. Wir haben bei diesem Projekt viel Zeit miteinander verbracht, beim Drehen, dann kam die Ausstrahlung, in Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern, und jetzt sind wir, das Ensemble, die Macher, der Sender und die Produktionsfirma, hier wieder zusammengekommen. Wir waren ganz bewegt. Dieser Preis bedeutet uns allen ganz, ganz viel. Das ist jetzt kein Lippenbekenntnis, sondern das ist die Wahrheit. Es ist sehr emotional.

Warum bedeutet Ihnen das Projekt so viel?

Benedict: Das hat mit drei Aspekten zu tun. Das eine ist der erzählerische Kern dieser Miniserie. Wir erzählen von jenen Menschen, die zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs sehr, sehr jung waren und die diesen Krieg geführt und erlebt haben. Wir haben uns die Frage gestellt: Was hat das mit Ihnen gemacht? Jeder von ihnen hat sich auf gewisse Weise schuldig gemacht. Wir sind in diesem Zusammenhang gefragt worden, ob wir Schuld relativieren wollen, und das wollten wir selbstverständlich zu keinem Zeitpunkt.

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Wir haben uns eher gefragt: Wie gehen diese Menschen mit ihrem Schuldgefühl um? Sehr viele Zuschauer haben irgendeinen persönlichen Bezug zu den Geschichten entwickelt, die wir gezeigt haben. Uns haben sehr, sehr viele Menschen von den Erlebnissen erzählt, die ihre Väter, ihre Mütter geschildert haben. Das war für uns faszinierend. Unser Film hat offensichtlich ein Tor geöffnet zu Fragen nach unserer Identität und nach unserer Geschichte. Das ist der Grund, warum dieser Film vielen Menschen nahe gegangen ist, und das ist der Grund, warum dieser Film eine so große Diskussion ausgelöst hat.

Und der zweite Aspekt?

Benedict: Das hat etwas mit der Form zu tun. Wir freuen uns, dass so viele Menschen sich auf unsere Art des Erzählens eingelassen haben, auf diese spezielle Form des seriellen Erzählens. Wir Macher dieses Films sind große Fans der Erzählformen amerikanischer Serien. Wir standen vor der Frage: Wird es uns gelingen, unsere Begeisterung für dieses Projekt auf die Zuschauer zu übertragen? Und wir können sagen, dass wir mit dem Ergebnis sehr, sehr glücklich sind. Man kann sogar sagen: stolz. Der dritte Punkt: Wir haben erlebt, dass sehr, sehr talentierte Menschen dabei zusammengekommen sind und dass bei der Arbeit eine große Verbundenheit entstanden ist, beginnend mit der herausragenden Arbeit des Autor Stefan Kolditz und des wunderbaren Regisseurs Philipp Kadelbach. Das ist sicher auch ein Grund dafür, warum wir uns so gefreut haben. Die intensive Zusammenarbeit – auch mit dem Sender – war ein Teil des Erfolges.

Der Weg des Projekts erinnert mich an eine Heldenreise. Und dazu gehören auch Krisen. Wie oft stand das Projekt auf der Kippe?

Benedict: Ja. Auf unterschiedliche Art und Weise stand es des öfteren auf der Kippe. Es war produktionell eine ungeheure Herausforderung, eine Geschichte über vier Jahre hinweg zu erzählen. Wir mussten immer wieder dafür kämpfen, dass das überhaupt machbar ist. Da gab es eine Menge Krisen. Und daran haben wir uns nach der Gala auch erinnert.

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Der Film war ein Zuschauererfolg, und es gab eine intensive Debatte im In- und Ausland. Was hat Sie am meisten überrascht?

Benedict: Man wünscht sich als Fernsehmacher immer Resonanz, eine Reaktion. Das klingt einfach, ist es aber nicht. Diese Resonanz kann vielfältig, auch kritisch sein. Allein die Tatsache, dass der Film Debatten auslöste, war für uns ein Ritterschlag. Wir hatten das immer erhofft, aber in der Intensität so nicht erwartet.

Dennoch frage ich mich: Kam der Film fünf Jahre zu spät?

Benedict: Diese Produktion hat genau ihre Zeit gebraucht in der Entwicklung, Vorbereitung und Durchführung. Es hat viele Menschen gegeben, die gesagt haben, ich hätte mit meinen Eltern über diesen Film gesprochen. Für so eine direkte Auseinandersetzung mit Zeitzeugen kam er in einigen Fällen zu spät, für die Auseinandersetzung mit dem Thema allerdings kam er nicht zu spät, sondern begegnete einem genau zu dieser Zeit sehr empfänglichen Publikum.

Welche Lehren ziehen Sie aus „Unsere Mütter, unsere Väter“?

Benedict: Die Serie war ein Glücksfall. Man kann nicht davon ausgehen, dass jedes Projekt so gut gelingt. Wir sagen nicht, jetzt wissen wir, wie's geht, jetzt machen wir's noch mal. Aber eines hat der Film uns schon gezeigt. Er hat uns den Glauben an die Durchsetzungsfähigkeit von Qualität gegeben. Wir wollten es einmal so machen, wie wir es uns selber als Zuschauer wünschen.

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Wie wichtig ist es, Zeitgeschichte fiktional zu erzählen?

Benedict: Man kann sich dem Zweiten Weltkrieg auf unterschiedliche Weise nähern. Man kann ein Sachbuch schreiben, eine Dokumentation machen. Das spricht uns ebenfalls an, wenn auch auf eine andere Art und Weise als ein Spielfilm. Dass unser Film in 148 Länder verkauft wurde, hat auch etwas mit der emotionalen Erzählweise zu tun, sich dem Thema zu nähern. Das soll aber keine Absage an andere Formen per se sein, es beschreibt nur die Möglichkeiten unseres Weges.

Stichwort Emotion. Wann ist bei der Gala aus Ihrer frohen Ahnung jubelnde Gewissheit geworden?

Benedict: (lacht) Es sind vor der Preisverleihung Leute zu uns gekommen, die gesagt haben, es gibt harte Konkurrenz, seid nicht enttäuscht, wenn Ihr nicht gewinnt. Bis zur Bekanntgabe der Preisträger haben wir es nicht mehr für möglich gehalten, und da war die Überraschung und das Glücksgefühl für uns natürlich umso größer und machte diesen Abend so einzigartig und emotional.