Duisburg. . Rund 400 Fotografien von Barbara Klemm und Stefan Moses: Das Duisburger Museum Küppersmühle lässt fünf Jahrzehnte Politik und Kunst Revue passieren, vor allem in Porträts von mehr oder minder prominenten Künstlern von Thomas Mann bis Madonna. „Schwarzweiß ist Farbe genug!“

Das Gipfeltreffen der beiden deutschen Foto-Riesen Barbara Klemm und Stefan Moses im Museum Küppersmühle ist natürlich auch ein Gipfel des Wiedersehens mit den Klugen, Mächtigen und Kunstschaffenden der letzten fünf Jahrzehnte: Da sitzt bei Moses Willy Brandt mit seiner Mutter und seinem Stiefvater im hochbescheidenen Wohnzimmer – oder steht irgendwie fremd und doch mit unerhört intensivem Augenaufschlag im Wald, ganz Weltmann, das Sakko locker übergeworfen und fast zärtlich einen Zweig in die Hand nehmend. Oder Madonna, wie Barbara Klemm sie sah: 1993 in Paris am Laufsteg, hell gekleidet in einem Meer aus Schwarz und Schatten mit einer Handhaltung, in der die ganze Künstlichkeit dieses menschlichen Kunstprodukts zu stecken scheint.

Das ist es, was Barbara Klemm immer sucht und sie „den zweiten Moment“ nennt: „Den ersten haben alle, die mit der Kamera da sind.“ Deshalb hält die Star-Fotografin der „Frankfurter Allgemeinen“ Digitalkameras nicht unbedingt für einen Fortschritt, die Fotografen würden nur noch abdrücken anstatt zu schauen. Sie dagegen „schießt“ keine Bilder, wie es der Dichter Durs Grünbein einmal gesagt hat, sondern „fängt sie mit dem Lasso ein“.

Zur Ausstellung

„Barbara Klemm / Stefan Moses“ in der Küppersmühle (Philosophenweg 55, Duisburg, mi 14-18 Uhr, do-so 11-18 Uhr) zeigt jeweils rund 200 Fotografien der beiden. Bei den Aufnahmen handelt es sich überwiegen um Porträts, neben einigen Fotografien von Kunstwerken und Installationen. Von vielen der fotografierten Künstlern gibt es Werke in der Sammlung Ströher, die in der Küppersmühle zu sehen ist.

Eintritt: 6 Euro, erm. 4,50 Euro für die Ausstellung, 9 Euro fürs ganze Haus. Kinder unter sechs haben freien Eintritt.

Der umfassende Katalog zur Ausstellung mit Beiträgen von Alexander Kluge, Stefan Koldehoff und Peter Iden und in hervorragender Druckqualität für 29 Euro erschienen.

„Ich habe oft Glück gehabt“

Barbara Klemm, 1939 als Tochter des Künstlers Fritz Klemm (von dem es ein anrührendes Bild im Gegenlicht am Fenster gibt) geboren, hat fast fünf Jahrzehnte für die FAZ das Zeitgeschehen abgelichtet, den herzlich lachenden Wolf Biermann nach dem legendären Kölner Konzert genau wie die Ausgrabung der Terrakotta-Armee in China. Wir sehen einen himmelschreiend melancholischen Andy Warhol vor Tischbeins Goethe-Porträt und überhaupt viele Künstler von Beuys bis Baselitz und Richard Serra, porträtiert in einer sprechenden Umgebung, in genialen Ausschnitten.

Berückend auch die Serie über Museumsbesucher in aller Welt, von den heillos erschöpften, schlafenden Kunsttouristen auf einem Sitzmöbel im Louvre bis zum Landfrauen-Club vor der Königsfamilie im Prado – Augenblicke, auf die man warten muss, die man sehen muss: „Ich habe oft Glück gehabt“, sagt Barbara Klemm bescheiden. „Schwarzweiß ist Farbe genug“ ist auch so ein Satz von ihr, und der gilt auch für den neun Jahre älteren Stefan Moses.

Besamungstechniker und Fleischer

Er hat als Theaterfotograf 1949 Thomas Mann abgelichtet, dem seine Frau Katia über die Schulter schaut wie eine besorgte Gouvernante nach ihrem Jungen. Er hat Theodor W. Adorno mit einem Selbstauslöser vor den Spiegel gesetzt und Herbert Wehner auf einen Baumstumpf, hat Peter Zadek vorm Bochumer Schauspielhaus, Therese Giehse, Helene Weigel und Fritz Kortner mit Licht gemalt und die zerfurchte Gesichtslandschaft der Meret Oppenheim auch. Und zum Glück hat er um 1990 herum lauter Menschen aus der zu Ende gehenden DDR abgelichtet, vom Besamungstechniker bis zu den Sportstudentinnen, von den Fleischern voller Selbstvertrauen über die betreten verunsicherten Ärztinnen bis zu lauthals lachenden Köchinnen.

Wer mag, hat auch die Gelegenheit, zu vergleichen wie Barbara Klemm den Augenblick sucht und Stefan Moses ihn herbeiinszeniert. Golo Mann zum Beispiel hatten beide vor der Linse. Barbara Klemm bat ihn, in Kilchberg am Zürichsee am Schreibtisch seines Vaters Platz zu nehmen. Mit sichtlichem Widerwillen tat Mann, wie ihm geheißen – und schon hatte die Fotografin ihr Bild, sie wusste es, nach zwanzig Minuten. Normalerweise bittet sie die Porträtierten, sich eine Stunde Zeit für sie zu nehmen. Allein, ohne die Fragen der schreibenden Kollegen.

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Moses hingegen ging viel dichter ran, nahm die geschlossenen Augenlider aufs Korn und ließ die Dramatik eines Lebens im Schatte mit einem plötzlichen Einfall des Sonnenlichts auf die Lider zum Bild gerinnen. Moses inszeniert stets, viele der letzten DDR-Bilder vor grauem Einheitshintergrund, viele prominente Schauspieler und Geistesgrößen in der unvertrauten, zivilisationsfernen Wald-Umgebung, in der sich ihr charakter in der Haltung spiegelt: Heinz Berggruen strahlt wie zwei Honigkuchenpferde, Elisabeth Bergner ist noch mit der Schulter an der Rinde ganz Grande Dame, Tilla Durieux blickt durchs Lorgnon auf einen Ast, Hilde Spiel scheint eins werden zu wollen mit dem majestätischen Stamm.

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