Essen. Vorbilder wechseln. Früher musste sie sich dauernd mit Springsteen und Co. vergleichen lassen. Heute heißt ihr großes Ziel, irgendwann in der Liga mit „Pearl Jam“ zu spielen. Jetzt kommt das neue Album der Erfolgsbandband aus New Jersey auf den Markt. Der Titel: „Get hurt“.
Wer wie die vier Musiker von The Gaslight Anthem aus New Jersey stammt, das von hemdsärmeligen und hart anpackenden Menschen wie Bruce Springsteen und Jon Bon Jovi bevölkert ist, der hält sich nicht mit Lamentieren auf. „Wir werden garantiert nicht in diesen Chor einstimmen“, sagt Frontmann Brian Fallon, „der das immer gleiche Lied singt, der Rock’n’Roll sei tot und die Musiklandschaft werde von Dance Music dominiert. Das ist nämlich kompletter Humbug.“ Für den 34-jährigen Fallon liegen die Dinge auf der Hand: „Wenn es der Rockmusik nicht gut geht, dann müssen die Rockbands eben bessere Rockmusik schreiben. Ein guter Song wird immer sein Publikum finden.“
Ohnehin spiele es keine Rolle, in welchem Genre ein Klassesong zu Hause sei. „Wir schwingen nicht die Flagge nach dem Motto ‚Wir bringen den richtigen Rock zurück‘“, so Fallon. „Auch in Disco, Soul, EDM oder Pop gibt es tolle Lieder. Ich finde zum Beispiel die Musik von Calvin Harris, diesem ultimativen Mainstream-Dance-DJ ziemlich cool.“ Bandkollege Alex Rosmilla schaut an dieser Stelle etwas irritiert, entschließt sich aber zu sekundieren: „Wir würden auch mit einem Dance-Produzenten zusammenarbeiten, wenn es passt. Nur HipHop können wir beim allerbesten Willen nicht.“
Dem Experiment immer zugeneigt
Dass The Gaslight Anthem, die 2007 ihr damals noch eindeutig dem Punkgenre zuzuordnendes Debütalbum „Sink or Swim“ veröffentlichten, bevor sie 2010 mit der dritten Platte „American Slang“ im Rockmainstream ankamen, dem Experimentieren zugeneigt sind, unterstreichen sie auf ihrem nun fünften Album „Get Hurt“ mit Nachdruck. Auf der von Mike Crossey in Nashville produzierten Platte, entschließen sich die Jersey-Rocker (die es natürlich leid sind, mit ihrem frühen Vorbild Bruce Springsteen verglichen zu werden) zur Abkehr vom Sound der 2012er- Platte „Handwritten“, die immerhin Platz 2 der deutschen Album-Charts erreichte.
Gaslight Anthem rocken das Zelt
Weitestgehend raus ist der hymnische Arena-Rocksound jener von Stadionrockmeister Brendan O’Brien produzierten Platte, an die Stelle von Wucht und größtmöglicher Wirkung treten erstaunlich fein austarierte Kompositionen. „Get Hurt“ oder „Break your Heart“ sind verletzliche, intim klingende Stücke, für deren Texte sich Brian Fallon von den Gedichten des französischen Poeten Arthur Rimbaud hat inspirieren lassen, wie er sagt. Zwar geht es auch mal rau, hart und punkig zur Sache (auf „Stay Vicious“ oder „Helter Skeleton“), doch im Mittelpunkt steht der einzelne Song, steht die Atmosphäre, stehen Einflüsse aus Folk und Americana. Allerdings: Rundum zündende Songs, wiedererkennbare Melodien fehlen.
"Wir hätten es uns einfacher machen können"
Sanfte Kritik freilich lässt den Frontmann äußerlich kalt. Brian Fallon ordnet „Get Hurt“ lieber gleich mal in den größeren Kontext ein: „Uns ist schon klar, dass wir es uns hätten einfacher machen können.“ So erreichte „Handwritten“ Platz Zwei in den deutschen Albumcharts, der Boden für noch mehr Opulenzrock war also bereitet. „Aber wir sind gerade dabei, als Band Langlebigkeit zu entwickeln. Wir wollen wachsen, uns ausprobieren und vor allem nicht langweilig oder berechenbar werden.“
Auch interessant
The Gaslight Anthem wollen sich, was die Karriere betrifft, ein Beispiel an Pearl Jam nehmen. Sicher nicht die schlechteste Referenz. „Aber so gut wie Pearl Jam sind wir noch lange nicht“, räumt Brian Fallon immerhin ein. Zum Glück sind The Gaslight Anthem noch jung genug, um noch so gut zu werden, wie sie heute schon gerne sein würden.
Gaslight Anthem live: 29. Oktober, Düsseldorf, Mitsubishi Electric Halle