Essen. Hörbücher waren einst allenfalls ein Medium für Kinder oder Blinde. Inzwischen ist die Literatur fürs Ohr in allen Schichten etabliert. Das Jahr 2013 brach sogar alle Rekorde: 14 Millionen Hörbücher gingen über die Ladentheke, so viele wie nie zuvor. Der Hörbuch-Umsatz stieg um 3,6 Prozent.
Von der Orchidee zum Kassenhit: Hörbücher verkaufen sich in Deutschland so gut wie nie zuvor. Das vergangene Jahr brach alle Rekorde. Mit Branchensprecherin Heike Völker-Sieber sprach Lars von der Gönna über den Siegeszug einer Literatur, die ins Ohr geht.
Die aktuellen Zahlen lassen staunen. Was erklärt den Rekord?
Heike Völker-Sieber: Ich glaube, die Verlage sind noch näher an den Bedürfnissen ihrer Hörer als früher. Es gibt heute Hörbücher für wirklich jede Altersgruppe, jede Vorliebe. Wir kooperieren mit Sendeanstalten, mit Filmverleihen und organisieren Tourneen mit Schauspielern. Da beflügelt sich vieles gegenseitig.
Gibt es noch Hörbücher, deren Erfolg Sie überrascht?
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Völker-Sieber: Ja, „Der Hundertjährige...“ war ein Überraschungserfolg per se, aber mit Otto Sander eben auch ein ungeheurer Hörbuch-Erfolg. Wir haben die Lesung inzwischen 290.000 Mal verkauft.
Trotz Überraschung – gibt es für ein Rezept für den Erfolg?
Völker-Sieber: Qualität steht an erster Stelle. Ein guter Sprecher reicht nicht, es muss auch einer sein, der zum Stoff passt. Und zuerst stellen wir uns die Frage: Ist dieses Stück Literatur überhaupt fürs Hören gemacht?
Und wann ist es das nicht?
Völker-Sieber: Bei manchen Titeln im Sachbuchbereich. Aber auch in der Literatur. Wenn sie eine enorme Zahl an Figuren und Perspektiven haben, gibt es Grenzen. Dann ist eine Stimme einfach zu wenig.
Macht man dann ein Hörspiel, Theater für die Ohren?
Völker-Sieber: Das kann eine Alternative sein. Aber das ist ein ganz anderer finanzieller und organisatorischer Aufwand. Viele Sprecher, Musik, mehr Techniker und Studio-Tage. Es gab einen Rekordfall mit 280 Sprechern. Das kann man nur machen, wenn man seiner Sache sehr sicher ist und Partner hat.
Stream, Download, CD – was ist das zentrale Medium Ihrer Kunden?
Völker-Sieber: Es ist unser Glück, dass es alles nebeneinander gibt. Mancher hat uns ja schon vor zehn Jahren den Tod der CD prophezeit, das ist aber nicht passiert. Viele Menschen haben mit Stolz ein ganzes Hörbuchregal, freuen sich über edel gestaltete Objekte.
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Inzwischen gibt es sogar Vinyl-Ausgaben. Andere Nutzer hören mal eben einen Stream. Der wird nicht archiviert, er gelangt nie in ein Buchregal, das ist einmaliger Konsum. Hörspiele werden erfolgreich auf Download-Plattformen und auf Mp3-CDs angeboten.
Für uns ist die Botschaft: Nach Jahrzehnten, in denen das Hörbuch als Medium für Kinder oder Blinde galt, ist es heute eine Selbstverständlichkeit der Medienkultur. Die Menschen unterscheiden gar nicht mehr zwischen Hören und Lesen, digital und analog.
Kein Untergang des papierenen Abendlandes?
Völker-Sieber: Bestimmt nicht. Viele Menschen würden es sich nie nehmen lassen, abends auf dem Sofa ein schönes gebundenes Buch zu lesen. Wenn sie aber am anderen Morgen auf Geschäftsreise gehen, ziehen sie sich noch schnell ein Hörbuch als Download auf ihren Player.
Sind illegale Downloads ein Thema für Hörbuchverlage?
Völker-Sieber: Es gibt und gab das vor allem bei Spitzentiteln, denken Sie an Frank Schätzing oder „Harry Potter“. Da argumentieren die Schwarzkopierer: „Ach, das trifft ja die Reichen.“ Die ignorieren, dass solche Bestseller unsere Basis sind. Damit stemmen wir 80 Prozent unseres restlichen Angebots.
Illegale Downloads erschweren diese Mischkalkulation. Die Zahlen sind zum Glück rückläufig. Aufgrund von Aufklärungskampagnen, juristischen Konsequenzen, aber auch aufgrund nutzerfreundlicher Angebote der Verlage.
Wie lange braucht ein Sprecher für ein Hörbuch?
Völker-Sieber: Wenn man einen sehr guten, hörbucherfahrenen Sprecher hat, schafft er 140 Minuten am Tag. Also maximal zwei CDs. Das entspricht etwa 70 Buchseiten.
Kürzlich war der bekanntlich sehr unterhaltsame Karl Lagerfeld hier im Museum Folkwang zu Gast. Gibt es ein Hörbuch mit ihm?
Völker-Sieber: Ich glaube, das gibt es noch nicht. Aber er würde auf jeden Fall eine Menge Text auf eine CD bringen (lacht).