Essen. . Paul Auster und James Salter, Daniel Kehlmann, Uwe Timm und Olga Martynova: Das vergehende Jahr 2013 hat uns wunderbare Lese-Glanzlichter beschert. Unsere Top-Ten-Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit – vielleicht haben Sie gar einen Favoriten, den Sie hier zur Diskussion stellen wollen?

Die Jahresendbilanz 2013 kann nur positiv sein: So viele schöne neue Bücher sind erschienen! Unsere Top Ten verrät Ihnen, welche Romane Sie keinesfalls verpasst haben sollten.

1. Paul Auster: „Winterjournal“ (Rowohlt, 256 Seiten, 19,95 €)

Der große Postmodernist der amerikanischen Literatur hat seit der „New York Trilogie“ eine eingeschworene Fangemeinde, die ihm manchen Schnitzer der vergangenen Jahre verzieh. Nun aber legt er mit einer Autobiografie des eigenen Körpers ein Werk vor, das auch Nicht-Austerianer begeistert. Persönlich und berührend erforscht er sein Innenleben anhand äußerer Umstände, ob dies nun Krankheiten, Schwächeanfällge oder die zahlreichen Wohnungen eines Schriftstellerlebens sind.

2. James Salter: „Alles, was ist“ (Berlin Verlag, 368 Seiten, 22,99 €)

Der nunmehr 88-jährige US-Schriftsteller James Salter überrascht in diesem ersten Roman seit 30 Jahren mit Radikalität und Sprachmacht. Die Lebensgeschichte des Philip Bowman ähnelt seiner eigenen – jugendliche Kriegserfahrung im US-Militär, der Einstieg in die literarischen Zirkel New Yorks.

3. Daniel Kehlmann: „F“ (Rowohlt, 384 Seiten, 22,95 €)

Fabelhaft, federleicht und Funken sprühend: Daniel Kehlmann zeigt sich verspielt und tiefgründig in dieser Geschichte um drei Brüder und einen eigenbrödlerischen Schriftsteller-Vater. Wofür das „F“ steht? Die Familie Friedland vielleicht, Fälschung – oder Fama, Schicksal.

T. C. Boyle über das arachaische Leben von Schafzüchtern 

4. Olga Martynova: „Mörikes Schlüsselbein“ (Droschl, 320 S., 22 €)

Die in Russland geborene, heute in Frankfurt lebende Olga Martynova hat für einen Auszug aus dem Roman 2012 den Bachmann-Wettbewerb gewonnen. In ihrem feinen west-östlichen Reigen geht es auch um eine orange-grün-gestreifte Decke, die eine Zeitreisemaschine ist, und um ein angeblich vom Dichter Mörike stammendes Schlüsselbein – Studenten hatten im wirklichen Leben diese „Leihgabe des Pragfriedhofs“ einst ausgestellt.

5. T.C. Boyle: „San Miguel“ (Hanser, 448 Seiten, 22,90 €)

Kein Mensch ist eine Insel: Zwei Familien leben nacheinander auf der Insel San Miguel, eine der kalifornischen Santa-Barbara-Inseln. Während seiner Recherchen zum Roman „Wenn das Schlachten vorbei ist“ stieß US-Autor T.C. Boyle auf Tagebücher , die vom archaischen Leben der Schafzüchter auf San Miguel erzählen. Sein Roman gibt lebendigen Einblick in eine Zeit, in der noch nicht jeder Winkel der Welt erforscht war.

6. David Foster Wallace: „Der bleiche König“ (KiWi, 640 S., 29,99 €)

In „Unendlicher Spaß“ hat David Foster Wallace die Reizüberflutungen der Gegenwart ausgelotet, im postum erschienen Werk „Der bleiche König“ widmet er sich ihrer Ödnis: Der Roman dreht sich um Menschen, die als Prüfer für die Bundessteuerbehörde arbeiten. Wobei Roman eventuell das falsche Wort ist: Als David Foster Wallace sich im Jahr 2008 im Alter von nur 46 Jahren das Leben nahm, hinterließ er 250 Manuskriptseiten, zudem fanden sich „Festplatten, Schnellhefter, Aktenordner, Spiralblöcke und Disketten“ – ein Wust von Texten, den Wallace’ Lektor wie ein Puzzle zusammengesetzt hat.

Gelassene Worte über die Trümmer der eigenen Existenz 

7. Uwe Timm: „Vogelweide“ (KiWi, 336 S., 19,99 €)

Um eine Affäre, die gleich vier Leben aus dem Gleis brachte, kreist Uwe Timms Roman „Vogelweide“ – ein leises, beinahe altersweises und nur ein klein bisschen eitles Werk über die Verletzbarkeit bürgerlicher Existenzen. In Rückblenden berichtet sein Erzähler Eschenbach davon, wie er alles verlor - den tollen Job, die teuren Autos, das Penthouse und vor allem: Annas Liebe. Und wie er als Vogelwart auf der Insel Scharhörn landete... Das eigentlich Staunenswerte dieses Romans ist der gelassene Tonfall des Erzählers, der die Trümmer seines Lebens so nüchtern notiert, wie er das von den Wellen angespülte Strandgut verzeichnet.

8. Jo Lendle: „Was wir Liebe nennen“ (DVA, 256 S., 19,99 €)

Mit Beginn des neuen Jahres leitet Jo Lendle, bisher Chef bei Dumont, den renommierten Hanser-Verlag. Zuvor aber beschenkte er uns noch mit einem luftig-leichten Liebesroman, der mit den Möglichkeiten der Literatur spielt. Lendle verdanken wir zudem den Satz des Jahres, die Liebe etc. betreffend: „Nur was uns fehlt, wissen wir immer.“

9. Jon Kalman Stefansson: „Das Herz des Menschen“ (Piper, 416 S., 22,99 €)

In Island ist beinahe jeder Mensch ein Autor, jedenfalls produziert das 300 000-Seelen-Land erstaunlich viel Literatur. Jon Kalman Stefansson zählt zu Islands großen Naturromantikern. Seine Trilogie um einen namenlosen Waisenjungen, der seinen besten Freund auf hoher See verliert, singt das Hohe Lied der Poesie. Mit „Das Herz des Menschen“ endet die Reise des Jungen: und Menschlichkeit hat Schnee und Eis geschmolzen.

10. Deborah Levy: „Heim schwimmen“ (Wagenbach, 168 S., 17,90 €)

1994, französische Seealpen. Zwei Ehepaare machen Urlaub, ihre ganz privaten Tragödien im Gepäck. Als eine junge Frau namens Kitty Finch plötzlich in ihrem Pool planscht, kochen die Gefühle über. Levys Roman ist melancholisch und doch scharfzüngig, verwirrend wie ein dunkler Traum – und dabei so grell wie ein Tag an der Coté d’Azur.