Essen. . Schöne Präsente in letzter Minute: Andrea Sawatzki und Harald Martenstein lästern, Tim Burton zeichnet, ein Lego-Fan bastelt – und Krimi-Autoren von Arne Dahl bis Zoë Beck mixen Glühwein-Gifte. Wir stellen Bücher vor, die unter jedem Tannenbaum genau richtig liegen.

Alle Päckchen gepackt, alle Wunschzettel abgegeben? Oder – fehlt vielleicht doch noch die ein oder andere Gabe? Die hier vorgestellten Bücher sind allemal ein Geschenk: Sie erzählen von den heiteren, spannenden, nostalgischen komischen Seiten des Weihnachtsfestes. Und erhellen so einmal mehr den Blick auf uns selbst und die familiären Rituale des großen Alle-Jahre-Wieder-Zaubers.

Für humorvolle Väter

„Mein Leben als Mensch“, so heißen die Zeitungskolumnen von Jan Weiler, zwischen November und Februar aber ist der Titel eher irreführend. Besser wäre vielleicht: „Mein Leben als Nikolaus“. Den muss er nämlich in der Klasse seines Sohnes spielen.

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Auch davon erzählt der Band „Berichte aus dem Christstollen“ (Kindler, 112 S., 12 €): weihnachtliche Absurditäten, hübsch verpackt in knisternde Ironie. Da geht es um den Begriff „Bratenspitze“ (der bundesdeutsche Stromverbrauch im Dezember), um Adventskalendergerechtigkeit und Dringlichkeitssternchen auf liebevollen Wunschzettel-Collagen handelsüblicher Spielzeugprospekte. Dazu einen Süßholz-Tee!

Für gestresste Mütter

Sie glauben, die Feste in Ihrer Familie seien stets verkorkst? Dann sollten Sie aber mal die Bundschuhs kennenlernen! Gundula Bundschuh hat sich vorgenommen, wie jedes Jahr ein frohes Fest zu zaubern. Für die ganze Familie: für ihren ewig abgebrannten Schriftsteller-Bruder, ihren dementen Vater, einen mauligen Ehemann und die wenig hilfreichen Kinder…

Andrea Sawatzki schreibt wieder
Andrea Sawatzki schreibt wieder © Verlag

Verbrannte Bio-Enten, in Schaum gebadete Meerschweinchen und zerzauste Tannenbäume sind nicht die schaurigsten Elemente einer unterhaltsamen Story, die uns Tatort-Kommissarin Andrea Sawatzki in ihrem nunmehr zweiten Roman erzählt: „Tief durchatmen, die Familie kommt“ (Piper, 224 S., 17,99 €).

Für die ganz Kleinen

Die komischen Bräuche und Lieder zu Weihnachten kennt heute nicht mehr jedes Kind. Die „Weihnachts-Liederreise“ (edition chrismon, 32 S., 12,90 €, ab 4 Jahre) von Petra Bahr erzählt von Flo, der mit seinem Stoffkrokodil zur Oma reist und dort feiert. Liebevolle Illustrationen von Imke Trostbach zeigen Nikoläuse im Zug und Engel mit Sonnebrille. Dazu gibt es die Noten der gängigsten Lieder – die auf der dazugehörigen CD (12,90 €) intoniert werden vom Ensemble Athesinus Consort Berlin unter Leitung von Klaus-Martin Bresgott. So gerüstet, geht das traditionelle Weihnachtsfest kinderleicht!

Für Verspielte

Marias schwangerer Bauch ist eckig und die weite Wüstenlandschaft hat Noppen: Der Bildband „Die Weihnachtsgeschichte in ganz neuem Gewand“ (Lübbe, 32 S., 8,99 €) zeigt Maria und Josef als Lego-Männchen. Der Amerikaner Brendan Powell Smith hat in mühevoller Kleinarbeit die Story mit den Plastikfigürchen nachgestellt. Schön schräg.

Für Großeltern

Die Feiertage waren immer schon die Zeit, in der alles schief ging. Nikolaj Gogols Geschichte „Die Nacht vor Weihnachten“ erzählt von gestohlen Sternen und Liebhabern in Kohlesäcken, von Teufelsbünden und Himmelsmächten. Sie ist Teil einer schönen Sammlung klassischer Erzählungen zur „Stillen Nacht“ (Manesse, 448 S., 19,95 €). Ob Jules Verne oder Arthur Conan Doyle, Guy de Maupassant oder Fjodor Dostojewskij: Sie alle erzählen von einem ganz besonderen Zauber, den es so nur einmal im Jahr gibt. Ein handschmeichelndes Büchlein mit Leineneinband, wie gemacht für einen Abend vorm Kaminfeuer.

Für nette Nachbarskinder

Die Weihnachtsgeschichte ähnelt einer Odyssee, erst recht bei Georg Ringswandl. Der Kabarettist schildert in „Das Kind vom Plattenbau“ (edition chrismon, 80 S., 14,90 €, ab 10 Jahre) wie die junge Marion, „Mitglied der Party- und Ausgeschwadron“, ebenso haltlos wie hochschwanger durch die bundesdeutsche Weihnachtsnacht taumelt. Schließlich begegnet ihr Jossip, und gemeinsam gelangen sie nach allerlei Wirren vor einer Wurstbraterei an eine Schar von Menschen – „keine Privilegiertenversammlung“, aber hilfsbereit. Im Gegensatz zu so vielen Menschen, die sie in dieser Nacht trafen... „Das hatte sie an der Religion immer gestört“, heißt es einmal über diese weltfremde, weise Marion: „Alle finden die biblischen Geschichten großartig, solange sie in den frommen Büchern bleiben oder bei der Messe verkündet werden, aber sobald sie im realen Leben passieren, empfindet man sie als Zumutung.“

Für Krimi-Tanten (und –Onkel)

Gleich drei Anthologien voller brandneuer Weihnachts-Kurzkrimis gibt es in diesem Jahr zur Auswahl. Die Schären vor Stockholm oder einsame norwegische Wälder sind Schauplätze bei Ake Edwardson, Arne Dahl, Leena Lehtolainen oder dem Duo Hjorth/Rosenfeldt: „Jul-Morde“ heißt die Sammlung skandinavischer Shorties (Wunderlich, 272 S., 14,95€). Im Taschenbuch „Süßer die Schreie nie klingen“ (Knaur, 352 S., 9,99 €) versammeln sich Deutschlands Krimi-Größen von Friedrich Ani bis Linus Reichlin. 24 Kriminalfälle von der Nordsee bis an den Alpenrand zeigen die Republik im Scheinwerferlicht der Streifenwagen.

Morden im Norden
Morden im Norden © Verlag

Für Velbert als Vertreter der hiesigen Region hat sich Nicola Förg einen heiteren Entführungsfall im familiären Milieu ausgedacht – gemopste Adventskalenderschokolade spielt eine nicht unwesentliche Rolle… Richtig blutig wird es im Band „Den nächsten, der ‚Frohe Weihnachten’ zu mir sagt, bringe ich um“ (Droemer, 400 S., 14,99 €). Thrillerautoren wie Markus Heitz, Sebastian Fitzek oder Zoe Beck jagen ihren Lesern eine Gänsehaut über den Rücken, die nicht immer mit winterlicher Kälte zu tun hat. Und wenn Heinrich Steinfest seinem Helden zauberhaft weiße Handschuhe überstreift, dann zieht er uns damit zugleich in düstere Parallelwelten hinab.

Für gute Freunde

Sie sind ganz allein zu Weihnachten, würden aber so gerne feiern? Kein Problem. Der Weihnachtsagent stellt Ihnen eine Familie nach Wunsch zusammen: Kinder, Oma oder einen Verwandten, „der lustig ist und Klavier spielen kann“. Oder die „aufgeraute“ Version, etwas realitätsnäher: mit einem „streitsüchtigen Onkel, der rechtsradikale Ansichten hat und starken Körpergeruch“. Dieses Zukunfts-Szenario entwirft Harald Martenstein, Kult-Kolumnist und Romanautor, in der letzten Erzählung seines Bandes „Freuet euch, Bernhard kommt bald“ (C. Bertelsmann, 128 S., 12 €). In zwölf Storys erzählt er von rätselhaften Weihnachtsmordserien oder einem arbeitslosen Architekten, der als strippender Weihnachtsmann sein Geld verdient: „Ich trage unter dem Mantel rote Unterwäsche, ein Muscleshirt und Boxershorts, mit weihnachtlichen Motiven drauf, dazu rote Stiefelchen.“ Ein schaurig-schräges Vergnügen, das unter der bitterbösen Schale freundlich ans weiche Herz rührt.

Für Weihnachts-Skeptiker

Jack Geripper tun die Füße weh von all den Totentänzen in Halloween. Als er durch eine geheimnisvolle Pforte ins Weihnachtswunderland gelangt, kommt ihm eine Idee: Er und seine Freunde nehmen den Weihnachtsmann zur Geisel - und teilen selbst die Geschenke aus. Das Gedicht „The Nightmare before Christmas“ schrieb Regisseur Tim Burton bereits in den 80er Jahren, der gleichnamige Film dazu erschien 1993. Nun, 20 Jahre später, gibt es erstmals eine illustrierte deutschsprachige Ausgabe (unterm englischen Titel: Quadriga Verlag, 48 S., 15 €), übersetzt von Katja Sämann. Burtons zauberhafte Zeichnungen lassen zwischen Schmunzeln und Gruseln schwanken. Seine Zeilen offenbaren die ganze Tragik des Schrecklichseins sowie Jack Gerippers tiefe Sehnsucht, auch einmal Freude zu bringen. Und wenn am Ende sanfter Schnee aufs Halloweenland fällt – dann freuen wir uns mit ihm.