Mülheim/Ruhr. . Das Mülheimer Kunstmuseum zeigt „Die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies“ in August Mackes Bildern voller Gärten und Augenweiden. Sichtbar wird die Entwicklung des Künstlers im Schnelldurchlauf. Die 70 Bilder und Grafiken feiern auch den Zuwachs durch die Sammlung Ziegler, die ein Mülheimer Nobelpreisträger gestiftet hat.

Künstler zogen im fatalen Sommer 1914 scharenweise in den Krieg, meist aus Angst, am Ende werde es „eine ewige Schande sein, zu Hause gesessen zu haben,“ wie Oskar Kokoschka notierte. Auch der 27 Jahre alte August Macke gehörte dazu, bevor er kaum zwei Monate später am 26. September 1914 in der Champagne „durch eine feindliche, fast möchte man sagen: befreundete Kugel“ starb – Franz Marc konnte es kaum fassen: Ausgerechnet Macke! Ausgerechnet der Freund der französischen Impressionisten, der Expressionisten und Kubisten, Verehrer von Cézanne, Matisse, Delaunay und Braque!

Ausgerechnet dieses vom Leben verwöhnte Sonntagskind, in Meschede geboren, in Köln und Bonn aufgewachsen, als Ehemann einer Fabrikantentochter aller Sorgen enthoben – und ein Maler, dem in gerade mal zehn Schaffensjahren, die ihm blieben, mehr gelang als vielen anderen Künstlern. Von ihm sind 500 Gemälde überliefert, 500 Aquarelle, dazu Tausende Zeichnungen.

Fortschritte in Eile

Im Eilschritt ging Macke durch die diversen Mal-Schulen, an der Düsseldorfer Akademie warf er schnell die Brocken hin und ging lieber zur Kunstgewerbeschule. Als er in Paris seine ersten Impressionisten sah, konnte er gar nicht fassen, wie lange er an altdeutschen Vorbildern gehangen hatte.

August Macke: Selbstbildnis mit Hut
August Macke: Selbstbildnis mit Hut © Wolfgang Morell

Und manchmal trennten zwei Bilder, die im selben Jahr entstanden, Welten: „Unser Häuschen in Tegernsee“ wirkt noch konventionell-gekonnt, das „Staudacherhaus in Tegernsee“, das ebenfalls 1910 entstand, winkt schon zu den „Blauen Reitern“ hin­über – und ein Jahr später fährt „Unser Garten“ schon Karussell mit Farben und Formen.

Alle drei Bilder sind jetzt im Mülheimer Kunstmuseum „Alte Post“ zu vergleichen, wo man mit rund 70 Gemälden und Grafiken Mackes „Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies“ nachspürt. Das Museum feiert so auch die hauseigene Sammlung, die der Mülheimer Nobelpreisträger Karl Ziegler, „Vater der Kunststoffchemie“, gestiftet hat. Vor zwei Jahren ist diese Kollektion aus Expressionisten und Klassischer Moderne nochmal erheblich gewachsen, um 67 weitere Werke, so dass man in Mülheim nun über 15 Macke-Bilder verfügt.

Wobei die Gemälde weit weniger Vorgeschmack auf das Paradies als Mackes leuchtende, strahlende Aquarelle sind. Der „Blick in eine Gasse“ etwa, den er von der gemeinsamen Tunis-Reise mit Paul Klee mitbrachte, eine reduzierte, von Schemen getragene Orient-Impression, vom Blau und Gelb und einigen Tupfen Rot aufs Blatt gehaucht, ein Vor-Bild für die gut erträgliche Leichtigkeit des Seins. Ähnlich wie das „Gelbe Segel“, das am Thuner See entstand, wo Macke in der Bergeinsamkeit zu sich fand, „im Welttrubel sind wir vom unserem eigenen Ich immer weit entfernt“.

Ein Schuss von Melancholie

Schon zuvor hatte er vorzugsweise Gärten gemalt oder seine Frau Elisabeth, mal als Akt, mal mit Kind und stets so, dass die Szene zum Idyll geriet, während die Farben wie widerstrebende Kräfte aus der Wirklichkeit hineinflossen. Macke ersetzte die Konturen der Gesichter immer mehr durch Farbflächen, und selbst in den scheinbar fröhlichen Sujets von Zoo bis Zirkus gerät ein Schuss von Melancholie in die scheinbar heile Welt, eine Ahnung vom eindimensionalen Menschen, von verlorener Individualität, die zum Paradies wohl doch dazu gehören würde.

Zur Ausstellung

August Macke. Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies. Kunstmuseum Mülheim, 2. Februar-27. April. Di-So 11-18 Uhr, Eintritt: 6 €, erm. 4 €, Familien: 10 €; Kinder bis 6 frei; mittwochs ab 14 Uhr: 2 €. Führungen: sonntags um 11.30 Uhr.

Statt eines Ausstellung-Katalogs liegt das neue Verzeichnis der Sammlung Ziegler: nur 35 €.

So oder so ist auch diese Macke-Schau die reine Augenweide, die Ergänzungen um Jawlensky, Marc und Campendonk sind es nicht minder. Nicht von ungefähr befinden sich die meisten Bilder von Macke bis heute in Privatbesitz – seine Beliebtheit dürfte auch durch diese Ausstellung nicht gerade abnehmen. Und doch wüsste man nur zu gern, wie dieser große Freund des Lebens weiter gemalt hätte, wenn dieser verdammte Krieg nicht gewesen wäre.