Ruhrgebiet. Jubril Sulaimon – Schauspieler, Stückeschreiber und ein Essener in Dortmund, der in oft Bochum spielt: Der Mann wirkt wie ein Klischee auf zwei Beinen. Und erzählt in seinem Stück „Call Shop“, mit dem er den Landeswettbewerb „In Zukunft“ gewonnen hat, vom inneren Kulturkonflikt eines Mannes aus Lagos.
Afrikaner, so das Klischee, sind lebenslustig, leidenschaftlich und tolle Tänzer. Das kulturell offene Publikum denkt natürlich nicht so, aber dann: Auftritt Jubril Sulaimon! Herzlich lachend über das ganze Gesicht, glühend für das Theater – und sein Schauspiel-Examen hat er in Nigeria mit diesem Schwerpunkt gemacht: Pantomime und Tanz.
Vielleicht ist Jubril Sulaimon also ein Stück Afrika, wie wir es sehen wollen – und auch dürfen: Am Freitag wird am Westfälischen Landestheater in Castrop-Rauxel ein Stück von ihm uraufgeführt. „Call Shop“ schrieb der 44-Jährige im Landeswettbewerb „In Zukunft“ für Autoren mit Migrationshintergrund; es erzählt vom inneren Kulturkonflikt des Mannes aus Lagos, der im Ruhrgebiet „den Afrikaner vertritt“ und doch „die Hälfte von mir zu Hause liegen gelassen“ hat. Der „Wir“ sagt, wenn er die Deutschen meint, aber, das Herz „mit 15 Geschwistern in Nigeria“ teilt.
Er will nur spielen!
Klar, dass Sulaimon mit „Lamidi“ auch sich selbst spielt: So viel Energie füllt die Bühne mit ihren bunten Telefonkabinen, dass leicht vorzustellen ist, warum die Essener Folkwangschule ihm, „dem verrückten Ding“, frei und unverbraucht, einst einen Kurs für Improvisation anvertraute: „Ich bin gesprüht ohne Ende.“ Manchmal fällt der Schauspieler noch über die deutsche Sprache wie über die Telefonkabel, dabei hat er die Sätze selbst notiert. „Die Wörter“, sagt er, „kommen zusammen wie Lego“, auf dem Regietisch liegt, vorsichtshalber, ein Aussprache-Wörterbuch. Über seine erste Hauptrolle, vor 20 Jahren in Bochum, konnte er bei der Premierenfeier dagegen gar nichts sagen: Damals sprach er deutsch, ohne ein einziges Wort zu verstehen.
Geholt hat ihn 1992 Hansgünther Heyme, für sein „Ghetto“-Projekt in Essen. Wegen des Theaters ist Sulaimon gekommen, wegen des Theaters geblieben: Er will nur spielen! „Theater muss sein“, steht auf seinem Auto-Aufkleber. Er lebt jetzt in Dortmund, spielt in Bochum, will aber ein Essener sein, „weil ich Essen alles verdanke“. Er tourt mit seinem Tanzensemble, als Geschichtenerzähler, mit eigenen Ein-Mann-Stücken, er spielte in Wuppertal und Hamburg – und bleibt doch überall „der Afrikaner“.
„Lindenstraße“, „Dreigroschenoper“
In der „Lindenstraße“ war er ein Spitzel der nigerianischen Botschaft, im „Zauberer von Oz“ der Löwe und in der Dreigroschenoper, natürlich, einer von den Räubern. „Immer festgelegt auf die Hautfarbe“, sagt Jubril Sulaimon schulterzuckend und lacht, als würde ihn das amüsieren. Dabei ist es ja tatsächlich schlimmer: Er wird, bei aller Sympathie, festgelegt auf den Bösewicht.
Sulaimon, den fröhlichen, ficht das nicht an, er glaubt, dass er den Spieß längst umgedreht hat, und findet sich dabei selbst „raffiniert“: Spielt er nicht in seinen Stücken mit all’ diesen Klischees? Wirft er in „Call Shop“ nicht der blonden Damika und mithin den Zuschauern ihre Vorurteile vor die Füße? Räumt er nicht auf mit den Dingen, die
„Call Shop“ auf der Bühne
Die Premiere von „Call Shop“ ist bereits ausverkauft.
Weitere Termine: Maschinenhaus Essen, 26. und 27. Februar, 20 Uhr (Karten 12 Euro, Tel. 0201/837 84 24) und WLT Castrop-Rauxel, 13. April, 18 Uhr (14 Euro, Tel. 02305/97 80 20).
Deutsche über Afrikaner denken? Tatsächlich aber handelt seine Komödie ja vom alltäglichen Rassismus. Und ein anderes seiner Werke von Aids und ein weiteres von der Sehnsucht des Flüchtlings nach der Heimat.
„Besonders seelenvoll“
„Durch seine persönliche Interpretation“, sagt Regisseur Christian Scholze, werde das Stück „besonders glaubwürdig und seelenvoll“. Das ist wohl das Pfund des Afrikaners Jubril Sulaimon, was der auch weiß. Und doch hat er einen Wunsch: Dass ein Schwarzer einst den „Faust“ spielen möge „auf öffentlicher Bühne – das wäre ein Durchbruch für das deutsche Theater“.