Havanna/Essen. Lust am Tanz und Leidenschaft für Musik gehören zu den wenigen Gütern, die Kuba im Überfluss zu bieten hat: Das Ensemble “Ballet Revolución“, zurzeit auf Euroapa-Tournee, bringt seine Show nach Essen. Die 19 Tänzerinnen und Tänzer gastieren vom 11. bis 16. Februar im Colosseum-Theater.
Es gibt auf Kuba viel, wovon es wenig gibt. Leidenschaft für Musik und Lust am Tanz gehören nicht dazu. Im Gegenteil. Die gibt es im Überfluss, so viel, dass sie sich exportieren lassen: Die Tanz-Show „Ballet Revolución“ hat weit mehr Umdrehungen als kubanischer Rum, wirkt möglicherweise ähnlich berauschend – und kann auf der zweiten EuropaTournee vom 11. bis 16. Februar im Essener Colosseum Theater verkostet werden.
Choreograph Roclan Gonzalez Chavez hat die Show mitentwickelt, hat sie mit den 19 Tänzerinnen und Tänzern einstudiert. Im Nationaltheater, gleich neben dem Platz der Revolution in Havanna, wo die Probebühne im 8. Stock untergebracht und der Aufzug selbstverständlich kaputt ist. Macht nichts, so sind die Tänzer zumindest angewärmt, bevor sie sich aufwärmen, und Besucher schnappen schon nach Luft, bevor sie den ersten Tanzschritt der schönen jungen Künstler gesehen haben.
Energie explodiert, Leidenschaft flammt
Die Musik ist nicht zu überhören, eine Art rockiger Mambo, die Bässe dröhnen bis weit in die unteren Etagen des Treppenhauses, der Putz bröckelte aber bestimmt schon vor der Probe. Für die Aussicht über die Dächer von Havanna haben die Tänzerinnen und Tänzer keinen Blick. Sie schauen sehr konzentriert auf Choreograph Chavez, der in Trainingshose, rotem T-Shirt mit revolutionärem Stern, Baseball-Kappe und Sonnenbrille vortanzt.
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In zwei Gruppen ist das Ensemble aufgeteilt: Auf der einen Seite sind die klassischen Ballett-Tänzer, auf der anderen Seite wird zeitgenössisch getanzt. Die Stile und die Tänzer treffen aufeinander, vermischen sich und tanzen zum Mambo – Energie explodiert, Leidenschaft flammt. Roclan Chavez hat viele afrokubanische Elemente eingebaut: Es ist die Sorte Tanz, die dem 37Jährigen am meisten am Herzen liegt.
Ein armes Land, reich an Kultur
Getanzt hat der Choreograph, der die Sonnenbrille selbst in schummrigen Bars nicht absetzt, schon als kleines Kind. Er sei in einem sehr armen Viertel aufgewachsen, erzählt er, und wenn die schwarzen Nachbarn auf der Straße tanzten, tanzte der kleine Roclan mit. Heute tanzt er auf vielen Hochzeiten: Chavez choreographiert das berühmte Cabaret Tropicana, das kubanische Fernsehballett, MusikVideos und tourende Truppen wie das Ballet Revolución.
Hier verschmilzt er alles Mögliche aus seinem Repertoire: Ballett und zeitgenössischen Tanz, den afrokubanischen Stil und Streetdance. Die Mischung ist so vielfältig wie die Nuancen der Hautfarben auf Kuba. „Die Leute sehen sonst immer nur dasGleiche“, sagt Chavez, „wir müssen denen mal zeigen, wer wir sind.“ Und falls das noch nicht klar war: „Ich liebe Kuba aus tiefstem Herzen.“
Was ist denn an Kuba so liebenswert? „Die Musik, die Leidenschaft, wie wir das Leben sehen“, erklärt der Mann, der kaum stillsitzen kann, „wir haben nichts, aber wir sind trotzdem fröhlich.“ Politischer werden Kubaner selten, wenn sie wissen, dass das, was sie sagen, veröffentlicht werden könnte. „Wir haben zu Hause vielleicht nicht so wunderbares Essen“, sagt Chavez und wedelt mit der Hand in Richtung des reich gedeckten Tischs in einem der teureren Restaurants in Havanna, in dem Erinnerungsfotos mit Hollywood-Stars an der Wand hängen „aber wir sind kulturell sehr reich."
"Ballet Revolucion" tanzt zur Musik der Live-Band
Keine Frage. Und die Kultur wird kultiviert, von Staats wegen, neben der Musik auch und vor allem der Tanz. In Ballett-Kompanien in aller Welt tanzen Kubaner. Die Förderung musischer Talente beginnt in der Schule, die Begabtesten besuchen schon früh die Kunsthochschule ENA (Escuela Nacional de Arte). Auch Roclan Chavez ist in diesen Tanzsälen, die Fidel Castro auf das saftiggrüne Gelände eines ehemaligen Country-Clubs setzen ließ, ausgebildet worden.
So mitgenommen die Bauten der Abteilung Tanz heute aussehen, die in den 60ern mit bahnbrechender Architektur die Bedeutung der Künste fürs revolutionäre Kuba feiern sollten: Sie sind voller Leben, hier werden weiter junge Kubaner im Tanz ausgebildet. Es ist die Alma Mater aller Tänzerinnen und Tänzer im "Ballet Revolución", der Truppe, der Kritiker bei ihrer ersten Tournee vor zwei Jahren Weltklasse bescheinigten. Auch hier werden die Jugendlichen in Sparten aufgeteilt; während die einen im klassischen Ballett ausgebildet werden, lernen die anderen zeitgenössischen Tanz, zu dem hier auch kubanische Folklore gehört.
Afrokubanischer Tanz zählt dazu, der Mambo möglicherweise nicht direkt – obwohl er auf der KaribikInsel entstanden ist, aus dieser speziellen Mischung von Tanz und Musik, die sich dort ergeben hat. Und weil Musik eine so große Rolle spielt, tritt das Ensemble mit achtköpfiger LiveBand auf. Dass die international arbeitenden kubanischen Musiker Hits von Bruno Mars, Rihanna, Beyoncé und David Guetta für die Show arrangiert haben – geschenkt. Viel interessanter sind die Stücke, die Musical Director Osmar Salazar Hernandez und seine Kollegen für die Show komponiert haben: Sie verbinden kubanische Tradition und Einflüsse von außen und liefern so die perfekte Basis für die Choreographien der Show. Zum Beispiel der Elf-Minuten-Mambo – der wird schon nach dem ersten Hören zum Ohrwurm.