Essen. . Der belgische Choreograf Stijn Celis inszeniert „Cinderella“ am Essener Aalto Theater: Süffig, manchmal komisch, schön getanzt, frei von großer Ballettmagie.
Cinderellas verstorbene Mutter war Doris Day. In weißem Kleid, mit Kelly-Bag und Pumps erscheint Hollywoods Sauberfrau der 50er-, 60er-Jahre dem armen Mädchen im Schlaf. Und entführt sie in eine bessere Welt, wo getanzt wird wie einst in Shows und Revuen der Traumfabrik.
So deutet der Belgier Stijn Celis das Ballettmärchen und mischt unter die narkotisierende Musik von Prokofjew schnurrige und schmusige Filmschnulzen des kalifornischen Altmeisters Les Baxter. Süffig, manchmal komisch, schön getanzt, frei von großer Ballettmagie – so wirkt diese „Cinderella“. Celis, die Aalto-Solisten und Bochums Symphoniker (unter Yannis Pouspourikas) wurden nach der Premiere im Essener Opernhaus gefeiert.
Nicht stürmisch, aber freundlich. Denn die Titelheldin Yulia Tsoi, in taubenblauem Kleid, und Breno Bittencourt als Prinz in Nadelstreifen und Krawatte haben hier nur selten Gelegenheit Bravour und Glanz zu entfalten. Zumal sie den finalen Liebes-Pas-de-deux sogar barfuß tanzen müssen. Das wirkt geerdet, raubt dem Repertoire-Klassiker aber den schwärmerischen Zauber, den Prokofjews fiebernde Komposition hat. Die beiden Stars der Aalto-Truppe hätten vielleicht gern mehr gezeigt.
Eine Szene wie aus dem Märchenbuch
Jugendfrei und sehr pantomimisch erzählt Celis die Aschenputtelgeschichte in reduziertem Dekor, mit abgeschnittenen Antikschränken und Truhen, in denen die Figuren abtauchen. Nah am Original bleibt Cinderellas Vater, der sich von seiner zweiten Frau und deren Töchtern beherrschen lässt.
Die garstige Stiefmutter wird, wie üblich, von einem Kerl karikiert. Artur Babajanyan verzichtet dabei auf Travestieklamauk, macht nicht die Tunte, sondern überzeugt als tänzerisch starkes, aber rastloses Wesen, das sich selbst dem Prinzen an den Hals wirft. Neu ist, dass auch die neidischen Töchter Männer sind, mit muskulösen Oberkörpern und strammen Waden Aschenputtel zusetzen. Das hat seinen Reiz, besonders in bizarren Flugsprüngen und im athletischen Übermut von Wataru Shimizu und Liam Blair.
Wie aus dem Märchenbuch wirkt die Szene, wenn Prinz Bittencourt Cinderella in feuerrotem Ballkleid sieht, ihr die High Heels anzieht und beide in einen Liebesrausch verfallen. Fazit: erzählerisch ein gelungener, manchmal origineller Abend. Choreografisch indes verschenkt er einiges, Prokofjews tänzerischer Schwung geht ins Leere, etwa wenn die vorzüglich trainierten Aalto-Artisten statt eines Walzers rennen, zappeln und schlottern müssen.